Mit drei großen Herausforderungen haben Unternehmen in Deutschland laut Prof. Dr. Markus Schneider von der Hochschule Landshut derzeit unter anderen zu kämpfen: dem Fachkräftemangel, den hohen Produktionskosten und dem zunehmenden Nachhaltigkeitsdruck, der vor allem mit der CSR-Berichtspflicht spürbar wird. Besonders einer dieser Herausforderungen hat sich die Lab-Tour am Technologiezentrum PULS in Dingolfing gewidmet, dessen Wissenschaftlicher Leiter Professor Schneider ist: dem Fachkräftemangel.
Laut Maria Maier, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München und Mitarbeiterin im Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg stehen wir beim Fachkräftemangel erst am Anfang. Es werde noch schlimmer werden und die Zuwanderung reiche nicht aus, um den Mangel auszugleichen. Mitarbeitendenunterstützung, -weiterbildung und -partizipation sei deswegen ein wichtiger Faktor, um vorhandene Arbeitskräfte zu halten und sie in Entscheidungen miteinzubeziehen.
Einen Ansatz den Professor Markus Schneider als Lösung sieht, ist die Automatisierung. Produktionssysteme sollten dabei aber komplett neu gedacht werden. Er verfolgt die These, dass es am besten sei Mensch und Maschine zu trennen, womit er gegen den Trend der Kollaboration geht: „Menschen machen Fehler, lassen zum Beispiel Behälter stehen und was machen die Maschinen? Sie bleiben stehen und piepsen.“ Technik müsse nicht überall eingesetzt werden, nur in bestimmten Bereichen und hier sollte der Mensch keinen Zutritt haben. Auf der anderen Seite habe Automatisierung aber auch ihren Preis, da man gut ausgebildete Personen brauche, um das Ganze umsetzen.
Was es braucht, um Prozesse zu automatisieren? Erstmal den Prozess aufräumen, sonst hat man einen schlecht automatisierten Prozess laut Professor Schneider. In der Musterfabrik macht er das den Teilnehmenden deutlich. Die Unternehmensvertreter:innen hat er insbesondere dafür sensibilisiert die Standarddenkweise aufzugeben: Pro Sekunde werden sechs Quadratmeter Fläche zubetoniert, was eine große Verschwendung ist. Vor allem bereits in der Planung liege großes Potenzial, das zu ändern.
Wie Platz eingespart werden kann, konnten die Teilnehmenden in der Musterfabrik erfahren. Boden und Decke werden mitgenutzt, so ist beispielsweise an der Decke ein Logistiksystem mit Transportrobotern angebracht. Weitere Automatisierungslösungen gab es in den verschiedenen Bereichen zu sehen, denn in der Musterfabrik ist ein kompletter Wertschöpfungsprozess vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang abgebildet.
Interessant war dabei auch die „O-Zelle“. In der Mitte befindet sich ein Roboter, der das Material auf die umliegenden Arbeitsplätzen verteilt, sodass es nur noch eine Schnittstelle zwischen Transport- und Montagesystem gibt. Dies ermöglicht effizienteres Arbeiten als in einer „U-Zelle“ – diese wird in der Fließfertigung häufig eingesetzt – und spart Platz.
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2018 wurde die Factory of the Future von Bosch Rexroth auf der Hannover Messe vorgestellt – seitdem haben in der Musterfabrik, die am Standort Ulm Teil des Innovationszentrums CU.BE ist, schon unzählige Führungen stattgefunden.
Ziel ist es vor allem, den Interessierten Denkanstöße und Ideen für ihre eigenen Unternehmen mitzugeben. Sophia Endres von Bosch Rexroth, die hauptverantwortlich die Führungen organisiert und durchführt, betont: „Niemand wird alles genau so umsetzen, wie es hier aufgebaut ist, aber uns geht es darum zu zeigen, welche möglichen Lösungen wir mit unseren Komponenten und Partnern sowie Systemintegratoren abdecken können.“
Und die Möglichkeiten sind vielfältig: Grundkonzept der Factory of the Future ist die Flexibilität. So sind die Bestandteile innerhalb der Factory flexibel. Lediglich Wände, Boden und Decke sind fix. Wobei das auf den Boden nicht ganz zutrifft, da hier neben zahlreichen anderen Funktionen zum Beispiel Führungslinien angezeigt werden können, die eine präzise Anfahrt für die sogenannten Active Shuttles ermöglichen. Diese Linien können flexibel verschoben werden, denn sie sind nicht aufgeklebt, wie man es vielleicht kennt. Stattdessen werden diese mit Licht erzeugt.
In der Factory of the Future ist die reale Welt mit der digitalen verbunden. Alles kann an der Wand mithilfe eines digitalen Zwillings abgebildet und für Simulationen genutzt werden. Neben den Active Shuttles befinden sich dort beispielsweise ein Smart Item Picker sowie eine Arbeitsstation mit integriertem Assistenzsystem für die Mitarbeitenden.
Ein ebenfalls interessanter Bestandteil: Smart Function Kits, die beispielsweise für Handling und Dispensing eingesetzt werden können. Diese gibt es in einer Art Baukastensystem mit Standardmodulen. Grund hierfür ist auch wieder die damit abbildbare höhere Flexibilität sowie durch die Standardisierung und grafische Programmierung auch das möglich machen, dass Nicht-Programmierer diese Maschine in Betrieb nehmen und nutzen können.
Auch spannend ist ein Roboter, der unter anderem für die Inspektion und den Transport eingesetzt werden kann. In einer kurzen Vorführung hat Sophia Endres gezeigt, was passiert, wenn das entsprechende Werkstück an einen anderen Platz gelegt wird. Der Roboter hat sich innerhalb weniger Sekunden angepasst und das Bauteil von der neuen Stelle aufgenommen. Wie das geht? Dank einer Unterlage mit Matrixcode und einer Kamera, die sich unter dem Modul befindet. So ist eine Neuausrichtung ganz ohne Programmierung und Kalibrierung möglich, wodurch die Flexibilität im Einsatz erhöht wird.
Sogenannte No-Code bzw. Low-Code-Lösungen spielen auch im Bereich der digitalen Assistenzsysteme eine Rolle, wie Mittelstand-Digital Expertin Maria Maier vom Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TUM in ihrem Vortrag berichtet hat. Viele Unternehmen haben inzwischen den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Digitale Assistenzsysteme werden daher für Unternehmen immer wichtiger werden, da sie nicht wie befürchtet Arbeitsplätze wegnehmen, sondern helfen, den Fachkräftemangel auszugleichen. Niedrigschwellige Angebote ohne großen Programmieraufwand können hier eine gute Lösung sein.
Dass die Umsetzung der Digitalisierung vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen in der Realität oftmals anders aussieht, stellte Dr. Maximilian Dommermuth, Head of Training bei der Bosch Rexroth Academy, in seinem Vortrag über die „Herkulesaufgabe“ der Digitalen Transformation klar. Eine kurze Umfrage unter den Teilnehmenden hat gezeigt, wie unterschiedlich das Verständnis des Begriffs Industrie 4.0 ist und dass damit vor allem weitere Schlagworte hervorgerufen werden. Diese wiederum wecken hohe Erwartungen. In der Wirklichkeit sind die Herausforderungen aber groß, beispielsweise müssen alte Maschinen mit neuen Systemen verbunden werden. Auch fehlende Daten sind oftmals ein großes Hindernis, deshalb empfiehlt es sich, am Ende nicht so lange zu überlegen, welche Technologie man auswählt, sondern wie man seine Daten entsprechend aufbereiten kann.
Viel Inspiration konnten sich die Teilnehmenden also bei der Factory-Tour holen, aber es waren sich alle einig, dass ganzheitliche Digitalisierung noch ein langer Weg ist.
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„Jeder Kunde kann ein lackiertes Auto in jeder gewünschten Farbe haben, solange es schwarz ist.“ Wer dieses Zitat von Henry Ford aus dem Jahr 1922 kenne, wollte Prof. Dr. Ing. Peter Wurster von der Fakultät Maschinenbau der Hochschule Kempten zu Beginn seines Vortrags wissen. Tatsächlich gingen fast alle Hände der Teilnehmenden des Thementags zu den Schwerpunkten Produktion und Intralogisitk nach oben. Zurück geht dieser Satz auf den Einsatz der Fließproduktion im Automobilbau, die zwar bis heute die Produktion großer Stückzahlen ermöglicht, aber nur eine geringe Variantenvielfalt zulässt.
Daraufhin stellte der Forschungsprofessor für Produktionssystematik, der selbst auch in der Automobilbranche tätig war, das Konzept der Matrixproduktion näher vor. Diese zeichnet sich vor allem durch die individuell beplanbaren Arbeitsstationen, die flexibel miteinander verbunden sind, aus. Bei der Gegenüberstellung von Produktion in Matrix- und Linienform kommt Professor Wurster zu dem Schluss: Eine Kombination aus beiden kann sinnvoll sein.
Neben diesen Grundlagen gab sein Kollege Prof. Dr. Ing. Gerald Winz, ebenfalls von der Fakultät Maschinenbau, einen Einblick in die digitale Fabrikplanung, deren Einsatz bei komplexen Systemen vorteilhaft ist. Auch er stellt fest: Eine Matrixproduktion eignet sich am besten bei einem Variantenmix der Produkte, da sie resilient gegenüber Veränderungen ist. Allerdings müsse bedacht werden, dass die Matrix mehr Fläche benötige.
Wie sich die Fabrikplanung mit neuer Technologie umsetzen lässt, zeigte Martin Schlump, der sich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HS Kempten mit dem Thema auseinandersetzt. Er arbeitet an einer Software für die Fertigungsplanung, bei der Virtual Reality zum Einsatz kommt. Mit dieser Lösung sind Konzepte nicht nur schnell und platzsparend umsetzbar, sondern auch nachhaltiger, da ansonsten bei analoger Planung Kartons für den Aufbau verwendet werden. Die Teilnehmenden konnten die Anwendung vor Ort selbst ausprobieren und zum Beispiel einen Arbeitsplatz einrichten.
Ergänzt wurden die Vorträge durch die Schulung „Intralogistik 4.0 – Welche Technologien bilden die Intralogistik der Zukunft?“ von Leonhard Feiner und David Karl vom Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen Universität München. Darin haben sie den Teilnehmenden bereits bekannte einsatzfähige Technologien für die Bereiche Identifizieren, Lokalisieren, Unterstützen und Transportieren in der Intralogistik vorgestellt.
Darunter beispielsweise die Technologie RFID zur Identifikation von Objekten. Für viele ist das zwar ein interessanter Ansatz, aber Leonhard Feiner betonte: „Ich muss meinen Prozess und meine Anforderungen kennen, damit ich RFID einsetzen kann.“ Die Teilnehmenden hatten während der Schulung auch Gelegenheit Handlungsfelder für ihr eigenes Unternehmens zu identifizieren, sodass sie viele Anregungen aus der Veranstaltung mitnehmen konnten.
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400.000 bis 800.000 Dichtungen – so viel produziert die Dichtungstechnik Wallstabe & Schneider GmbH & Co. KG täglich. Dafür sind rund 700 Mitarbeitende am Firmensitz in Niederwinkling in Ostbayern im Einsatz. Der Hersteller von hochwertigen Elastomerdichtungen für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie hat dabei, genauso wie viele andere Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe, mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen, allen voran dem Fachkräftemangel. Aber auch die schnelle Reaktion bei Prozessstörungen, hervorgerufen durch Rohstoffschwankungen, Maschinen- oder Mitarbeiterausfall, nannte Geschäftsführer Kai Peters, als er den Teilnehmenden der Factory-Tour die Ausgangssituation des Unternehmens schilderte.
Aus diesen Gründen entschied sich Wallstabe & Schneider vor circa fünf Jahren, die Herausforderungen mit digitalen Lösungen anzugehen, gemeinsam mit ihrem Digitalisierungspartner OCQ-soft GmbH & Co. KG. Am Anfang stand dabei die Frage im Raum: Was hilft den Mitarbeitenden und was hilft dem Unternehmen? Das Vorhaben wurde entsprechend nach Lean- & Digital-Grundsätzen gestartet.
Wie die Theorie in die Praxis umgesetzt wurde, konnten die Teilnehmenden im Firmenrundgang selbst sehen. Eines der zeit- und kostensparenden Ergebnisse ist die zentrale Prozessparameterverwaltung. Durch automatisiertes Einspielen der Prozessparameter zur Einstellung der Maschinen, wird weniger Fachpersonal benötigt. Auch hier ging Wallstabe & Schneider seinen eigenen Weg und beauftragte OCQ mit der Software-Programmierung, obwohl es bereits Lösungen auf dem Markt gibt. Wallstabe & Schneider legt Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz, d.h. Einsatz von Insellösungen sollen vermieden werden, um Vernetzung systemunabhängig gewährleisten zu können.
Ein weiteres wesentliches Element ist die Vernetzung der Maschinen. Auf sogenannten I4.0-Panels in den Produktionshallen, kann das Personal sämtliche Infos über die Maschine aufrufen sowie Aufträge buchen. Wünsche der Mitarbeitenden, wie beispielsweise die Integration eines Taschenrechners wurden auf den Panels ebenfalls berücksichtigt. Auf einem zentralen Dashboard in der Halle ist außerdem der tägliche Shopfloor mit offenen Aufgaben sowie ein Hallenplan mit Infos zu Betriebszuständen der Maschinen zu sehen.
Bildschirme sind aber nicht nur in der Produktion, sondern in allen Firmengebäuden angebracht, damit sich die Mitarbeitenden über das digitalisierte schwarze Brett informieren können. Auf dem Wallstabe & Schneider Board werden Bekanntmachungen über das gesamte Unternehmen angezeigt u.a. aktuelle Stellenausschreibungen.
Für die Qualitätskontrolle der 400.000 bis 800.000 Dichtungen pro Tag sind Automaten im Einsatz. Waren es früher 5-10 Prozent, die automatisiert kontrolliert wurden, sind es heute 60 Prozent. In der Kommissionierung wird den Mitarbeitenden die Tätigkeit durch am Arbeitsplatz eingebaute Bildschirme erleichtert, da sie hier Anleitungen für das Packen von Paketen bekommen.
Zu guter Letzt wurden die Teilnehmenden ins Lager geführt, in dem sich die fertig gepackten Waren bereit zur Abholung befinden. Um hier Zeit einzusparen und Pakete nicht lange suchen zu müssen, wird die digitale Stellplatzverwaltung angewendet. Dank eines eigenen Systems mit Barcodes können Mitarbeitende Pakete zur Ein-, Aus- und Umlagerung mit wenigen Klicks und mobiler Technologie wie z.B. Handscannern erledigen. „Die Zukunft der Logistik wird mit dem Barcode gemacht, da die Technologie bekannt ist und funktioniert“, betonte auch Leonhard Feiner vom Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Bei der Veranstaltung stellte er in seinem Vortrag bereits bekannte einsatzfähige Technologien aus dem Bereich Intralogistik 4.0 vor, darunter RFID oder 5G-Netze.
Ein nächstes Projekt hat Wallstabe & Schneider bereits ins Auge gefasst – die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen.
„Digitalisierung muss vom Chef ausgehen“, stellte Maximilian Funke-Kaiser bei der Führung durch das Technikum am Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV fest. Diese Erfahrung hat er in seiner politischen Arbeit gemacht. Der Augsburger ist in dieser Legislaturperiode das erste Mal in den Bundestag eingezogen und hat außerdem die Funktion als Digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion inne. Somit ist er an digitalen Themen nah dran und steht im regelmäßigen Austausch mit Digitalminister Volker Wissing. Daneben kennt er aber auch die Unternehmenssicht, denn er war Geschäftsführer eines Familienbetriebs und hat selbst zwei Firmen gegründet.
Während seiner Sommertour hat er die Gelegenheit genutzt, das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg und seine Angebote näher kennen zu lernen. Ziel des Projekts ist es kleine und mittlere Unternehmen sowie das Handwerk bei der Digitalisierung zu unterstützen. Ein zentraler Bestandteil sind dabei die Schulungen, die unter anderem am Fraunhofer IGCV, einem der Projektpartner, angeboten werden. Vor Ort konnte Herr Funke-Kaiser von den Mitarbeiter:innen des IGCV, die zugleich für das Zentrum tätig sind, mehr über die Inhalte der beiden dort stattfindenden Schulungen erfahren und sich in die Rolle der Teilnehmer:innen hineinversetzen. Begleitet wurde der FDP-Politiker bei seiner Führung vom Leiter des Augsburger Zentrums, Andreas Estner, sowie vom Leiter des Fraunhofer IGCV, Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Daub.
Erste Station war die Lernfabrik für vernetzte Produktion (LVP), in der ein Lernspiel durchgeführt wird, bei dem die Schulungsteilnehmer:innen ein ferngesteuertes Fahrzeug montieren und dabei verschiedene Rollen vom Meister bis zum Monteur einnehmen. In drei Runden mit zunehmendem Digitalisierungsgrad werden die Teilnehmer:innen langsam an die Digitalisierung herangeführt – am Anfang noch mit Auftragszettel und Handbuch, am Ende mit Tablet und NFC. So kann jeder selbst erkennen, welche Vorteile Digitalisierung bietet, aber auch welche Tücken es gibt, beispielsweise bei schlecht umgesetzten Lösungen. Dem stimmte Herr Funke-Kaiser zu, denn Digitalisierung müsse als ganzheitlicher Prozess betrachtet werden und quer durch die Gesellschaft Akzeptanz mittels Anwendungen und stetigen Lernprozessen erhalten.
In der zweiten Lernumgebung, dem Lernlabor Robotik, befinden sich verschiedene Leichtbaurobotersysteme, die die Schulungsteilnehmenden testen können. Auch hier zeigte sich Herr Funke-Kaiser begeistert, doch es waren sich alle einig, dass diese komplexen Systeme beherrscht werden müssen und die Implementierung eine zentrale Herausforderung für Unternehmen darstellt.
Nach eineinhalb Stunden stand für den Politiker der nächste Termin an, aber er ging nicht ohne zu betonen: „Echt sehr, sehr spannend. Ich könnte hier den ganzen Tag verbringen.“ Dann bis zum nächsten Mal!
Dem neuen Zentrum ging das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg voraus, welches in den letzten fünf Jahren zum etablierten Ansprechpartner für die Digitalisierung im Mittelstand in Bayern geworden ist. Neben dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gehören 27 weitere Zentren zum Förderschwerpunkt Mittelstand-Digital. Die in diesem Netzwerk vorhandenen Kompetenzen ergänzen sich und stellen ein flächendeckendes Unterstützungsangebot für KMU bereit. Durch die Vernetzung der Zentren bei Mittelstand-Digital bietet jedes Zentrum eine Anlaufstelle für Unternehmen, um sämtliche Fragestellungen der Digitalisierung im Mittelstand qualifiziert beantwortet zu bekommen.
Das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg besitzt insbesondere die Schwerpunkte „Nachhaltigkeit“, „Digitale Strategien“, „Künstliche Intelligenz“, „Arbeit 4.0“, „Finanzen 4.0“ und „Vernetzte Produktion & Logistik“. In zielgruppengerecht aufbereiteten Angeboten wird dieses Wissen gebündelt, aufbereitet und praxisnah vermittelt. Unterschiedliche Transferleistungen bieten Unternehmen bedarfsorientierte, kostenfreie Zugänge und Wege zum „Unternehmen der Zukunft“: Von einer Factory- oder Lab-Tour, bei der Digitalisierungslösungen live erlebt werden können, über eine vertiefende Schulung zur fachlichen Weiterbildung bis hin zur Umsetzung eines langfristigen Projektes gemeinsam mit dem Zentrum.
Die primäre Zielgruppe des Zentrums Augsburg umfasst das produzierende Gewerbe, das Handwerk sowie die produktionsnahe und konsumentenorientierte Dienstleistungswirtschaft. In erster Linie werden KMU angesprochen, die aufgrund einer geringeren Mitarbeiteranzahl stärker auf externe fachliche und personelle Unterstützung angewiesen sein könnten. Ein besonderes Anliegen ist es, auch in entlegenere Regionen in Bayern vorzudringen, um sämtlichen Unternehmen – egal ob in ländlicher Umgebung oder in der Nähe zu den Standorten des Zentrums – ein unterstützender Partner zu sein.
Zur bestmöglichen Unterstützung der KMU arbeitet im Rahmen des Mittelstand-Digital Zentrums Augsburg ein Konsortium unterschiedlicher Vertreter aus Forschung und Transfer zusammen. Als Forschungspartner mit umfassendem Know-how in Bezug auf digitale Strategien und Industrie 4.0 bringt sich die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. mit seinen beiden Instituten, dem Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV und dem Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen IIS in das Projekt ein. Zudem agiert das Forschungs- und Transferinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme (fortiss) als Experte im Bereich von Softwarelösungen und KI, die ibi research an der Universität Regensburg GmbH für den Themenbereich Finanzen 4.0 sowie die Technische Universität München mit dem Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) und dem Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) für die Bereiche Logistik, Nachhaltigkeit und Arbeit 4.0 in der Produktion. Als Schnittstelle zu den Unternehmen ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. mit seiner Geschäftsstelle in München (VDMA Bayern) am Zentrum beteiligt, der zugleich die Leitung des Zentrums innehat.
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Informationslogistik wurde bereits in den vorherigen Artikeln dieser Reihe geschaffen. Es bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit Material- und Informationsfluss, um Informationsbedarfe zu definieren und daraus passende Informationsangebote abzuleiten.
Ein Einblick in das Beispiel der Monitor Manufaktur Müller: Vor der Vernetzung der Monitor Manufaktur mit dem Schraubenhersteller Schubert hat die Logistikerin die Aufgabe übernommen, den Schraubenbestand regelmäßig zu prüfen. Dazu ist sie die Montagestationen abgegangen, hat die Füllmenge der Schraubenbehälter eingesehen und je nach Bedarf aufgefüllt. Jede neue Bestellung beim Lieferanten Schubert hat sie manuell eingeleitet. Heute wird sie durch ein Auto-ID-System in ihrer Arbeit unterstützt. Wie genau dieses System, basierend auf der RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification), in der Monitor Manufaktur Müller eingesetzt wird, wurde bereits in den vorhergehenden Artikel dieser Reihe erläutert. Doch was bedeutet eigentlich Auto-ID?
Auto-ID steht für die Automatische Identifikation von Daten. Bei der Einführung eines Auto-ID-Systems bekommen die zu verfolgenden Objekte eine eindeutige Kennzeichnung. Für den Fall, dass am Objekt keine eindeutigen Identifikationsmerkmale vorliegen, bekommen sie die ID zugewiesen: auf der Magnetkarte wird die Personalnummer gespeichert, im Barcode die Artikelnummer und der Mensch hat mit dem Fingerabdruck seine ID immer dabei. Außerdem gehört zu jedem Auto-ID-System das passende Lesegerät, das die Daten erfasst: für die Magnetkarte der Magnetkartenleser, für den Barcode der Barcodescanner usw. In einer Software werden die so gesammelten Daten verarbeitet und miteinander verknüpft: die Personalnummer mit dem Zeitstempel, die Artikelnummer mit dem Preis und der Fingerabdruck mit den Zugriffsberechtigungen. Auto-ID-Systeme in der Produktion funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Sie verbinden den Material- mit dem Informationsfluss so, dass Prozesse transparenter und die Informationslogistik vereinfacht wird. In der Monitor Manufaktur Müller wird die Artikelnummer der Schrauben auf dem RFID-Transponder des Schraubenbehälters gespeichert. Beim Abstellen der Kiste auf dem mit dem RFID-Lesegerät versehenen Regalboden werden die Daten des Schraubentyps ausgelesen, anschließend an den Schraubenlieferanten Schubert weitergegeben und die neue Bestellung ausgelöst. Weitere, in der Industrie eingesetzte Technologien, sind bspw. Barcode, NFC (Near Field Communication), BLE (Bluetooth Low Energy), WLAN (Wireless Local Area Network) und UWB (Ultra-Wideband). Einen Überblick über diese Systeme sowie deren Bestandteile und Charakteristika finden Sie hier: Auto-ID Technologien für die Intralogistik 4.0: Ein Überblick (betrieb-machen.de).[1]
Dort wo Auto-ID-Systeme eingesetzt werden, schaffen sie Datendurchgängigkeit. Sie unterstützen dabei die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Die Vielzahl an Systemvarianten und die Option diese miteinander kombinieren zu können, machen eine ganzheitliche Informationsbereitstellung entlang der Produktionskette möglich. Damit bilden Auto-ID-Systeme die Basis der vernetzten Produktion. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, vor der Einführung eines neuen Auto-ID-Systems dessen Einsatzziel genau zu definieren. Auch oder insbesondere beim Einsatz dieser helfenden Systeme bedarf es einer Abstimmung von Informationsbedarf und -angebot, um die Informationslogistik als Unterstützung und nicht etwa als zusätzlichen Arbeitsschritt wahrzunehmen.
Als Anregung hierzu die Überlegungen aus der Monitor Manufaktur Müller: Bei der Beschaffung des RFID-Systems standen noch zwei weitere Optionen für das Unternehmen im Raum – die Einführung eines Barcode- oder eines UWB-Systems.
Im Fall der Barcode-Lösung werden die Schraubenbehälter mit Barcode-Labels versehen. Um eine Nachlieferung beim Schraubenhersteller Schubert auszulösen, wird der entsprechende Barcode gescannt und die dahinter geschaltete Softwarelösung überträgt die Daten an den Lieferanten.
Ein Vorteil dieser Lösung ist der Investitionspreis. Barcode-Labels, welche schnell erzeugt und gedruckt werden können, sind in der Anschaffung günstiger als RFID-Transponder. Darüber hinaus sind Barcodes in der Datenübertragung je nach Umfeld zuverlässiger. Da es sich hierbei um ein optisches, nicht funkbasiertes Verfahren handelt, ist die Störanfälligkeit durch andere Systeme gering.
Ein Nachteil ist jedoch, dass für jede neue Lieferung an Schrauben, ein neuer Barcode gedruckt werden muss. Das ist auch der Fall, wenn der Behälter unterwegs verschmutzt und damit der Barcode unleserlich wird. RFID-Tags hingegen können mehrfach wiederbeschrieben werden und sind auch ohne Sichtverbindung (per Funktechnologie) auslesbar.
Des Weiteren hätte die Entscheidung für den Barcode die Konsequenz, dass die Logistikerin oder der Monteur, der den Schraubenbehälter geleert hat, den Barcode des Behälters manuell einscannen müsste. Das hätte einen zusätzlichen Arbeitsschritt zur Folge, der mithilfe der RFID-Technologie vermieden und damit auch nicht vergessen werden kann.
Ein letztes Argument der Monitor Manufaktur Müller, sich für die RFID- und gegen die Barcode-Lösung zu entscheiden, ist die Schnittstelle zu ihrem langjährigen Lieferanten. Dieser nutzte die RFID-Technologie schon in Zusammenarbeit mit anderen Kunden und hat die hierfür benötigte IT-Architektur bereits standardisiert.
Im Fall der UWB-Lösung werden die Schraubenbehälter mit UWB-Tags versehen und der zu beobachtende Bereich mit UWB-Antennen abgedeckt. Durch regelmäßigen Signalaustausch zwischen den Tags und Antennen, kann die Position der Behälter jederzeit bestimmt werden. Um eine Nachlieferung beim Schraubenhersteller Schubert auszulösen, wird der geleerte Behälter in eine festgelegte Zone gestellt, dadurch ein Event in der verknüpften Software ausgelöst und die Daten an den Lieferanten übertragen.
Die UWB-Lösung zählt genauso wie beispielsweise die Ortung über WLAN zu den kontinuierlichen Lokalisierungsverfahren, schafft im Gegensatz zu WLAN jedoch eine höhere Auflösung. Nicht zuletzt aufgrund dieser technischen Eigenschaften ist diese Lösung in der Anschaffung um ein Vielfaches teurer als die bereits vorgestellten Alternativen. Da sie in diesem Anwendungsfall aber kaum einen Vorteil gegenüber der RFID-Lösung bietet, hat sich die Monitor Manufaktur Müller für die günstigere Variante entschieden. Für die Nachlieferung der Schrauben ist die Information ausreichend, dass der Behälter leer ist, was in der RFID-Lösung aus der Positionierung im Nachschubregal hervorgeht. Ob der Behälter links oder rechts im Regal steht, spielt hier keine Rolle.
Im nächsten Schritt möchte die Monitor Manufaktur prüfen, ob eine Installation des UWB-Systems für sie in der Spritzgussfertigung in Frage kommt. Hier ist der Bedarf der Information zum Aufenthaltsort der Spritzgussformen gegeben (siehe Informationsbedarf, Artikel 2). Die kontinuierliche Verfolgung dieser Werkzeuge könnte die aktuell anfallenden Suchzeiten stark reduzieren.
Nicht zuletzt die Einblicke in die Monitor Manufaktur Müller haben gezeigt, dass Auto-ID-Systeme auf verschiedene Arten die Informationslogistik in der vernetzten Produktion unterstützen können. Welches System das richtige ist, muss je nach Bedarf und Anwendungsfall entschieden werden.
[1] Die vorangegangene Definition von Auto-ID-Systemen stellt eine Zusammenfassung der im verlinkten Artikel gegebenen Informationen dar. Die in diesem Artikel später aufgeführte Gegenüberstellung verschiedener Auto-ID-Systeme (am fiktiven Beispiel der Monitor Manufaktur Müller) bezieht sich auf die im verlinkten Artikel aufgeführten Vor- und Nachteile der Systeme.
Ein Beispiel aus der Monitor Manufaktur Müller: Ein Mitarbeiter trägt täglich in eine Excel-Tabelle ein, wie viele Stunden er damit beschäftigt ist, die Spritzgussform für den 30-Zoll-Monitor im Werk zu suchen. Wo ist der Mehrwert dieser Datenerfassung, wenn daraus keine Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden? In diesem Fall bleiben sowohl das Eintragen der Daten in die Liste als auch das Suchen des Werkzeugs zwei nicht-wertschöpfende Tätigkeiten, entstanden durch ein Ungleichgewicht zwischen Informationsbedarf und -angebot.
Der Bedarf ist in diesem Fall die Information zum Aufenthaltsort der Spritzgussform, welche zum Beispiel im Werkzeuglager, auf dem Rüstwagen einer anderen Mitarbeiterin oder auch in der Instandhaltungswerkstatt liegen könnte. Diese Information sollte dem Mitarbeiter, der die Spritzgussform sucht, angeboten werden. Die Information, dass das Suchen des Werkzeugs den Mitarbeiter drei Stunden täglich davon abhält wertschöpfenden Tätigkeiten nachzugehen, wird erst relevant, wenn der Bedarf dazu gegeben ist: beispielsweise wenn das Unternehmen eine Kennzahl sucht, die die Wirkung der Maßnahme zur Reduktion der Suchzeiten quantitativ nachvollziehbar macht.
Ein Informationsangebot wird im Idealfall also nur dann geschaffen, wenn der entsprechende Informationsbedarf auch vorliegt. Das aufgeführte Beispiel ist nur eine von vielen Situationen im Produktionsumfeld, in der ein Ungleichgewicht zwischen dem Informationsbedarf und dem Informationsangebot besteht. Fallen Ihnen hierzu ähnliche Situationen aus Ihrer Produktion ein? Ist hier das Angebot auf den Bedarf abgestimmt?
Die folgenden Fragen[1] geben Ihnen Tipps, worauf es beim Gleichgewicht zwischen Informationsbedarf und -angebot ankommt.
1. Informationsbedarf: Wo werden welche Daten und Informationen benötigt?
Im ersten Schritt ist es sinnvoll, den Bedarf genauer zu detaillieren. Es ist zu klären, wo der Bedarf genau auftritt und wer die Daten anschließend nutzen möchte. Entstehen kann die Nachfrage grundsätzlich im gesamten Produktionsumfeld Ihres Unternehmens (siehe Ebenenmodell der Produktion, Teil 1).
Über die Fragen „wer“, „wo“ und „wozu“ hinaus, sollte man sich bei der Ermittlung des Informationsbedarfs darüber bewusstwerden, in welcher Form die Information benötigt wird. Soll die Information im Sekundentakt aktualisiert werden oder reicht ein Update am Tag? Wird eine Historie der Daten benötigt? Wie detailliert sollen die Daten geliefert werden, beispielsweise mit zwei Nachkommastellen oder reichen dem Anwendenden gerundete Werte aus?
2. Informationsangebot: Woher kommen diese Daten und Informationen?
Genauso wie der Informationsbedarf überall entstehen kann, kann auch das Informationsangebot von den verschiedenen Akteuren, Produktionsressourcen oder auch produktionsnahen IT-Systemen erzeugt werden. Mögliche Helfer bei der Datenerfassung und -übertragung sind Auto-ID-Systeme, welche im dritten Artikel näher vorgestellt werden.
3. Informationslogistik: Wie führe ich Informationsangebot und Informationsbedarf zusammen?
Schlussendlich müssen Informationsbedarf und -angebot noch zusammengeführt und ins Gleichgewicht gebracht werden – ein wesentliches Ziel der Informationslogistik. Hierbei gilt es darauf zu achten, dass die produktionsnahe IT-Architektur transparent aufgebaut und die einzelnen Datenquellen (Ursprungsorte) und Datensenken (Empfangsstellen) so miteinander verknüpft werden, dass ein späteres Ergänzen oder Entfernen der Quellen bzw. Senken mit geringem Aufwand möglich ist. Dabei sollen die benötigten Schnittstellen so ausgewählt werden, dass Medienbrüche (wie beispielsweise das Einscannen eines handschriftlich erstellten Auftrags) möglichst vermieden werden. Zentrale Fragestellungen sind in diesem Schritt folglich, in welcher Form und an welchen Orten die Daten und Informationen bereitzustellen sind.
Weitere Anwendungsbeispiele aus der Monitor Manufaktur Müller
Maschinenzustandsüberwachung auf Fertigungsebene
Informationsbedarf: Informationsangebot: Informationslogistik: |
Produktionsprogrammplanung auf Fertigungsleitebene
Informationsbedarf: Informationsangebot: Informationslogistik: |
Lagerverwaltung auf Unternehmensleitebene
Informationsbedarf: Informationsangebot: Informationslogistik: |
[1] Die Fragen orientieren sich am „Leitfaden Industrie 4.0 trifft Lean“ (2018) vom VDMA, Forum Industrie 4.0 in Kooperation mit dem FKM Forschungskuratorium, Maschinenbau e.V. sowie der Technischen Universität Darmstadt, Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen, wo diese als Leitfragen zur Identifikation informationslogistischer Verschwendungsarten in Anlehnung an die Veröffentlichung „Der neue Blick auf Verschwendung im Kontext von Industrie 4.0: Detaillierte Analyse von Verschwendungen in Informationslogistikprozessen“ von T. Meudt, J. Metternich und C. Leipoldt in ZWF Zeitschrift für Wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (111, 2016) aufgeführt werden.
Die Grundlage, also den „Schmierstoff“, bilden die Daten. Diese werden erfasst, übertragen, gespeichert, verarbeitet und analysiert, um den Nutzenden aussagekräftige Informationen zu liefern, auf deren Grundlage sie ihre Entscheidungen treffen.
Unter der horizontalen Vernetzung wird dabei die informationstechnische Einbindung sämtlicher Objekte auf einer gemeinsamen Stufe in der Pyramide der Leitebenen verstanden. Mit Fokus auf einen Produktionsstandort, beispielsweise unsere fiktive Monitor Manufaktur Müller, können dies auf der Fertigungsebene alle Arbeitsplätze auf dem Shopfloor sein: die Spritzgussanlagen, die Montagetische, die Qualitätsprüfstationen, etc. Bei der Betrachtung mehrerer Standorte meint die horizontale Vernetzung die Integration aller Partner in der Wertschöpfungskette unter Einbezug der Lieferanten und Kunden. Im Anwendungsbeispiel sind die Partner des Unternehmens Müller auf der einen Seite unter anderem der Platinenhersteller Pilz sowie der Schraubenlieferant Schubert und auf der anderen Seite der Kunde König.
Die vertikale Vernetzung umfasst die Integration sämtlicher IT-Systeme von der Fertigungsebene, über die Fertigungsleitebene bis hin zur Unternehmensleitebene. Beispiele für die verschiedenen IT-Systeme können Sie der Abbildung entnehmen, die den Aufbau der Pyramide zeigt.
Anwendungsbeispiel vertikale Vernetzung
In der Monitor Manufaktur Müller sollen 50 Monitore für den Kunden König produziert werden. Dieser Auftrag wird zunächst im ERP-System angelegt. Anschließend wird der Auftrag mit Hilfe des Maschinenbelegungsplans über das ME-System zeitlich zwischen den anderen Aufträgen eingeordnet. Nach der Weiterleitung der Informationen an die Fertigungsebene kann mit dem ersten Teilschritt, der Gehäuseproduktion, gestartet werden. Die Logistikerin stellt die benötigten Materialien, wie etwa die passende Spritzgussform, bereit, der Werker rüstet die Spritzgussmaschine und stellt die erforderlichen Produktionsparameter ein, etc. Dabei wird spätestens nach jedem Arbeitsschritt über ein Bedienterminal an das ME-System Feedback zum aktuellen Stand des Auftrags gegeben. So gewinnt die Schichtleitung beispielsweise schnell einen Überblick über die aktuellen Prozesse auf dem Shop Floor. Alternativ kann die Spritzgussmaschine auch direkt an das ME-System angebunden werden und in regelmäßigen Abständen die Maschinendaten an das ME-System weitergeben, ohne dass manuell der Status zwischen „Rüsten“ und „in Produktion“ geändert werden muss. Mit der Fertigstellung des Auftrags wird im ERP-System der Auftrag abgeschlossen und das fertige Produkt schließlich über den Vertrieb verkauft.
Anwendungsbeispiel horizontale Vernetzung in der Lieferkette
Auch das Vendor Management Inventory bzw. der Lieferantengesteuerte Bestand funktioniert in der Monitor Manufaktur Müller auf Basis der Vernetzen Produktion. Das Konzept dieses Ansatzes ist, dass der Lieferant selbst für die Bestände seines Produkts beim Kunden verantwortlich ist. Hier spielt die horizontale Vernetzung eine entscheidende Rolle. Es folgt ein Beispiel aus der Lieferantenbeziehung mit dem Schraubenhersteller Schubert:
Sobald in der Monitormontage die letzte M6-Mutter aus dem Kleinladungsträger entnommen wurde, löst dieser eine Nachbestellung direkt beim Lieferanten aus. Möglich wird dies durch einen festgelegten Regalplatz, in dem der leere Behälter abgestellt wird. Der Regalboden enthält ein Lesegerät, welches den im Behälter integrierten RFID-Tag (RFID: Radio-Frequency Identification) ausliest und die Daten (in diesem Fall: M6-Muttern in Regal 12) an das ERP-System des Lieferanten überträgt. Dort werden aus den Daten Informationen (in diesem Fall: M6-Muttern-Bestand bei Kunde Müller leer, Nachbestellung) und eine Aktion daraus abgeleitet (in diesem Fall: neue Lieferung an Kunde Müller). Der Prozess beim Lieferanten Schubert läuft parallel zu dem im ersten Anwendungsbeispiel dargestellten Prozess ab. Die fertig produzierten Schrauben werden dann beim nächsten Belieferungszyklus dem Kunden mitgeliefert, ohne dass dieser den Auftrag manuell auslösen musste. Durch die zusätzliche Integration eines Gates am Wareneingang, dass mit Hilfe der RFID-Technologie die gelieferte Ware im Kleinladungsträger automatisch erfasst und im ERP-System verbucht, können die M6-Muttern ohne Umwege direkt an das passende Regal geliefert und für die weitere Monitormontage verwendet werden.
Beide Anwendungsbeispiele zeigen, dass dem Informationsfluss genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, wie dem Materialfluss selbst. Doch wie bringe ich Informationsbedarf und Informationsangebot ins Gleichgewicht? Das erklärt Artikel 2 der dreiteiligen Reihe.