Das Unternehmen pro-beam fertigt Bauteile vor allem für die Luft- und Raumfahrt oder Medizintechnik. Die Anforderungen an die Qualität sind entsprechend hoch. Bislang erfolgt die Qualitätssicherung manuell, unter anderem durch eine Sichtprüfung durch Mitarbeitende. Eine automatisierte Prüfung könnte die Mitarbeitenden entlasten. Die dafür benötigte elektronenoptische Aufnahmemöglichkeit (ähnlich eines Mikroskops, nur dass die Bildaufnahme hier mithilfe eines Elektronenstrahls erfolgt) ist bereits vorhanden und wird bei der Justage des Elektronenstrahls genutzt. In einer Potenzialanalyse mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg wurde dieser Use Case als vielversprechend für die Anwendung eines KI-Modells identifiziert. Im anschließenden Projekt mit dem Zentrum ging es an die Umsetzung eines Proof of Concept und die damit verbundenen zentralen Fragestellungen: Sind die Bilddaten für den Einsatz eines KI-Tools geeignet? Wie gut kann das Modell Fehler erkennen? Und lässt sich der Use Case auf andere Bauteilgruppen übertragen?
Für einen ersten Workshop besuchten die Mittelstand-Digital Experten Mario Luber vom Fraunhofer IGCV und Christopher Sobel vom Fraunhofer IIS das Team von Sachin Patel, Head of R&D Beam bei pro-beam. Zunächst ging es darum, einen passenden Use Case auszuwählen und zu konkretisieren. Bilder sind nicht die einzigen Daten, mit denen das Unternehmen bereits arbeitet oder die in Frage kommen. Auch Sensordaten könnten beispielsweise für eine automatisierte Qualitätsprüfung oder eine automatisierte Zustandsüberwachung der Maschine und deren Komponenten wie Verschleißteile, z. B. die Kathode, genutzt werden. Die Daten sind dafür zwar größtenteils bereits vorhanden, müssten allerdings erst noch umfassend gelabelt, d. h. um Zustandsinformationen erweitert werden. Die Auswahl fiel auf die bildbasierte Qualitätsprüfung, da hier der größte Nutzen (Sicherstellung einer hohen Qualität bei gleichzeitiger Zeitersparnis durch weniger manuelle Tätigkeiten sowie die Möglichkeit einer Prüfung im Vakuum-Bauraum) und eine schnelle Umsetzung eines Proof of Concept (Vorhandensein der Ausstattung für die Bilderzeugung und eine schnelle Test-Datenerfassung) in Aussicht standen.
Obwohl die elektronenoptische Bildaufnahme bereits für die Positionierung und Erkennung der zu schweißenden Fuge im Einsatz ist, wird diese bisher nicht genutzt, um Bilder der Schweißnaht aufzunehmen und zu speichern. Daher musste im ersten Schritt in die Maschinensteuerung integriert werden, dass Bilder nach dem Schweißvorgang aufgenommen und in einer Datenbank mit Zeitstempel und Auftragsnummer abgespeichert werden. Danach startete die Phase der Trainings- und Testdatensammlung. Innerhalb von zwei Monaten konnten 135 Bilder baugleicher Bauteile für das Training des KI-Modells gesammelt werden. Da allerdings kein Fehler dabei war, mussten für den anschließenden Test der KI-Modelle noch zusätzlich synthetische Fehlerbilder, die möglichst realistisch sind, erzeugt werden. Diese künstliche Erweiterung des Trainingsdatensatzes wird auch Data Augmentation (Datenerweiterung) genannt.
Im Anschluss ging es an die Datenauswertung der Trainingsdaten mithilfe von drei verschiedenen KI-Verfahren: Autoencoder, PADIM und EfficientAD. Der Fokus lag auf der Anomalie-Erkennung, nicht auf der Klassifikation des Fehlerbilds. Bei der Anomalie-Erkennung wird das Modell mit Bildern von Bauteilen trainiert, die keine Fehler aufweisen (i.O.). Bei einer Klassifikation werden hingegen auch Fehlerbilder im Training verwendet.
Mithilfe der Trainingsdaten wurde das KI-Modell trainiert und im Anschluss auf den Testdatensatz angewendet. Durch Bewertung der KI-ermittelten Prüf-Ergebnisse anhand von Testdaten ließen sich die Modelle hinsichtlich ihrer Genauigkeit (Accuracy) im Detektieren von Anomalien bewerten. Das Ziel neben einem hohen Accuracy-Wert war außerdem, die Rate von falsch positiven – sprich fehlerhaften Bauteilen, die fälschlich als i.O. erkannt werden – möglichst gering zu halten. Es zeigte sich: Während der Autoencoder in diesem Fall kein geeignetes Verfahren darstellte, da er die Anomalien nicht ausreichend erkennen konnte, erwiesen sich die anderen beiden, vor allem EfficientAD, im Rahmen des Proof of Concept als zuverlässig, um Bilder mit Fehlern zu identifizieren. Die Werte zeigten außerdem, dass die 135 Bildaufnahmen ausreichend für ein valides Training mit anschließendem Test der KI-Verfahren waren.
Schließlich lässt sich festhalten: KI eignet sich für die automatisierte bildbasierte Qualitätsprüfung und kann den Aufwand einer manuellen Sichtprüfung reduzieren. Nach Überführung in den produktiven Einsatz müssen Mitarbeitende künftig nur noch Bauteile mit unsicherem Anomaliewert manuell prüfen.
Das KI-Tool ließe sich damit erfolgreich auf eine Großserie anwenden. Im nächsten Schritt musste das Modell mit echten Fehlerbildern getestet werden, um valide Ergebnisse sicherzustellen. Hierzu arbeitet pro-beam aktuell in einem Projekt mit Christopher Sobel aus dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg zusammen. Danach stellt sich die Frage der Übertragbarkeit auf andere Bauteile, insbesondere auf Kleinserien und „Exoten“, für die kein spezifisches vorheriges Training möglich ist. Hier muss also getestet werden, wie zuverlässig durch das bereits trainierte KI-Modell auch dort Anomalien erkannt werden können. Außerdem steht auf dem Plan, die Mitarbeitenden von pro-beam darin zu schulen, die KI-Verfahren selbst anzuwenden und beispielsweise Bilddaten entsprechend vorzubereiten, um künftig in möglichst vielen Bereichen selbstständig ähnliche KI-Tools einsetzen zu können.
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