Ein Hersteller elektronischer Baugruppen aus Nördlingen hat bereits vor einigen Jahren mit der Digitalisierung begonnen und beispielsweise ein Energiemanagement-System und ein ERP-System mit Lagersoftware eingeführt. Für die nächsten Schritte fehlt dank sehr guter Auftragslage jetzt vor allem die Zeit. Wie kann es trotzdem in Sachen Digitalisierung weitergehen?

In zwei Produktionshallen fertigen insgesamt 80 Mitarbeitende der Firma Matulka electronic GmbH teils automatisiert, teils manuell Elektronikkomponenten und Platinen beispielsweise für große Automobilhersteller. Seit einigen Jahren zum Teil auch digital unterstützt: Arbeitsplätze wurden mit PCs ausgestattet, an denen technische Zeichnungen abgerufen, Auftragszeiten gebucht und Informationen zu Aufträgen hinterlegt werden können.

Mitarbeitende der Matulka electronic GmbH

Für die nächsten Schritte wandte sich die Produktionsleiterin Martina Schur-Reinhold an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Schnell war klar: Aufgrund der guten Auftragslage besteht nur sehr wenig Zeit, um Änderungen einzupflegen. Die Mittelstand-Digital Expertinnen Maria Maier und Olivia Bernhard vom Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München entwickelten deshalb nach einem Vor-Ort-Besuch und Workshops mit der Geschäftsführung und Produktionsleitung einen Quick-Wins-Plan, bei dem kleine Veränderungen ohne großen Aufwand, aber mit großer Wirkung, Schritt für Schritt mehr Zeit für tiefgreifendere Änderungen frei räumen.

Mit Quick Wins Zeit gewinnen

Zu diesen Quick Wins gehört vorneweg das Einführen der 5S- oder auch 5A-Methodik. Die aus dem japanischen Toyota-Produktionssystem stammenden fünf Maßnahmen schaffen Ordnung und Struktur an Arbeitsplätzen, um störungsfreie Arbeitsabläufe zu ermöglichen – und dadurch Transportwege, Warte- und Suchzeiten einzusparen oder auch Fehler zu reduzieren. Dazu gehören: Aussortieren, Aufräumen (Arbeitsmittel anordnen), Arbeitsplatzsauberkeit, Anordnung standardisieren und alle Regeln dauerhaft einhalten und verbessern. Bei Matulka können mithilfe der Methodik Arbeitsplätze zeitsparend umorganisiert werden – und das in kleinen Schritten.

Ein weiterer Quick Win ist die Strukturierung der Kommissionierwägen. Hier kommt es oft zu Suchzeiten beim Rüstvorgang, wenn passendes Material auf dem Wagen gesucht werden muss. Idealerweise werden die Rüstpläne digitalisiert und im Lager dazu genutzt, die Rollwägen nach den Bedarfen der Rüster:innen strukturiert in festgelegten Ebenen und Fächern zu bestücken. In einem nächsten Schritt sollten die Rollwägen in der schon vorhandenen Software als Lager mit definierten Plätzen angelegt werden und damit jedem Stück ein fester Platz gegeben werden. Die Rüster:innen können dann mit einer digitalen Anzeige der Artikel noch besser unterstützt werden.

Entwurf eines strukturierten Rollwagens

Was passiert nach den Quick Wins?

Die beiden Quick Wins sind darauf ausgelegt, mit relativ wenig Aufwand Potenziale zu heben und so Zeit einzusparen. Als größere Digitalisierungsprojekte bieten sich danach vor allem zwei Bereiche an: ein visuelles Shopfloor Management für die Produktionsorganisation und ein digitales Fehlermanagement für die Qualitätskontrolle.

Was in der Produktionsplanung bisher vor allem zu Beginn der Schicht über Sichtkontrolle und Excel-Pläne geschieht, sollte für mehr Transparenz über Status und Ort aller Aufträge in einem digitalen System gesammelt und visuell dargestellt werden. Aufträge können so passgenauer priorisiert und damit die Liefertermintreue erhöht werden. Sie können mit ihrer Auftragsnummer in einem digitalen Hallenlayout einem Bereich wie „Manuelle Fertigung“ oder „Qualitätskontrolle“ räumlich zugeordnet werden, ihr Fortschritt in kleinen Kreisdiagrammen (sogenannten Harvey Balls) angezeigt und ihre Priorität z. B. über farbliche Markierung angegeben werden.

In der Qualitätskontrolle kann es zu Liegezeiten kommen, denn jedes Teil wird getestet. Aufträge können auch mal mehrere Tausend Stück umfassen und hier geht aktuell alles nach dem FIFO-Prinzip: Aufträge werden in der Reihenfolge abgearbeitet, in der sie dort ankommen. Eine digitale Übersicht über die Aufträge könnte helfen, anzuzeigen, wie viele Tage der Auftrag bereits dort wartet, wie viele Teile zu bearbeiten sind und wie viele Tage bis zur Auslieferung bleiben. Aufträge, die beispielsweise weiter hinten eingereiht sind, aber nur wenige Teile umfassen und gleichzeitig Zeitdruck zur Auslieferung haben, könnten dann vorgezogen werden. Auch würde es langfristig Sinn machen, Fehlerbilder strukturiert zu erfassen und so beispielsweise Muster aufzudecken, um die Ursachen gezielt beheben zu können.

Mock-up Fehlermanagement – Entwurf einer Tablet-Darstellung zum Auftragstracking in der Qualitätsabteilung

Für Matulka steht nun zuerst auf dem Plan, die Quick Wins anzugehen und sich auf die größeren Projekte vorzubereiten. Der Start selbst kann schnell zur größten Herausforderung werden, wenn das Tagesgeschäft boomt. Dennoch lohnt es sich: Das Identifizieren von Quick Wins bringt, wie der Name schon sagt, sehr schnell sichtbare Ergebnisse, wenn auch erst im Kleineren.

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