Die BRUNNER Drehtechnik GmbH aus Röthenbach an der Pegnitz produziert mit fünf Mitarbeitenden Automatendrehteile in Stückzahlen von 500 bis zu mehreren Millionen für verschiedene Branchen. Ein eigenes Produkt wird nicht hergestellt, sondern nach Kundenzeichnung gefertigt. Michael Brunner, der das Unternehmen in dritter Generation führt, hat schon früh mit der Digitalisierung begonnen und durch einen Neubau im Jahr 2019 konnten die Geschäftsprozesse weiter angepasst werden.
Doch für Herrn Brunner geht noch mehr, deshalb hat er sich an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gewandt, um den aktuellen Reifegrad messen zu lassen und zu erfahren, welche weiteren Potenziale in Sachen Digitalisierung vorhanden sind. Für die Potenzialanalyse war Mittelstand-Digital Expertin Hannah Wangemann vom Fraunhofer IIS mit zwei weiteren Kolleginnen vor Ort.
Wie würden Sie den Stand der Digitalisierung in Ihrem Unternehmen beschreiben?
Michael Brunner: Vom Grundsatz her sind wir ein ganz modern aufgestelltes Unternehmen. Mit diesem klassischen Beruf vom Zerspanungsmechaniker, der an der Drehbank steht, an der Kurbel dreht und ein Teil herstellt, hat es eigentlich bei uns nicht mehr viel zu tun. Wir bekommen unsere Bestellungen und Zeichnungen, zwar noch nicht voll digitalisiert, aber per E-Mail als PDF. Die pflegen wir in unsere Software ein. Diese Software überspannt mit verschiedenen Modulen unseren kompletten Betrieb. Wir legen den Auftrag an und er kann digital über Tablets in der Fertigung eingesehen werden. Parallel ist das das Einzige, was noch mit Papier passiert, da der Mitarbeitende einen Papierfertigungsauftrag und die Zeichnung zur Sicherheit auch an die Maschine gelegt bekommt.
Aber ansonsten ist alles ziemlich durchdigitalisiert. Die Auftragsbestätigungen, die Produktion selbst, da wird ein Auftrag digital an- und abgestempelt und Material digital gebucht. Die Messwerte, die die Qualitätssicherung prüft, werden digital dokumentiert. Am Schluss kriegt der Kunde eine digitale Rechnung, nur noch der Lieferschein ist in Papierform.
Wieso sind Sie dann auf das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg zugekommen?
Brunner: Grundsätzlich bin ich solchen Sachen gegenüber offen, weil man immer irgendetwas mitnimmt. Das ist mir schon immer ein Anliegen gewesen und ich halte meine Augen und Ohren offen, was man bei uns umsetzen kann.
Was war der Fokus der Potenzialanalyse von Brunner Drehtechnik und dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg?
Hannah Wangemann: Wir haben eine digitale Reifegradmessung durchgeführt. Das ist wie ein Rundum-Check und hat für Unternehmen den Vorteil, auch mal eine externe Perspektive zu haben, die das eigene Unternehmen mit dem Hintergrundwissen, wie der Stand bei anderen KMU ist, vergleichen und bewerten kann. Nach einer ersten virtuellen Absprache waren wir einen halben Tag vor Ort und haben eine Produktions- und Unternehmensführung gemacht. Im Nachgang haben wir uns mit Herrn Brunner über verschiedene Teilbereiche seines Unternehmens unterhalten und nach Herausforderungen, die er auch noch sieht, gefragt.
Wir haben schnell festgestellt, dass Herr Brunner sehr offen ist. Dadurch konnten wir unsere Handlungsempfehlungen weiter fassen, d. h. mit starker Zukunftsperspektive. Denn Digitalisierung ist nur bis zu einem gewissen Grad intern und auf die eigenen Prozesse bezogen. An irgendeinem Punkt geht man darüber hinaus und betrachtet übergreifende Strukturen, auch unabhängig von der Unternehmensgröße. Und das konnten wir hier tun. Wir haben beispielsweise Szenarien besprochen, wie man mit Kunden kollaborativ Bauteile designen oder mit welchen Plattformlösungen man die Produktdaten und Lieferscheine proaktiv digital bereitstellen könnte.
Aber wir waren überrascht von dem Fortschritt, den wir bei einem Unternehmen von dieser Größe so bisher nicht gesehen haben. Den digitalen Leitstand und die Tablets in der Produktion und auch die Qualitätsmanagement-Software, die direkt mit dem ERP-System verbunden ist. Auch das Thema Nachhaltigkeit kam zur Sprache, hier hat Herr Brunner schon erste Projekte bei sich umgesetzt und will das auch weiter vorantreiben. Also so ein Rundumpaket. Das war für uns als Zentrum der Beweis, dass Digitalisierung auch Kleinstunternehmen und nicht nur Konzerne können, solange man das richtige Mindset hat und offen und neugierig ist.
Brunner: Das Hauptproblem, auf das ich stoße, ist, dass die Welt nach meinem Gefühl noch nicht so weit ist. Auf der einen Seite haben wir das Thema Maschinen, da hätten wir gerne mehr Daten, deshalb haben wir unsere Maschinen nachgerüstet. Aber Daten im wirklichen Sinne bekommen wir nicht. Wir kriegen, ich nenne das mal Impulse, ob die Maschine läuft oder nicht und einen Takt, in dem die Teile fertig gestellt werden. Natürlich bieten moderne Maschinen zwischenzeitlich Schnittstellen, die aber nicht herstellerübergreifend sind und wenn große Konzerne in ihren Pflichten- und Lastenheften dies fordern, wird einiges realisiert. Um dies für uns zu fordern, sind wir aber leider zu klein. Genauso ist es bei den Lieferanten. Wenn ich sagen würde, wir binden uns softwaretechnisch zusammen, wird nur der Kopf geschüttelt.
Intern kann man viel machen, wenn man selbst eine gewisse Einstellung hat. Aber dann bremst einen die Realität aus. Man muss alle in einen Topf bekommen, sonst haben wir keinen digitalen Durchsatz. Ob sich das in den nächsten Jahren ändert, weiß ich nicht. Vielleicht ist die Thematik KI auch ein treibender Motor, sodass die Unternehmen merken, sie können nicht mehr anders. Aber es bräuchte mehr bzw. es muss eigentlich in der Gesellschaft und in den Firmenkulturen Durchdringung geben und die fehlt mir momentan noch ein wenig.
Was kam sonst noch bei der Potenzialanalyse heraus?
Wangemann: Ein Thema, das sehr anwendungsnah ist, war die Empfehlung einer Wissensdatenbank für die Mitarbeitenden, in der die Werkzeugnutzung festgehalten wird, also welche Werkzeuge für was verwendet werden. Die Perspektive lag hier auf dem Anlernen und autonomen Arbeiten. Und das sollte mit dem Dokumentenmanagement-System verknüpft werden, um auch auf die Zeichnungen zugreifen zu können. Eine andere Sache waren die Tablets. Die könnten eigentlich schon die Leistung erbringen wie gerade noch das Papier an den Maschinen. Theoretisch notwendig wäre das Papier nicht mehr.
Brunner: Genau ja, aber das ist das Grundsätzliche bei der Digitalisierung. Man muss die Leute mitnehmen, sonst verliert man die Akzeptanz. Der Mitarbeitende darf nicht das Gefühl bekommen, jetzt bin ich mit mehr Bürokratie beschäftigt, als mir das Ding nutzt. Deswegen liegt der Hauptfokus darauf, Digitalisierung da einzuführen, wo der Mitarbeitende am Schluss des Tages merkt, es nimmt mir nicht meine Arbeit weg, sondern es nimmt mir Arbeit ab. Zum Beispiel wird in diesem Dokumentenmanagement der Rechnungseingang bald ein großes Thema sein. Eingangsrechnungen kommen, werden geprüft, gehen im Workflow weiter, werden automatisch ausgelesen und es erfolgt ein Zahlungsfluss oder Zahlungsauftrag, ohne dass die Rechnung fünfmal geprüft werden muss. So wird an diesem Punkt eine Erleichterung geschaffen.
Wie reagieren Ihre Mitarbeitenden, wenn es wieder etwas Neues gibt?
Brunner: Bei Neuerungen muss ich schon überzeugen, aber ich führe es nur so ein, dass der Aufwand nicht so groß ist, dann wird es auch akzeptiert und sie merken, dass es ihnen etwas bringt. Beispielsweise beim automatisierten Wareneingang haben sie durch das Einscannen der Lieferzettel eine Zeitersparnis, das ist etwas, was sie direkt tangiert.
Bei vielen anderen Sachen bin meistens ich der Nutznießer, weil ich auf irgendwelche Daten zugreife, die mir zur Verfügung gestellt werden. Aber solange man es niederschwellig hält, funktioniert es auch. Und wenn sie etwas nicht gut finden, merke ich das an der Laune. Das ist der Vorteil bei einem kleinen Betrieb, dass ich nah an der Basis bin.
Woher kommt Ihre Motivation?
Brunner: Der Hauptgrund ist, dass ich ein Anhänger davon bin, das Unternehmen zu digitalisieren und modern zu halten, um mit dem Wettbewerb mithalten zu können. Allgemein, um Abläufe zu optimieren, um kostengünstiger produzieren zu können bzw. effizientere Wertschöpfung zu haben. Um somit für die Zukunft gerüstet zu sein und als Arbeitgeber attraktiv und modern auf Kandidaten zu wirken. Also natürlich spielt auch das Thema Fachkräftemangel eine Rolle. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Punkten.
Sie bilden auch aus. War es schwierig einen Auszubildenden zu finden und generell neue Mitarbeitende zu finden?
Brunner: Ja auf jeden Fall, deshalb haben wir diesen Prozess auch digitalisiert und Instagram- und Facebook-Kampagnen mit Videos gestartet. Seit wir es nutzen haben wir viel mehr Bewerbungen, was wir so in der Menge noch nie gehabt haben. Jetzt muss man zwar abziehen, dass ca. 90 Prozent die Anforderungen überhaupt nicht erfüllen. Aber man merkt, jetzt kommen ein paar Personen, die wirklich Industriemechaniker und Zerspaner sind.
Wie wichtig ist Außendarstellung auch für ein kleines Unternehmen?
Brunner: Sehr wichtig. Das Hauptproblem, jemanden zu finden, lag daran, dass wir einfach nicht präsent waren. Mit den Videos sehen die Leute, wie wir sind und können sich etwas darunter vorstellen. Vorher war es dieser altbackene, nicht mehr hippe Beruf des Zerspanungsmechanikers und jetzt merken die Leute selbst, dass wir digitalisiert sind und hier etwas vorwärts geht.
Einen Personaldienstleister kann ich mir eigentlich nicht leisten, deshalb habe ich diesen direkten Weg gewählt. Ich habe für die Videos zwar auch jemanden engagiert, aber der Vorteil von der Geschichte ist, ich nutze es nicht nur als Stellenanzeige, sondern präsentiere die Firma und mache sie dadurch bekannt. Und wenn wir sagen, wir haben genug Mitarbeitende, kann man das Ganze umswitchen und die Suche nach neuen Kunden zum Hauptziel machen und Werbebudget in diese Richtung streuen. So sind wir flexibler. Das sind die Medien der Gegenwart und der Zukunft. Auf TikTok sind wir noch nicht, aber das wird wahrscheinlich irgendwann kommen.
Gab es irgendwelche Hürden, die Ihnen seit Beginn Ihres Digitalisierungsvorhabens begegnet sind?
Brunner: Eigentlich nicht. Es waren immer kleine Schritte, aber der absolute Push kam durch die Förderung von „Digital Jetzt“*, weil wir dann ins Volle gehen konnten. Das Finanzielle ist natürlich immer ein Unsicherheitsfaktor.
Auch wenn ich mich zum Beispiel vor 14 Jahren für eine andere Warenwirtschafts-Software entschieden hätte, wäre jetzt vielleicht alles ganz anders. Wir haben damals unsere Messmaschine gekauft und wollten die Messwerte von der Maschine digitalisieren und wir wollten auch eine Warenwirtschafts-Software. Es gab den einen Hersteller, der konnte beide Module bieten mit der Schnittstelle für diese Messmaschine. Wir haben also nicht nach der besten Software gesucht, sondern es quasi von hinten aufgezäumt. Und es war die richtige Entscheidung. Andernfalls hätten wir vielleicht noch mehr Software von anderen Herstellern gebraucht und wahrscheinlich gesagt, den Aufwand machen wir uns nicht und lassen das mit der Digitalisierung.
Wangemann: So eine modulare Software bringt gewisse Vorteile mit sich, vor allem für kleinere Unternehmen, damit man sich je nach Entwicklung des Unternehmens und finanzieller Lage und auch der Digitalisierungsstrategie, einfach Dinge dazu buchen kann, ohne das ganze System wieder umwerfen zu müssen.
*Anmerkung: Investitionsförderprogramm des BMWK, das bis 31.12.2023 lief
Als Abschluss noch die Frage, was bedeutet Digitalisierung für Sie?
Brunner: Für mich ist Digitalisierung nicht das Ziel, sondern eigentlich der Weg und bedeutet immer Veränderung. Es ist ein täglicher Begleiter und auch wenn man ein kleiner Betrieb ist, kommt man um das Thema nicht herum und kann seine Vorteile daraus ziehen. Von daher dürfen sich die Kleinen nicht so verstecken.