Die Produktpalette ist breit und reicht vom Teigportionierer und -kipper über die Bestreuanlage zum Beispiel für Körnersemmeln oder Süßgebäck bis hin zur vollautomatischen Blechzuführung. Je nach Gebäckstück oder benötigtem Maschinenmaß für die Produktionsstätten wird jede Maschine individuell für den Kunden konzipiert und gebaut. Bei einigen Maschinen ist manuelle Zuarbeit nötig, zum Beispiel um Ausschuss vom Band zu entfernen, Gebäckstücke für den nächsten Bearbeitungsschritt zu platzieren oder Teig nachzugeben. Auch Daten werden bisher nicht erfasst, können aber künftig Potenziale für eine Vielzahl von Anwendungsfällen bieten. Die Geschäftsführung, bestehend aus Kurt Wapler und seinen Söhnen Benno und Jakob Wapler, denkt hier schon länger in die Zukunft und möchte damit jetzt starten. Gemeinsam mit den Mittelstand-Digital Expert:innen Saskia Hutschenreiter und Benno Neumeister vom Fraunhofer IGCV wurden verschiedene Ansätze diskutiert.
Naheliegend ist die Möglichkeit, die Maschinen selbst flexibler, automatisierter und digitaler zu gestalten. Da sich Nutzungszwecke über Bäckereien hinweg, aber auch innerhalb einer Bäckerei stark ähneln (z. B. Brezen oder Körnersemmeln bestreuen), und auch einzelne Bestandteile der Anlagen immer wieder Anwendung finden (z. B. Förderbänder), bietet es sich an, künftig Standardprodukte ins Sortiment aufzunehmen. Bislang wird meist eine Maschine für ein Produkt verwendet. Neue Anlagen könnten modular konzipiert werden und dann vom Kunden selbst zusammengesetzt und ggf. auch vor Ort beim Kunden je nach Bedarf neu zusammengestellt werden. So lässt sich zum Beispiel eine Bestreuanlage durch den Austausch einzelner Module auch zum Langrollen von z. B. Körnerstangen verwenden.
Im Zuge dessen ließen sich in die Anlagen auch mehrere digitale Funktionen einbauen. Beispielsweise lassen sich über Sensoren und über die Anlagensteuerung eine Vielzahl von Daten sammeln, die beispielsweise für Anwendungsfälle wie die vorausschauende Wartung (engl. Predictive Maintenance) genutzt werden und damit Verschleiß oder Ausfälle ankündigen, bevor sie eintreten. Auch das Thema Ausschuss spielt eine Rolle. Weil zum Beispiel Teige in ihrer Konsistenz nicht immer genau gleich beschaffen sind, entsteht hin und wieder Ausschuss. Das können verformte Gebäckstücke sein, die bislang von Mitarbeitenden, die am Band stehen, händisch aussortiert werden. Eine kamerabasierte KI-Lösung kann hier Abhilfe schaffen und selbst erkennen, welches Gebäckstück außerhalb der Norm liegt. Auch Wiegemodule könnten hier Sinn machen. Ein Roboter-Greifarm oder beispielsweise eine Bodenklappe im Förderband kann das fehlerhafte Gebäckstück dann selbstständig aussortieren.
Für individuell konzipierte Anlagen sind solche Erweiterungen allerdings bislang zu teuer für die Kunden. Dennoch stehen auch diese vor einem beginnenden Fachkräftemangel, weshalb Automatisierungslösungen definitiv von Interesse sind. Mit einer festen Produktpalette würde sich der Aufwand für solche Entwicklungen seitens bmTEC eher lohnen und könnte so für Kunden in Zukunft erschwinglicher werden. Gerade bei KI-Lösungen ist der initiale Aufwand hoch, wenn die Systeme mit einer Vielzahl von Bilddaten auf bestimmte Produkte trainiert und auf ihre Verlässlichkeit überprüft werden müssen. Hier muss außerdem geklärt werden, wie groß später noch der individuelle Anpassungsaufwand auf die spezifischen Produkte des Kunden ist.
Eine Modularisierung bietet schließlich auch die Möglichkeit, z. B. Module für Unternehmen abseits der Backbranche zu entwickeln. Auch Schnitzel müssen in Frittieröl gebadet und Pizzen mit Käse bestreut werden.
In der gemeinsamen Potenzialanalyse wurden in Ideenworkshops auch neue Ansätze gesammelt, wie die bmTEC-Maschinen über die Backbranche hinaus Anwendung finden könnten. Lebensmittelnah bieten sich zum Beispiel Fast-Food-Ketten (Burger belegen, Wraps füllen und wickeln), Tiefkühlkost-Hersteller (Pizzen bestreuen, Fertiggerichte schichten) oder Airline Caterer (Gerichte zusammenstellen und verschließen) an. Abseits der Lebensmittelbranchen könnten Hebekipper in der Landwirtschaft, Sortiermaschinen in der Abfallwirtschaft oder Transport- und Wiegemodule zum Beispiel in der Pharma- und Kosmetikindustrie eine Rolle spielen.
Hier gilt es jeweils im Detail zu untersuchen, inwieweit die Märkte bereits gesättigt sind oder gegebenenfalls noch Marktanteile erschließbar wären. Anlagen mit hohem Automatisierungsgrad, unterstützt durch KI, könnten hier allerdings unter Umständen neue Mehrwerte liefern.
Neben den hier skizzierten Ideen wurden noch einige weitere im Projektteam diskutiert. Das Führungsteam von bmTEC wird diese im nächsten Schritt strukturieren und je nach Relevanz weiter konkretisieren. Das Ziel dabei: Als Traditionsunternehmen auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen, unter anderem durch Innovationen sowie neue Produkte und Services.
Mit drei großen Herausforderungen haben Unternehmen in Deutschland laut Prof. Dr. Markus Schneider von der Hochschule Landshut derzeit unter anderen zu kämpfen: dem Fachkräftemangel, den hohen Produktionskosten und dem zunehmenden Nachhaltigkeitsdruck, der vor allem mit der CSR-Berichtspflicht spürbar wird. Besonders einer dieser Herausforderungen hat sich die Lab-Tour am Technologiezentrum PULS in Dingolfing gewidmet, dessen Wissenschaftlicher Leiter Professor Schneider ist: dem Fachkräftemangel.
Laut Maria Maier, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München und Mitarbeiterin im Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg stehen wir beim Fachkräftemangel erst am Anfang. Es werde noch schlimmer werden und die Zuwanderung reiche nicht aus, um den Mangel auszugleichen. Mitarbeitendenunterstützung, -weiterbildung und -partizipation sei deswegen ein wichtiger Faktor, um vorhandene Arbeitskräfte zu halten und sie in Entscheidungen miteinzubeziehen.
Einen Ansatz den Professor Markus Schneider als Lösung sieht, ist die Automatisierung. Produktionssysteme sollten dabei aber komplett neu gedacht werden. Er verfolgt die These, dass es am besten sei Mensch und Maschine zu trennen, womit er gegen den Trend der Kollaboration geht: „Menschen machen Fehler, lassen zum Beispiel Behälter stehen und was machen die Maschinen? Sie bleiben stehen und piepsen.“ Technik müsse nicht überall eingesetzt werden, nur in bestimmten Bereichen und hier sollte der Mensch keinen Zutritt haben. Auf der anderen Seite habe Automatisierung aber auch ihren Preis, da man gut ausgebildete Personen brauche, um das Ganze umsetzen.
Was es braucht, um Prozesse zu automatisieren? Erstmal den Prozess aufräumen, sonst hat man einen schlecht automatisierten Prozess laut Professor Schneider. In der Musterfabrik macht er das den Teilnehmenden deutlich. Die Unternehmensvertreter:innen hat er insbesondere dafür sensibilisiert die Standarddenkweise aufzugeben: Pro Sekunde werden sechs Quadratmeter Fläche zubetoniert, was eine große Verschwendung ist. Vor allem bereits in der Planung liege großes Potenzial, das zu ändern.
Wie Platz eingespart werden kann, konnten die Teilnehmenden in der Musterfabrik erfahren. Boden und Decke werden mitgenutzt, so ist beispielsweise an der Decke ein Logistiksystem mit Transportrobotern angebracht. Weitere Automatisierungslösungen gab es in den verschiedenen Bereichen zu sehen, denn in der Musterfabrik ist ein kompletter Wertschöpfungsprozess vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang abgebildet.
Interessant war dabei auch die „O-Zelle“. In der Mitte befindet sich ein Roboter, der das Material auf die umliegenden Arbeitsplätzen verteilt, sodass es nur noch eine Schnittstelle zwischen Transport- und Montagesystem gibt. Dies ermöglicht effizienteres Arbeiten als in einer „U-Zelle“ – diese wird in der Fließfertigung häufig eingesetzt – und spart Platz.
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2018 wurde die Factory of the Future von Bosch Rexroth auf der Hannover Messe vorgestellt – seitdem haben in der Musterfabrik, die am Standort Ulm Teil des Innovationszentrums CU.BE ist, schon unzählige Führungen stattgefunden.
Ziel ist es vor allem, den Interessierten Denkanstöße und Ideen für ihre eigenen Unternehmen mitzugeben. Sophia Endres von Bosch Rexroth, die hauptverantwortlich die Führungen organisiert und durchführt, betont: „Niemand wird alles genau so umsetzen, wie es hier aufgebaut ist, aber uns geht es darum zu zeigen, welche möglichen Lösungen wir mit unseren Komponenten und Partnern sowie Systemintegratoren abdecken können.“
Und die Möglichkeiten sind vielfältig: Grundkonzept der Factory of the Future ist die Flexibilität. So sind die Bestandteile innerhalb der Factory flexibel. Lediglich Wände, Boden und Decke sind fix. Wobei das auf den Boden nicht ganz zutrifft, da hier neben zahlreichen anderen Funktionen zum Beispiel Führungslinien angezeigt werden können, die eine präzise Anfahrt für die sogenannten Active Shuttles ermöglichen. Diese Linien können flexibel verschoben werden, denn sie sind nicht aufgeklebt, wie man es vielleicht kennt. Stattdessen werden diese mit Licht erzeugt.
In der Factory of the Future ist die reale Welt mit der digitalen verbunden. Alles kann an der Wand mithilfe eines digitalen Zwillings abgebildet und für Simulationen genutzt werden. Neben den Active Shuttles befinden sich dort beispielsweise ein Smart Item Picker sowie eine Arbeitsstation mit integriertem Assistenzsystem für die Mitarbeitenden.
Ein ebenfalls interessanter Bestandteil: Smart Function Kits, die beispielsweise für Handling und Dispensing eingesetzt werden können. Diese gibt es in einer Art Baukastensystem mit Standardmodulen. Grund hierfür ist auch wieder die damit abbildbare höhere Flexibilität sowie durch die Standardisierung und grafische Programmierung auch das möglich machen, dass Nicht-Programmierer diese Maschine in Betrieb nehmen und nutzen können.
Auch spannend ist ein Roboter, der unter anderem für die Inspektion und den Transport eingesetzt werden kann. In einer kurzen Vorführung hat Sophia Endres gezeigt, was passiert, wenn das entsprechende Werkstück an einen anderen Platz gelegt wird. Der Roboter hat sich innerhalb weniger Sekunden angepasst und das Bauteil von der neuen Stelle aufgenommen. Wie das geht? Dank einer Unterlage mit Matrixcode und einer Kamera, die sich unter dem Modul befindet. So ist eine Neuausrichtung ganz ohne Programmierung und Kalibrierung möglich, wodurch die Flexibilität im Einsatz erhöht wird.
Sogenannte No-Code bzw. Low-Code-Lösungen spielen auch im Bereich der digitalen Assistenzsysteme eine Rolle, wie Mittelstand-Digital Expertin Maria Maier vom Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TUM in ihrem Vortrag berichtet hat. Viele Unternehmen haben inzwischen den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Digitale Assistenzsysteme werden daher für Unternehmen immer wichtiger werden, da sie nicht wie befürchtet Arbeitsplätze wegnehmen, sondern helfen, den Fachkräftemangel auszugleichen. Niedrigschwellige Angebote ohne großen Programmieraufwand können hier eine gute Lösung sein.
Dass die Umsetzung der Digitalisierung vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen in der Realität oftmals anders aussieht, stellte Dr. Maximilian Dommermuth, Head of Training bei der Bosch Rexroth Academy, in seinem Vortrag über die „Herkulesaufgabe“ der Digitalen Transformation klar. Eine kurze Umfrage unter den Teilnehmenden hat gezeigt, wie unterschiedlich das Verständnis des Begriffs Industrie 4.0 ist und dass damit vor allem weitere Schlagworte hervorgerufen werden. Diese wiederum wecken hohe Erwartungen. In der Wirklichkeit sind die Herausforderungen aber groß, beispielsweise müssen alte Maschinen mit neuen Systemen verbunden werden. Auch fehlende Daten sind oftmals ein großes Hindernis, deshalb empfiehlt es sich, am Ende nicht so lange zu überlegen, welche Technologie man auswählt, sondern wie man seine Daten entsprechend aufbereiten kann.
Viel Inspiration konnten sich die Teilnehmenden also bei der Factory-Tour holen, aber es waren sich alle einig, dass ganzheitliche Digitalisierung noch ein langer Weg ist.
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