Was ist der DPP?
Der Digitale Produktpass (engl. Digital Product Passport, Abk. DPP) ist ein innovatives Konzept, das ausgelöst durch den europäischen Green Deal und den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren an Bedeutung stark zunahm. Der DPP zielt darauf ab, umfassende Informationen über Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus bereitzustellen. Ausgelöst durch Ressourcenknappheiten (z. B. seltene Erden, Lithium), erstarkendem Protektionismus und dem Ukraine-Konflikt ist eine Transformation der Wirtschaft vom linearen Modell hin zu einer Circular Economy notwendig. Hierbei ist eine Möglichkeit der Transformation Geschäftsmodelle zu verändern, sodass gewährleistet ist, dass Ressourcen aus Alt-Produkten wiederverwendet werden und in Europa verfügbar bleiben. Außerdem ermöglichen Lebenszyklusdaten in zukünftigen DPP, dass Unternehmen, Regierungen und Verbraucher ein besseres Verständnis für die verwendeten Materialien und deren Umweltauswirkungen haben.
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Übergang zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft zu beschleunigen und beschreibt diesen parallelen Prozess als die grüne und digitale „Twin-Transformation“. In den letzten Jahren wurden mehrere gesetzgeberische Initiativen ins Leben gerufen, die den DPP unterstützen und dessen Implementierung vorantreiben. Dazu gehören beispielsweise innerhalb der EU die Verordnung über ökologisches Design für nachhaltige Produkte, die sogenannte Ökodesignverordnung (engl. Ecodesign for Sustainable Product Regulation, Abk. ESPR) oder die Batterie Verordnung (EU Battery Regulation), die einen digitalen Batteriepass einführt. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Umweltbelastungen von Produkten zu reduzieren und den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft zu fördern. Neben den dadurch entstehenden Vorschriften und Anforderungen birgt der DPP jedoch auch nennenswerte Möglichkeiten für Unternehmen aller Größen.
DPP werden als chancenreiche Lösung angesehen, um die Produktinformation über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg verfügbar zu machen und die Ressourcennutzung durch verbesserte Informationsgrundlagen für z. B. Reuse-, Remanufacturing- oder Recyclingprozesse zu optimieren. Sie können zu einer verbesserten Energie- und Materialeffizienz beitragen und neue Geschäftsmodelle fördern, die auf digitalem Datenaustausch basieren. Die durch den DPP ermöglichte Nachverfolgbarkeit eröffnet Verbrauchern und Industrieakteuren fundierte Entscheidungen, die auf den ökologischen Auswirkungen der Produkte basieren.
Definition und Ziele des DPP
Ein Digitaler Produktpass (DPP) ist eine strukturierte Sammlung produktbezogener Daten, die einen definierten Umfang und vereinbarte Datenmanagement- sowie Zugriffsrechte umfasst. Diese Informationen werden über einen einzigartigen Identifikator bereitgestellt und sind elektronisch über ein Datenträgersystem (z. B. QR-Code) zugänglich. Der DPP soll Informationen zu Nachhaltigkeit, Kreislauffähigkeit sowie Möglichkeiten zur Wiederverwendung, Aufarbeitung und Recycling enthalten.
Die Ziele des DPP sind vielfältig:
- Förderung einer nachhaltigen Produktion
- Lebensdauer von Produkten verlängern, die Nutzung optimieren und neue Geschäftsmöglichkeiten bieten
- Unterstützung von Verbrauchern bei nachhaltigeren Kaufentscheidungen
- Ermöglichen eines Übergangs zur Kreislaufwirtschaft, indem die Material- und Energieeffizienz gesteigert werden
- Transparenz für Behörden, um die Einhaltung von Vorschriften zu überprüfen
Wie definiert die Gesetzgebung den DPP?
Die Einführung des DPP wird von verschiedenen legislatorischen Maßnahmen unterstützt. Die neue Ökodesignverordnung (engl. Ecodesign for Sustainable Products Regulation, Abk. ESPR), die im Juli 2024 in Kraft getreten ist, zielt darauf ab, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen und den Übergang zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft zu beschleunigen. Der DPP stellt ein zentrales Element dieser Verordnung dar, indem er die Rückverfolgbarkeit von Produkten und ihren Komponenten verbessert. Die ehemalige Ökodesignverordnung war begrenzt auf stromverbrauchende Produkte, die im Jahr 2024 erlassene ESPR umfasst im Gegensatz dazu alle physischen Produkte. Ausnahmen bestehen lediglich für bestimmte Produktgruppen im Bereich Arzneimittel, Pflanzen und Lebensmittel.
Ein weiterer wichtiger legislatorischer Aspekt ist die Verordnung über Batterien (EU Battery Regulation), die die Einführung eines digitalen Batteriepasses vorsieht und somit für die erste Produktgruppe die Anforderungen an einen DPP ausformuliert und die Einführung ab 2027 verpflichtend macht. Diese Initiative fördert die Transparenz und Nachverfolgbarkeit von Batterien, was für die Entwicklung einer nachhaltigen Batteriewirtschaft von entscheidender Bedeutung ist.
Im Arbeitsplan der ESPR wird gerade von der EU-Kommission festgelegt für welche Produktgruppen der DPP ab wann verpflichtend wird. Dieser Arbeitsplan soll in der ersten Hälfte des Jahres 2025 veröffentlicht werden. Daraus abgeleitet werden in den nächsten Jahren für die entsprechenden Produktgruppen delegierte Rechtsakte (engl. Delegated Acts) in Kooperation mit der Industrie entwickelt, welche die bereit zu stellenden Daten, Verfügbarkeitszeitraum und Zugriffsrechte definieren.
In einer Studie zu Produktprioritäten der EU-Kommission wurden Produktgruppen evaluiert und Empfehlungen für die wichtigsten Produktgruppen und deren Implementierung innerhalb der ESPR vorgeschlagen. [2] Die Analyse basiert auf zehn Umweltkategorien, wie Auswirkungen auf Wasser, Luft und Boden, Abfallerzeugung und Energieverbrauch. Hierbei sind elf Endprodukte und sieben Zwischenprodukte hervorgehoben worden:
Wie wird der Batteriepass umgesetzt?
Der Batteriepass ist ab Februar 2027 verpflichtend für LMT-Batterien (Light Means of Transport, wie E-Bikes, E-Roller etc.), für Batterien in Elektrofahrzeugen (Electric Vehicle: EV-Batterien) und für Industriebatterien mit einer Kapazität höher als 2 kWh, die auf den europäischen Markt gebracht werden. Für jede Batterie ist ein einzelner DPP mit einem Datenträger zur Verfügung zu stellen, welcher über den Lebenszyklus hinweg gepflegt wird.
Der Batteriepass enthält laut Batterie Verordnung mehr als 90 einzelne Datenpunkte. Wichtige Inhalte des Batteriepasses umfassen Informationen zu Zertifikaten, zur Lieferkette, zum CO2-Fußabdruck, zur Materialzusammensetzung, zur Kreislauffähigkeit sowie zur Leistung und Haltbarkeit der Batterien. Hier ist eine Übersicht der verpflichtenden Datenpunkte, die im Batteriepass enthalten sein müssen, sowie die vorgeschlagenen freiwilligen Informationen:
Die klare Abgrenzung zwischen verpflichtenden und freiwilligen Informationen ist entscheidend, um den Nutzen des Batteriepasses zu maximieren und gleichzeitig die Anforderungen an die Unternehmen zu begrenzen.
Ein beispielhafter Use Case des Batteriepass umfasst die Steigerung des Volumens der Wiederverwendung von Elektrofahrzeugbatterien in Energiespeicheranwendungen. Nach acht bis zehn Jahren im Einsatz behalten Lithium-Ionen-Batterien oft über zwei Drittel ihrer nutzbaren Energie, werden allerdings nicht mehr in Elektrofahrzeugen eingesetzt. Sie können allerdings in Sekundäranwendungen wie Energiespeichern weitere fünf bis acht Jahre genutzt werden. Diese Batterien sind entscheidend für die Stabilisierung von Stromnetzen, insbesondere mit dem Anstieg erneuerbarer Energien.
Der Prozess umfasst mehrere Schritte: Zuerst erfolgt eine Bewertung des Batteriezustands, gefolgt von der teilweisen Demontage und der Neuanordnung für spezifische Anwendungen. Die Nutzung eines Digitalen Produktpasses (DPP) verbessert die Effizienz dieses Prozesses erheblich, indem relevante Daten bereitgestellt werden, die die Beurteilung des Batteriezustands erleichtern und technische Tests reduzieren. Wesentliche Vorteile des DPP sind in diesem Use Case die Kostensenkungen, eine erhöhte Sicherheit und ein besseres Risiko-Management.
Welche Chancen und Umsetzungshürden bestehen für den DPP?
Der DPP bietet vielfältige Möglichkeiten sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Durch den DPP wird Transparenz und Nachverfolgbarkeit erhöht, indem die Offenlegung von Herkunft, Zusammensetzung und Umweltwirkungen von Produkten ermöglicht. Dies stärkt das Vertrauen der Verbraucher und fördert fundierte Kaufentscheidungen. Zudem unterstützt der DPP die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, indem mehr Informationen für unterschiedliche Akteure in der Lieferkette bereitstehen. Die potenzielle Notwendigkeit der Bereitstellung einer Reparaturanleitung für Nutzer:innen oder Reparaturwerkstätten incentiviert Unternehmen einfache Reparaturmöglichkeiten für ihre Produkte zu entwickeln und steigert somit die Anzahl an Produkten, die repariert werden können. Daten über verwendete Materialien und Recyclinghinweise ermöglichen beispielsweise Entsorgern die Rückführung von Produkten bzw. einzelnen Werkstoffen in passende Recyclingkreisläufe, wodurch die Ressourcennutzung und die Kreislaufführung gesteigert werden.
Der Zugang zu neuen Märkten wird durch die Bereitstellung detaillierter Produktinformationen erleichtert, was besonders in Sektoren von Vorteil ist, die auf nachhaltige Produkte setzen. Darüber hinaus dient der DPP als Grundlage für innovative, zirkuläre Geschäftsmodelle, wie etwa das Konzept „Produkt-as-a-Service“ oder Rücknahmeprogramme. Er ermöglicht Echtzeitdaten-Erfassung über den Lebenszyklus von Produkten, was zu optimierten Entscheidungen in den Bereichen Produktion, Design und Vertrieb führt. Schließlich unterstützt er Unternehmen bei der Einhaltung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsvorschriften und trägt zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen bei.
Trotz dieser Chancen sind auch einige Herausforderungen bei der Implementierung des DPP zu beachten. Die technologische Komplexität des DPP stellt eine wesentliche Hürde dar, da die Implementierung komplexer digitaler Infrastrukturen erforderlich ist. Hierbei müssen auch die Lösungen unterschiedlicher Anbieter zusammenpassen. Dafür müssen technische Standards und Protokolle entwickelt und harmonisiert werden. Die Verwaltung sensibler Produktdaten ist ebenfalls eine Herausforderung, da Unternehmen den Schutz vertraulicher Informationen gewährleisten müssen, ohne die Transparenz zu gefährden.
Weitere Hürden sind die Kosten und Ressourcen, die für die Entwicklung und Implementierung eines DPP erforderlich sind. Unterschiedliche Branchen und Produktkategorien haben zudem unterschiedliche Anforderungen an den DPP, was die Umsetzung einer einheitlichen Lösung erschweren könnte. Widerstand gegen Veränderungen ist eine weitere Hürde, da Unternehmen möglicherweise zögerlich sind, bestehende Systeme und Prozesse anzupassen, was eine grundlegende Neugestaltung der Geschäftsmodelle erfordern könnte. Schließlich gibt es regulatorische Unsicherheiten, da die Entwicklung des DPP eng mit fortlaufenden rechtlichen Entwicklungen verknüpft ist und Unklarheiten über zukünftige Vorschriften Unternehmen davon abhalten könnten, in die Implementierung zu investieren.
Welche Auswirkungen hat der DPP auf KMU?
Die Einführung des DPP wird erhebliche Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. KMU haben heute bereits die Möglichkeit sich auf die Entwicklungen vorzubereiten und sie für sich nutzbar zu machen. Folgender Überblick soll den Einstieg hierfür erleichtern:
Chancen für KMU
- Zugang zu Märkten und Wettbewerbsfähigkeit: Der DPP ermöglicht KMU, ihre Produkte auf transparente und nachvollziehbare Weise zu präsentieren. Durch die Bereitstellung detaillierter Informationen über die Nachhaltigkeit und die Umweltauswirkungen ihrer Produkte können sich KMU von größeren Wettbewerbern abheben und neue Märkte erschließen, die zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legen.
- Erleichterung der Zusammenarbeit in der Lieferkette: Der DPP fördert die Zusammenarbeit innerhalb von Lieferketten, indem er eine gemeinsame Informationsbasis bereitstellt. KMU können dadurch effizienter mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten, was zu Kosteneinsparungen und einer verbesserten Ressourcennutzung führen kann.
- Innovative Geschäftsmodelle: Die Möglichkeit, auf digitale Daten zuzugreifen und diese zu nutzen, eröffnet KMU neue Geschäftsmodelle, wie etwa das „Produkt-as-a-Service“-Modell oder Rücknahme- und Recyclingprogramme. Dies kann insbesondere für Unternehmen in ressourcenintensiven Sektoren von Vorteil sein.
- Verbesserte Kundenbindung: Mit einem DPP können KMU ihren Kunden umfassende Informationen über ihre Produkte bereitstellen. Dies fördert nicht nur das Vertrauen der Verbraucher, sondern kann auch zu einer stärkeren Kundenbindung führen, da Verbraucher zunehmend Wert auf Transparenz und Nachhaltigkeit legen.
- Zugang zu Fördermitteln und Unterstützung: KMU, die den DPP implementieren, könnten Zugang zu Fördermitteln und Unterstützungsprogrammen erhalten, die von der EU und anderen Institutionen bereitgestellt werden, um die Transformation zu einer digitalen und zirkulären Wirtschaft zu fördern.
Herausforderungen für KMU
- Kosten und Ressourcen für die Implementierung: Die Einführung des DPP erfordert Investitionen in digitale Infrastruktur, Schulungen und möglicherweise die Anpassung bestehender Produktionsprozesse. Für viele KMU kann dies eine erhebliche finanzielle Hürde darstellen.
- Technologische Barrieren: KMU haben möglicherweise nicht die technologischen Ressourcen oder das Know-how, um die erforderlichen digitalen Systeme zu implementieren. Dies könnte zu einer Wettbewerbsbenachteiligung im Vergleich zu größeren Unternehmen führen, die über umfangreiche IT-Abteilungen verfügen.
- Komplexität der Datenanforderungen: Der DPP erfordert eine Vielzahl von Daten, die von den Unternehmen erfasst und verwaltet werden müssen. KMU, die möglicherweise nicht über die nötigen Ressourcen oder die erforderliche Datenmanagement-Infrastruktur verfügen, könnten Schwierigkeiten haben, die Anforderungen zu erfüllen.
- Wettbewerbsdruck: Während der DPP KMU neue Chancen eröffnet, kann er auch den Wettbewerb verschärfen. Unternehmen, die sich nicht schnell anpassen oder die Anforderungen nicht erfüllen können, laufen Gefahr, im Wettbewerb zurückzufallen.
- Regulatorische Unsicherheiten: Da sich der DPP und die damit verbundenen gesetzlichen Rahmenbedingungen noch in der Entwicklung befinden, ist es für KMU schwierig, sich auf zukünftige Anforderungen einzustellen. Unsicherheiten hinsichtlich der Implementierung und der notwendigen Anpassungen kann Unternehmen davon abhalten, in den DPP zu investieren.
Fazit – Zusammenarbeit ist entscheidend
Insgesamt bietet der Digitale Produktpass sowohl Chancen als auch Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen. Während er als Katalysator für Innovation und nachhaltige Praktiken fungieren kann, müssen KMU die erforderlichen Ressourcen bereitstellen und sich den technologischen Herausforderungen stellen, um von den Vorteilen des DPP zu profitieren. Eine enge Zusammenarbeit zwischen KMU, Regierungen und anderen Stakeholdern wird entscheidend sein, um die erfolgreiche Implementierung des DPP zu gewährleisten und um sicherzustellen, dass KMU nicht im Wettbewerb zurückfallen. Das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg und seine Expert:innen werden zu diesem relevanten und dynamischen Thema weiterhin aktuelle Informationen und Weiterbildungsinhalte zur Verfügung stellen. Kommen Sie gern mit ihren Nachfragen auf uns zu!
[1] Deutsches Institut für Normung e.V. (DIN). (2025). DIN DKE SPEC 99100: Anforderungen an Datenattribute des Batteriepasses. https://dx.doi.org/10.31030/3582101
[2] European Commission, Joint Research Centre, Faraca, G., Ranea Palma, A., Spiliotopoulos, C., Rodríguez-Manotas, J., Sanye Mengual, E., Amadei, A.M., Maury, T., Pasqualino, R., Wierzgala, P., Pérez-Camacho, M.N., Alfieri, F., Bernad Beltran, D., Lag Brotons, A., Delre, A., Perez Arribas, Z., Arcipowska, A., La Placa, M.G., Ardente, F., Mathieux, F. and Wolf, O., Ecodesign for Sustainable Products Regulation: Study on new product priorities, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2024, https://data.europa.eu/doi/10.2760/7400680, JRC138903.