Kritische Rohstoffe – Relevanz und Maßnahmen für KMU

Die Versorgungssicherheit kritischer Rohstoffe stellt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor wachsende Herausforderungen. Geopolitische Spannungen, Unterbrechungen in den Lieferketten und steigende Rohstoffpreise verschärfen die Situation erheblich. Gleichzeitig eröffnen neue gesetzliche Vorgaben wie der Critical Raw Materials Act (CRMA) der EU Chancen, indem sie klare Rahmenbedingungen für eine resilientere und nachhaltigere Nutzung kritischer Rohstoffe schaffen. Mit welchen Maßnahmen KMU ihre Risiken gezielt minimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern können, wird in diesem Artikel erklärt.

Die wirtschaftlich wichtigsten Rohstoffe mit hohem Risiko bezüglich Versorgungssicherheit werden als kritische Rohstoffe bezeichnet.[1] Kritische Rohstoffe bilden die Grundlage zahlreicher industrieller Lieferketten und sind unverzichtbar für moderne Technologien wie Elektrofahrzeuge, Windkraftanlagen und Halbleiter. Die Nachfrage nach diesen Rohstoffen steigt rapide an: So wird beispielsweise erwartet, dass der Bedarf an Lithiumbatterien bis 2050 um das 21-fache zunimmt. Gleichzeitig ist Europa in hohem Maße von Importen aus Drittstaaten abhängig, was zu erheblichen Risiken in den Lieferketten führt. China dominiert derzeit die Verarbeitung und Raffination vieler dieser Rohstoffe, darunter 100 % der Seltenen Erden, die in Dauermagneten verwendet werden.[2]

Diese Abhängigkeit, kombiniert mit einer steigenden globalen Nachfrage und geopolitischen Unsicherheiten, stellt nicht nur große Konzerne, sondern auch KMU vor immense Herausforderungen. KMU, die oft auf flexible und spezialisierte Produktionsprozesse angewiesen sind, stehen vor der Aufgabe, ihre Beschaffung und Lieferketten in einem zunehmend unsicheren Umfeld anzupassen. Gleichzeitig fehlt ihnen aufgrund begrenzter Ressourcen oft die Kapazität, strategische Maßnahmen wie die Diversifikation von Lieferquellen oder die Einführung von Recyclingprozessen eigenständig umzusetzen.[3] Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die europäische Industrie insgesamt widerstandsfähiger zu machen, verabschiedete die EU im März 2024 den Critical Raw Materials Act.[4] Dieses Gesetz ist ein zentraler Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Diversifizierung der Rohstoffversorgung, zur Förderung nachhaltiger Lieferketten und zur Erhöhung der Selbstversorgung.

Critical Raw Materials Act – ein Schritt zu mehr Resilienz

Der CRMA schafft neue rechtliche Rahmenbedingungen, die darauf abzielen, die europäische Industrie widerstandsfähiger gegenüber Lieferengpässen bei kritischen Rohstoffen zu machen. Diese Maßnahmen umfassen die gesamte Wertschöpfungskette, von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling, und dienen sowohl der Stärkung der Versorgungssicherheit als auch der Förderung nachhaltiger Praktiken. Bis 2030 sollen folgende Zielvorgaben für strategisch wichtige Rohstoffe erreicht werden – also für jene kritischen Rohstoffe, die Prognosen zufolge besonders von globalen Marktungleichgewichten betroffen sein werden:

  • Förderung der Eigenproduktion:
    Die EU strebt an, mindestens 10 % des jährlichen Bedarfs an kritischen Rohstoffen durch Eigenproduktion innerhalb der EU zu decken. Strategische Projekte zur Rohstoffgewinnung und Verarbeitung sollen beschleunigt genehmigt und finanziell unterstützt werden.
  • Steigerung der Verarbeitungskapazitäten:
    Die EU hat sich das Ziel gesetzt, mindestens 40 % des jährlichen Bedarfs an kritischen Rohstoffen innerhalb der Union zu verarbeiten. Dies soll durch den Ausbau von Verarbeitungskapazitäten und die Förderung moderner, nachhaltiger Technologien erreicht werden. Dadurch wird die Abhängigkeit von Drittstaaten verringert und gleichzeitig die Wertschöpfung in Europa erhöht.
  • Recycling und Kreislaufwirtschaft:
    Neue Vorschriften sollen Recyclingquoten für kritische Rohstoffe erhöhen und die Rückgewinnung wertvoller Materialien aus Altprodukten wie Batterien und Elektronik fördern. Ziel ist, mindestens 15 % des jährlichen Verbrauchs aus Recycling zu decken.
  • Diversifizierung der Lieferketten:
    Der CRMA sieht vor, die Abhängigkeit von einzelnen Drittstaaten zu reduzieren. Dazu wird die maximale Importabhängigkeit für einzelne Rohstoffe entlang der Wertschöpfungskette auf 65 % begrenzt. Dies betrifft insbesondere Rohstoffe wie Lithium, Seltene Erden und Kobalt, die aktuell stark von China dominiert werden.

Die ambitionierten Zielvorgaben des CRMA haben weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Akteure entlang der Wertschöpfungskette. Insbesondere die Bergbau-, Verarbeitungs- und Recyclingindustrie stehen vor der Herausforderung, die vorgegebenen Quoten für Eigenproduktion, Verarbeitung und Recycling zu erreichen, was erhebliche Investitionen und technologische Innovationen erfordert. Auch die verarbeitende Industrie muss ihre Lieferkettenstrategien anpassen, um den neuen Standards zu entsprechen, was mit potenziellen Kostensteigerungen und Anpassungsaufwand verbunden ist. Trotz dieser Herausforderungen schafft der CRMA einen klaren Rahmen, der den Weg für eine resiliente und nachhaltige Rohstoffversorgung ebnet.[5]

Auswirkungen des CRMA – Strategien und Chancen für KMU

Die Umsetzung des CRMA bringt für KMU sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Einerseits sehen sich viele kleinere Unternehmen mit steigenden Anforderungen an die Anpassung ihrer Lieferketten, höheren Kosten und dem Bedarf an technologischen Innovationen konfrontiert. Andererseits bietet der CRMA klare Rahmenbedingungen, die KMU dabei unterstützen, Abhängigkeiten von kritischen Rohstoffen zu reduzieren und nachhaltige Strategien zu etablieren.[6]

Besonders der Fokus auf Kreislaufwirtschaft und die Diversifizierung von Lieferketten eröffnet KMU die Möglichkeit, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Gleichzeitig zeigt der CRMA auf, wie wichtig es ist, den Umgang mit kritischen Rohstoffen systematisch zu überdenken und gezielte Maßnahmen zur Sicherung der Rohstoffversorgung einzuleiten. Die jüngsten globalen Krisen, wie die Corona-Pandemie und der Russland-Ukraine-Krieg, haben eindrücklich verdeutlicht, dass Unterbrechungen in Lieferketten schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben können.[7][8]

Eine zentrale Herausforderung für KMU besteht darin, die Kritikalität der von ihnen genutzten Rohstoffe zu bewerten und diese Information in strategische Entscheidungen einzubeziehen. Eine solche Bewertung ermöglicht es Unternehmen, ihre Risiken besser zu verstehen, potenzielle Engpässe frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen. Neben der Risikominderung können KMU durch den proaktiven Umgang mit kritischen Rohstoffen auch Vorteile im Rahmen des CRMA nutzen, etwa durch Förderungen oder Wettbewerbsvorteile, die gut aufgestellten Unternehmen vorbehalten sind.[9] Zur Unterstützung bietet sich die Anwendung strukturierter Methoden zur Kritikalitätsbewertung an. Diese ermöglichen eine systematische Analyse der Rohstoffsituation und dienen als Grundlage für fundierte strategische Entscheidungen.

Fazit – Wege zur Sicherung der Rohstoffversorgung

Die sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist für KMU von strategischer Bedeutung. Angesichts globaler Unsicherheiten und steigender Nachfrage müssen sie innovative Ansätze verfolgen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der CRMA schafft hierfür eine Grundlage mit klaren Zielen für Recycling, Eigenproduktion und Lieferkettendiversifizierung. Ein zentraler Hebel ist die systematische Bewertung von Versorgungsrisiken. Durch die frühzeitige Identifikation potenzieller Engpässe und die Analyse der wirtschaftlichen Bedeutung einzelner Rohstoffe können Maßnahmen wie die Diversifikation von Lieferketten oder der Einsatz nachhaltiger Alternativen ergriffen werden. Diese Ansätze sichern nicht nur Ressourcen, sondern eröffnen auch wirtschaftliche Chancen für Unternehmen, die frühzeitig handeln.

[1] CONSILIUM, (2024). Gesetz zu kritischen Rohstoffen. URL: https://www.consilium.europa.eu/de/infographics/critical-raw-materials/.
[2] EU-KOMISSION, (2023). Factsheet Europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen. URL: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_23_1663.
[3] THORENZ, A., TUMA, A., RELLER, A., KOLOTZEK, C. und HELBIG, C., (2015). Nachhaltige Ressourcenstrategien in Unternehmen: Identifikation kritischer Rohstoffe und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zur Umsetzung einer ressourceneffizienten Produktion. DOI: 10.13140/RG.2.1.4463.5681.
[4] EU-KOMISSION, (2023). Factsheet Europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen. URL: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_23_1663.
[5] HOOL, A., HELBIG, C. und WIERINK, G., (2024). „Challenges and opportunities of the European Critical Raw Materials Act“. In: Mineral Economics 37.3, S. 661–668. ISSN: 2191-2203. DOI: 10.1007/s13563-023-00394-y.
[6] EUROPÄISCHE UNION, (2024). Verordnung (EU) 2024/1252 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. März 2024 über kritische Rohstoffe. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202401252.
[7] FELDHOFF, T. und SCHNEIDER, H., (2022). Georessourcen – Transformationen, Konflikte, Kooperationen. Berlin, Heidelberg: Springer
[8] LEHMACHER, W., (2016). Globale Supply Chain – Technischer Fortschritt, Transformation und Circular Economy. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
[9] HOOL, A., HELBIG, C. und WIERINK, G., (2024). „Challenges and opportunities of the European Critical Raw Materials Act“. In: Mineral Economics 37.3, S. 661–668. ISSN: 2191-2203. DOI: 10.1007/s13563-023-00394-y.