400.000 bis 800.000 Dichtungen – so viel produziert die Dichtungstechnik Wallstabe & Schneider GmbH & Co. KG täglich. Dafür sind rund 700 Mitarbeitende am Firmensitz in Niederwinkling in Ostbayern im Einsatz. Der Hersteller von hochwertigen Elastomerdichtungen für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie hat dabei, genauso wie viele andere Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe, mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen, allen voran dem Fachkräftemangel. Aber auch die schnelle Reaktion bei Prozessstörungen, hervorgerufen durch Rohstoffschwankungen, Maschinen- oder Mitarbeiterausfall, nannte Geschäftsführer Kai Peters, als er den Teilnehmenden der Factory-Tour die Ausgangssituation des Unternehmens schilderte.
Aus diesen Gründen entschied sich Wallstabe & Schneider vor circa fünf Jahren, die Herausforderungen mit digitalen Lösungen anzugehen, gemeinsam mit ihrem Digitalisierungspartner OCQ-soft GmbH & Co. KG. Am Anfang stand dabei die Frage im Raum: Was hilft den Mitarbeitenden und was hilft dem Unternehmen? Das Vorhaben wurde entsprechend nach Lean- & Digital-Grundsätzen gestartet.
Wie die Theorie in die Praxis umgesetzt wurde, konnten die Teilnehmenden im Firmenrundgang selbst sehen. Eines der zeit- und kostensparenden Ergebnisse ist die zentrale Prozessparameterverwaltung. Durch automatisiertes Einspielen der Prozessparameter zur Einstellung der Maschinen, wird weniger Fachpersonal benötigt. Auch hier ging Wallstabe & Schneider seinen eigenen Weg und beauftragte OCQ mit der Software-Programmierung, obwohl es bereits Lösungen auf dem Markt gibt. Wallstabe & Schneider legt Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz, d.h. Einsatz von Insellösungen sollen vermieden werden, um Vernetzung systemunabhängig gewährleisten zu können.
Ein weiteres wesentliches Element ist die Vernetzung der Maschinen. Auf sogenannten I4.0-Panels in den Produktionshallen, kann das Personal sämtliche Infos über die Maschine aufrufen sowie Aufträge buchen. Wünsche der Mitarbeitenden, wie beispielsweise die Integration eines Taschenrechners wurden auf den Panels ebenfalls berücksichtigt. Auf einem zentralen Dashboard in der Halle ist außerdem der tägliche Shopfloor mit offenen Aufgaben sowie ein Hallenplan mit Infos zu Betriebszuständen der Maschinen zu sehen.
Bildschirme sind aber nicht nur in der Produktion, sondern in allen Firmengebäuden angebracht, damit sich die Mitarbeitenden über das digitalisierte schwarze Brett informieren können. Auf dem Wallstabe & Schneider Board werden Bekanntmachungen über das gesamte Unternehmen angezeigt u.a. aktuelle Stellenausschreibungen.
Für die Qualitätskontrolle der 400.000 bis 800.000 Dichtungen pro Tag sind Automaten im Einsatz. Waren es früher 5-10 Prozent, die automatisiert kontrolliert wurden, sind es heute 60 Prozent. In der Kommissionierung wird den Mitarbeitenden die Tätigkeit durch am Arbeitsplatz eingebaute Bildschirme erleichtert, da sie hier Anleitungen für das Packen von Paketen bekommen.
Zu guter Letzt wurden die Teilnehmenden ins Lager geführt, in dem sich die fertig gepackten Waren bereit zur Abholung befinden. Um hier Zeit einzusparen und Pakete nicht lange suchen zu müssen, wird die digitale Stellplatzverwaltung angewendet. Dank eines eigenen Systems mit Barcodes können Mitarbeitende Pakete zur Ein-, Aus- und Umlagerung mit wenigen Klicks und mobiler Technologie wie z.B. Handscannern erledigen. „Die Zukunft der Logistik wird mit dem Barcode gemacht, da die Technologie bekannt ist und funktioniert“, betonte auch Leonhard Feiner vom Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Bei der Veranstaltung stellte er in seinem Vortrag bereits bekannte einsatzfähige Technologien aus dem Bereich Intralogistik 4.0 vor, darunter RFID oder 5G-Netze.
Ein nächstes Projekt hat Wallstabe & Schneider bereits ins Auge gefasst – die Einführung von fahrerlosen Transportsystemen.
Das Hotel „Das Hürner“ in Ansbach hat wie so viele Unternehmen im Gastro-, Service- und Dienstleistungsbereich mit Personalmangel zu kämpfen. Im Housekeeping ist die körperliche Belastung unter hohem zeitlichen Druck zwischen Check-out und Check-in der Gäste sehr herausfordernd. Die Wägen mit hauswirtschaftlichen Materialien wie Wäsche und Reinigungsmitteln sind sehr schwer und müssen aufwändig von Zimmer zu Zimmer manövriert werden – eine wenig ergonomische und wertschöpfende Tätigkeit. Zudem wird viel Zeit aufgewendet, um die Zimmer und Flure zu saugen sowie nass zu wischen.
Auch im Tagungsgeschäft gibt es einige mühevolle Aufgaben zu bewältigen: Da der große Multifunktionsraum morgens für das Frühstück und danach für Tagungen und Veranstaltungen zum Teil bis zum späten Abend genutzt wird, müssen die Bestuhlung und schwere Tische öfter am Tag umgestellt werden. Teilweise ist das auch spätnachts und unter hohem Zeitdruck erforderlich. Dazwischen muss zudem die Reinigung der Räume erfolgen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, führten die Mittelstand-Digital Expert:innen Klaus Fink und Shuang Lu vom Fraunhofer IGCV mit Hotel-Geschäftsführer Jens Blank und dessen Team eine Potenzialanalyse durch, in der verschiedene Lösungsansätze erarbeitet wurden. Begleitet wurde das Projekt außerdem von Rüdiger Busch vom Digitalen Gründerzentrum ANsWERK, der den Kontakt zum Zentrum herstellte.
Im Housekeeping können mobile Roboter eingesetzt werden, so wie das in der Industrie bereits häufig zum Transport von Bauteilen und Produkten geschieht. Diese könnten die Mitarbeitenden bei schweren Schiebe- und Zug-Tätigkeiten der Wäsche- und Zimmerservice-Wägen auf den Wegen zwischen den Zimmern unterstützen oder beispielsweise Saug- und Wischtätigkeiten übernehmen. Dafür wird im Roboter ein Grundriss mit den Zimmern eingespeichert. Durch Lasertechnik kann sich das System anhand von natürlichen Markern wie Wänden orientieren und sowohl Menschen als auch ungewohnten Gegenständen wie Koffern und Tischen ausweichen.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit für mobile Roboter ist das Transportieren und Aufstellen der Tische und Stühle in den Tagungsräumen. Mit den passenden Aufbauten könnten diese hochgehoben und gemäß verschiedener Raumnutzungspläne platziert werden. Auch Reinigungs-Roboter finden hier wieder eine Verwendung. Dabei spielen Größe und Wendigkeit eine Rolle, damit diese auch um Stuhlbeine und unter Tischen gut manövrieren können.
Nachdem erste Use Cases identifiziert wurden, ging es an die Recherche von Marktlösungen und deren Bewertung hinsichtlich Kosten und Nutzen für das Hotel Hürner. Beispielsweise der Multifunktionsraum, in dem Tagungen, Hochzeiten oder Firmenevents stattfinden, wird ca. 250 mal pro Jahr umgeräumt. Dabei werden erst alle Möbel in einem Bereich abgestellt, um den Großteil des Raumes zu reinigen. Danach werden die Möbel gemäß Bestuhlungsplan neu platziert und der Rest des Raumes geputzt.
Zur Unterstützung der Mitarbeitenden im Tagungsgeschäft kämen beispielsweise mobile Robotersysteme in Frage, die um Hebeeinheiten ergänzt werden (s. Grafik). Da ein solches Konzept bisher allerdings nicht auf dem Markt verfügbar ist, wurde im nächsten Schritt das Thema Reinigung fokussiert.
Für die Reinigung existieren bereits verschiedene Systeme, die für den Großeinsatz im Gastronomie- und Event-Gewerbe gestaltet wurden und in ihren Grundfunktionen den aus dem Privaten bekannten Saugrobotern ähneln. Als Anforderungen für die Auswahl passender Systeme wurde beispielsweise aufgenommen, dass die Roboter Teppiche, Fließen und Parkett in den Zimmern, Fluren und Tagungsräumen, aber auch stärker beanspruchte Böden in der zugehörigen Brauerei und im überdachten Außenbereich zwischen Parkplätzen und Hotellobby reinigen sollen. Außerdem werden sowohl schnellere Systeme für große Flächen als auch kleine, wendige Roboter für enge Bereiche unter den Stühlen und Tischen benötigt.
Auch wenn nicht jede Roboter-Lösung gleich schnell wie die Mitarbeitenden arbeitet, wird dennoch Zeit frei für andere Tätigkeiten – beispielsweise für die parallele Zimmerreinigung oder Platzierung von Tischen, oder natürlich für den Service und direkten Austausch mit den Kund:innen.
Die genannten Anforderungen wurden in Workshops mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg erfasst und als Basis für eine Anbietervorauswahl genutzt. Im nächsten Schritt wird das Hotel Hürner gegen geringe Kosten verschiedene Systeme testen, um die Erfüllung der Anforderungen und Mehrwerte sicherzustellen, bevor es in die Beschaffung geht.
Geschäftsführer Jens Blank fühlt sich bereit: „Das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg hat uns im Hotel mit technologischem Wissen und Professionalität erfolgreich Richtung Automatisierung begleitet und wir sind für die Zukunft gut gerüstet.“ Die Mitarbeitenden freuen sich auf die Unterstützung durch die Systeme, gerade in Zeiten eines starken Personalmangels. Vor allem der persönliche Kontakt soll aufrechterhalten werden, denn nach wie vor stehen die Gäste und ein herzlicher Service an erster Stelle.
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„Ich möchte Ihnen helfen, wettbewerbsfähig in Deutschland zu produzieren“, betonte Prof. Dr. Markus Schneider von der Hochschule Landshut gleich zu Beginn seines Vortrages. Da Deutschland ein Hochkostenland mit der höchsten Steuerbelastung weltweit ist, stellt die Wettbewerbsfähigkeit eine große Herausforderung für Unternehmen dar. Der Wissenschaftliche Leiter des Technologiezentrums PULS hat es sich zur Aufgabe gemacht Unternehmen dabei zu unterstützen – durch Lean und Automatisierung.
Was hinter dem „Lean“-Gedanken („lean“ = „schlank“) steckt, brachte Leonhard Feiner vom Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen Universität München den Teilnehmenden näher. Zurückzuführen ist die Methode auf den japanischen Autohersteller Toyota und verfolgt den Grundsatz: Eliminierung von Verschwendung, Unausgeglichenheit und Überbeanspruchung. Dieses Prinzip ist auf alle Bereiche im Unternehmen übertragbar.
Professor Schneider ging anschließend näher auf das Lean Factory Design ein, was nichts anderes bedeutet als die Fabrik mit allen Produktionsschritten optimal zu gestalten. Dabei zog er folgenden Vergleich heran: Was die Permakultur für den Garten sei, sei Lean für die Fabrik. Auch diese Kultur müsse man erst richtig verstehen, damit der Garten gedeihen kann. Genauso verhält es sich mit Lean und der Fabrik. Ein zentraler Bestandteil, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sei zudem die Automatisierung. Dabei müssten aber Systeme entwickelt werden, die dafür geeignet seien. Bestehende Systeme auf Automatisierung anzupassen sei schwierig.
Da es keine pauschale Lösung für alle gibt, sondern jedes Unternehmen eine individuelle finden müsse, führte Professor Schneider den Teilnehmenden den sogenannten Nordstern vor, den man als richtungsweisendes Ziel stetig vor Augen hat. Dieses Ziel kann beispielsweise in einem Satz formuliert werden, dessen Erreichung in viele kleine Ziele heruntergebrochen wird. Aber Professor Schneider stellte klar: „Ein Nordstern fällt nicht vom Himmel.“
Bei der anschließenden Führung gab Professor Schneider einen Einblick in die 900 m² große Lern- und Musterfabrik des TZ PULS. Verschiedene Bereiche – von der Fertigung über die Montage, bis hin zur Intralogistik – können hier betrachtet werden. Ziel sei es laut Professor Schneider vor allem bekannte psychologische Hindernisse zu überwinden. So werde den Unternehmer:innen beispielsweise vermittelt, dass eingesparte Zeit beim Stanzen nicht automatisch in höhere Stückzahlen investiert werden sollte, sondern in häufigeres Rüsten. So spare man hinterher bei der Montage mehr Zeit ein. Ein innovativer Ansatz, den sich die Teilnehmenden hier ebenfalls anschauen konnten, ist die sogenannte Z-Production. Die nicht-wertschöpfungsorientierten Prozesse werden oberhalb und unterhalb der Wertschöpfungsebene angebracht, sodass der Flächenverbrauch reduziert wird.
Wie das Zusammenspiel der einzelnen automatisierten Systeme aussieht, vom fahrerlosen Transportsystem bis zur deckengeführten Logistik mit Transportrobotern, war das abschließende Highlight der Führung. Die Teilnehmenden konnten so viele Impulse für die Entwicklung ihres eigenen Nordsterns mitnehmen.