Alexander Rettinger, Director Digital Transformation bei SIGEL, weiß, dass Formulare auf Papier nicht die Zukunft für effiziente Prozesse in Unternehmen und Behörden sind. Banken und Ämter sowie Unternehmen, die früher Briefpapier oder Rechnungsvordrucke mit Firmenlogo drucken ließen, steigen vermehrt auf digitale Prozesse um. Um auch zukünftig den Marktanforderungen zu entsprechen, erweiterte die Firma ihr analoges Produktangebot um ein digitales Leistungsangebot. Bei der innovativen Lösung handelt es sich um eine E-Procurement-Software, die den Beschaffungsprozess vereinfacht und ihren Kunden einen Full-Service bietet. Mit dieser Software erhalten Kunden ihren eigenen Closed-Shop für die Konfiguration und Bestellung firmenspezifischer C-Artikel. SIGEL übernimmt den vollständigen Prozess, von der Bestellung, über die Produktion und Einlagerung bis zum Versand. Durch standardisierte Schnittstellen können verschiedene Lieferanten an den Shop angebunden werden, sodass auf der individuellen Print-on-Demand-Plattform neben Lagerware auch eine Vielzahl an Print-on-Demand Produkten bestellt werden kann – natürlich auch von SIGEL selbst.
Auch wenn das Unternehmen hier schon recht weit ist, sieht Herr Rettinger in Sachen Digitalisierung weiteres Potenzial für das Unternehmen und wandte sich deshalb an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Im Rahmen einer Potenzialanalyse führten die Mittelstand-Digital Expertinnen Hannah Wangemann und Lara Schmidt vom Fraunhofer IIS sowie Annemarie Raber vom Fraunhofer IGCV eine Reifegradmessung im Unternehmen durch. Hier wurde untersucht, wie weit SIGEL in Sachen Digitalisierung ist, ob passende Ziele gewählt wurden und welche Maßnahmen in den nächsten Monaten sinnvoll wären. Dafür wurden Vor-Ort-Besuche, Workshops und Online-Interviews unter anderem mit Herrn Rettinger, der Geschäftsführung, Marketing- und Business-Process-Manager:innen durchgeführt.
Digitale Reifegradmessung für eine zielgerichtete Weiterentwicklung
Das Ergebnis: Das Unternehmen wurde – auch im Vergleich mit anderen kleinen und mittleren Unternehmen – als überdurchschnittlich bewertet. Einerseits, da trotz eines nicht-digitalen Produkts dennoch ein digitales SaaS-Geschäftsmodell erfolgreich auf den Weg gebracht wurde. Andererseits, da intern eine strukturierte IT-Landschaft geschaffen wurde, die ein gutes Daten- sowie Zugriffsmanagement umfasst. Außerdem liegt eine ausführliche Digitalisierungsstrategie vor, die fest in der Unternehmensstrategie verankert ist und zum Beispiel Cloud-First als Ansatz verfolgt.
Dennoch wurden durch die Analyse einige Potenziale aufgedeckt und Handlungsempfehlungen in verschiedenen Bereichen, wie der Produktion, dem Produktangebot oder den Unternehmensprozessen abgeleitet und SIGEL mit auf den Weg gegeben. Zwei davon wurden im Anschluss aufgegriffen und in einem weiteren Schritt in zwei Projekten intensiver verfolgt. Der erste Bereich betrifft die Prognosen von Auftragseingängen: Die Nachfrage nach Druckprodukten unterliegt oft starken Schwankungen, beispielsweise in der Bestellung von Vordrucken für Banken und Versicherungen. Hier soll anhand der vorhandenen Datenlage geprüft werden, ob die Daten ausreichen, um dahingehend Prognosen zu stellen, um wiederum die Produktion besser planbar zu machen und die Auftragsabwicklung zu unterstützen.
Der zweite Bereich betrifft das Roadmapping von Digitalisierungsprojekten sowie das Projektmanagement. Knappe Ressourcen in Verbindung mit vielen Projektideen erfordern eine stärkere Priorisierung und Planung von Projekten, wozu im Rahmen des Projekts ein Workshop durchgeführt wurde. Hier wurden zunächst alle laufenden Projekte begutachtet und überprüft, ob diese auf die Strategie des Unternehmens einzahlen. Wo befinden sich ggf. Lücken, wo sollte nachjustiert werden? Insbesondere das übergreifende Projektmanagement sollte besser strukturiert werden. Dafür wurde eine auf das Unternehmen zugeschnittene Tool-Box entwickelt, in dem die gesamte Projektlandschaft inklusive Abhängigkeiten zwischen den Projekten, zeitlicher Reihenfolge, Ressourcen (verfügbare Mitarbeitende, Budget) und Priorität dargestellt werden kann. Die Projekte können außerdem von den Projektverantwortlichen diskutiert und direkt mit einem der Tools bewertet werden – um so schließlich eine Roadmap zu entwickeln, die die Strategie verfolgt, Ressourcen gezielter einzusetzen und strukturierte Planung der Projekte erlaubt. Die Empfehlung der Expertinnen: Erst sollte die Produktstrategie stehen, dann die Digitalisierungsstrategie daran angeglichen werden. Wo ist Invest sinnvoll? Was lohnt sich wann anzugehen? Welche Projekte folgen daraus? Mit den zur Verfügung gestellten Tools können dann die laufenden Projekte neu aufgestellt werden.
Wie geht es weiter?
Während das Team um Alexander Rettinger nun an der Roadmap und Projektaufstellung feilt, steht auch auf der Agenda, die Mitarbeitenden auf ein digitaleres Geschäft vorzubereiten sowie digitale Kompetenzen und ein agiles Mindset zu fördern. Gerade weil die Digitalisierung einem schnellen Wandel unterliegt, können sich auch Projekte immer wieder in ihren Zielstellungen oder der Verfügbarkeit von Ressourcen ändern. Damit hier ein unternehmensinterner Lernprozess stattfinden kann und Projekte künftig agiler gehandhabt werden können, sollen zeitnah entsprechende Angebote organisiert werden.