Tokenisierung von Vermögenswerten – wie kann die Zukunft des Eigentums aussehen?

Das Stichwort „Tokenisierung“ findet sich seit einiger Zeit immer öfter im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Finanzdienstleistungen. Im vorliegenden Artikel werden Definition, potenzielle Nutzungsmöglichkeiten, derzeitige Einsatzhürden und zukünftige Einschätzungen beleuchtet. Voranzustellen ist dabei, dass sich das Gebiet der Tokens derzeit noch im „Pionier-Stadium“ befindet mit einer Vielzahl von Prototypen, Pilotprojekten und einzelnen produktiven Einsätzen. Somit gehen auch die Meinungen zu Definitionen, Prozessen, Techniken, juristischer Einordnung, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz noch recht weit auseinander. Dennoch wird insgesamt eine dynamische Entwicklung erwartet.

Was sind Tokens und welche Ausprägungen gibt es?

Tokens sind digitale Objekte, die eigenständig einen Wert darstellen. Dieser Wert kann ein rein digitales Objekt sein, wie z. B. ein Bitcoin oder ein digitales Kunstwerk. Tokens können aber auch physische Objekte im Sinne eines „digitalen Zwillings“ spiegeln, zum Beispiel eine Immobilie. Mithilfe von Tokenisierung können also große Einheiten in kleinere Teile aufgeteilt und dadurch einer größeren Anzahl von Personen zugänglich gemacht werden. Mit derlei Tokens werden also digitale Abbilder eines realen Gegenstands oder Wertes erzeugt.

Diese digitale Abbildung realer Werte erfolgt dabei beispielsweise auf einer Distributed Ledger Technologie (DLT) eben in Form sogenannter Tokens und ermöglicht insbesondere eine rechtssichere Übertragung dieser digitalen Abbilder. Da sich nahezu alle Gegenstände oder Finanzwerte in dieser Form digital abbilden, also tokenisieren lassen, wird in dieser Technologie mit ihren Produkt- und Entwicklungsmöglichkeiten großes Potenzial gesehen.

Exkurs: Distributed Ledger Technologie (DLT)

Als „Distributed Ledger“ oder „Verteiltes Kontenbuch“ wird eine spezielle Form der elektronischen Datenverarbeitung und -speicherung bezeichnet. Es handelt sich um eine dezentrale Datenbank, in der Teilnehmer eines Netzwerks eine gemeinsame Schreib- und Leseberechtigung haben.

Während es in einer zentral verwalteten Datenbank eine entsprechende zentrale Instanz gibt, die neue Einträge in der Datenbank vornimmt, gibt es in einer dezentralen Datenbank eine solche Instanz nicht. Jeder Teilnehmer kann jederzeit neue Datensätze hinzufügen. Dies stößt jeweils einen Aktualisierungsprozess an, damit für alle Teilnehmer stets der aktuelle Stand der Datenbank vorliegt.

In Bezug auf die Zugangsmöglichkeiten für Teilnehmer unterteilen sich Distributed Ledgers in „permissioned“ und „unpermissioned“ Ledgers. In permissioned Ledgers sind die Teilnehmer in der Regel registriert und müssen bestimmte Voraussetzungen für den Zugang erfüllen. Zu unpermissioned Ledgers hat jeder Teilnehmer freien Zugang (z. B. zur Blockchain im Bitcoin-Netzwerk).

Tokens können erworben, gehalten und i. d. R. weitergegeben werden, auch auf Marktplätzen oder Börsen. Jemand, der Tokens übernimmt, akzeptiert diese und den durch diese Tokens dargestellten Wert. Der Übernehmende erhält Tokens direkt von E-Wallet (auch virtuelle Geldbörse genannt) zu E-Wallet oder auch als Anhang in einer E-Mail ähnlich wie ein PDF-Dokument. Dabei gibt es keine explizite Rückversicherung bei einer zentralen Stelle, ob diese Tokens „echt“ oder „wertig“ sind, der Übernehmende zieht die Tokens einfach auf den Desktop seines Laptops, PCs etc. oder in seine E-Wallet.

Vergleichbar ist dieser Vorgang mit der Übernahme eines herkömmlichen Geldscheins. Dieser wird stets akzeptiert, ohne dass es bei der Übernahme zu einer Prüfung durch die Deutsche Bundesbank kommt. Der Übernehmende vertraut dem Gegenüber und steckt den Schein einfach in seine physische Geldbörse.

Tokens zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte Eigenschaften haben. Sie sind u. a.

  • Übertragbar: Dies ist bei den meisten Tokens gegeben. Voraussetzung ist, dass der rechtliche bzw. technische Wesensgehalt des Tokens unverändert bleibt.
  • Teilbar: Mithilfe der Tokenisierung können die damit abgebildeten Vermögenswerte in beliebige Stückelungen geteilt und gehandelt werden.
  • Löschbar („burned“): Hierbei handelt es sich um eine Methode, Tokens dauerhaft aus dem Umlauf zu nehmen und diese z. B. an eine nicht auffindbare Adresse zu senden. Dies wird insbesondere mit dem Ziel getan, um das Gesamtangebot eines Tokens zu verknappen und ihn dadurch wertvoller zu machen.

Zusätzlich ist die Fungibilität, also die Austauschbarkeit, des Tokens von großer Bedeutung. Ein Token kann fungibel (ganzteilig oder anteilig), nicht-fungibel (ganzteilig, anteilig, einzigartig) oder hybrid ausgestaltet sein:

  • Fungibel: Ein Token ist beliebig austauschbar. Fungible Tokens bilden i. d. R. Kryptowährungen, Wertpapiere oder Devisen ab. Beim Besitz oder Erhalten entsprechender Tokens ist es unerheblich, welcher Token von wem stammt, da sie austauschbar und nicht voneinander zu unterscheiden sind.
  • Nicht-fungibel: Ein Token ist nicht austauschbar. Er existiert nur genau einmal und ist auch genau einem Besitzer zuzuordnen. Zu erklären ist ein nicht-fungibler Token z. B. als digitaler Besitznachweis von digitaler Kunst, digitalen Tickets oder digitalen Anteilen von Immobilien.
  • Hybrid: Hierbei handelt es sich um Mischformen der vorgenannten Ausprägungen, bei denen der Schwerpunkt auf unterschiedlichen Funktionen liegen kann, sodass z. B. im Einzelfall zu entscheiden ist, um welche Kategorie Token es sich letztlich handelt.


Exkurs: Die zugrundeliegende Technologie der Smart-Contracts

Fungible und nicht-fungible Tokens bestehen als sogenannte Smart-Contracts auf der Blockchain. Smart-Contracts kann man als Computerprogramme (Code) verstehen, die unter bestimmten Bedingungen abgerufen werden und dabei bestimmte Funktionen erfüllen.

Die Unveränderlichkeit und Transparenz der Blockchain ist dabei ein Kernelement und trägt zu den neuartigen Anwendungsfällen von Tokens bei. Die Technologie von fungiblen und nicht-fungiblen Tokens wurde erstmals auf der Ethereum-Blockchain umgesetzt. Auch der Bitcoin gilt im weiteren Sinne als fungibler Token.

Es lassen sich des Weiteren drei Gruppen von Wert-Tokens unterscheiden:

  • Payment-Tokens: Payment Tokens dienen primär dem Zahlungsverkehr, können aber – wenn sie länger gehalten werden – auch die Eigenschaft der Wertaufbewahrung eines Finanz- bzw. Security-Tokens abbilden. Sie unterscheiden sich nach Herausgeber (Emittent) und Verwendungszweck.
    Payment-Tokens können privatwirtschaftlich oder öffentlich herausgegeben sein. Bekannte Beispiele für privatwirtschaftliche Token sind sogenannten Kryptowährungen ohne Referenzwert wie z. B. Bitcoin, Ethereum oder Ripple.
    Ein weiteres Beispiel für einen privatwirtschaftlichen Token ist der USD Coin, der durch das Unternehmen Circle emittiert wird. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten Stablecoin, der an eine Wertanlage (in dem Fall der US-Dollar) als Referenzwert gebunden ist, um dadurch die Wert-Schwankungen des Stablecoins selbst zu minimieren.
    Ein Beispiel für einen öffentlichen Token ist ein möglicher zukünftiger digitaler Euro, der durch die Europäische Zentralbank emittiert werden würde.
  • Finanz- oder Security-Tokens: Finanz- oder Security-Tokens sind digitale Wertpapiere. Erscheinungsformen sind Anleihe-Tokens wie z. B. digitale Schuldverschreibungen sowie Aktien-Tokens (Equity-Tokens). In die Gruppe der digitalen Wertpapiere fallen auch Commodity-Tokens zur Abbildung von Investitionen in Rohstoffe sowie Immobilien-Tokens. Auch sogenannte NFTs (Non Fungible Tokens) finden sich hier, die z. B. digitale Kunstobjekte abbilden.
  • Sonstige Tokens: Dies sind in der Regel Utility-Tokens, die diverse qualitative, also nicht finanziell motivierte, Nutzungsrechte garantieren. Beispiele sind Tokens als Ersatz für die physische Saisonkarte eines Fußballvereins mit Zusatzleistungen rund um den Verein oder der Token einer Musik-Band, in dem das Recht auf den vorzeitigen Bezug des neuen Albums sowie ein Konzertbesuch verankert sind.

Wo zeigen sich Nutzen und Herausforderungen von Tokenisierung?

Tokens sind ein wichtiger Teil der digitalen Welt. Sie erlauben die durchgehende Digitalisierung von Prozessen, ohne Medienbrüche oder notwendige Übergänge in eine analoge Welt. Sie dienen dabei als digitale Wertspeicher, die (fast) überall eingesetzt werden können.

Damit einhergehend werden deutlich geringere Kosten bei Prozessen und eine deutlich schnellere Abwicklung als Vorteile genannt sowie eine vollständige Transparenz, die bei der Nutzung von Tokens gegeben sein soll.

Auch wenn die Technologie insgesamt einen breiten Einsatz von Tokens ermöglichen könnte, sind derzeit allerdings noch eine Reihe von Herausforderungen zu lösen. So sind die Protokolle z. B. für die genannten Smart-Contracts noch nicht ausreichend standardisiert, auch in Bezug auf die Regulation sind noch Fragen offen, die derzeit erst schrittweise beantwortet werden. Aktuell können die von den Befürwortern der Tokenisierung theoretisch möglichen Kosten- und Zeiteinsparungen bei der Abwicklung ebenfalls noch nicht vollständig umgesetzt werden.

Fazit – Akzeptanz noch ausstehend

Eine breite Akzeptanz von Tokenisierung bei den denkbaren Einsatzmöglichkeiten ist derzeit noch unsicher und insbesondere abhängig von schlanken und wenig aufwändigen Prozessen. Ob die Digitalisierung physischer Objekte in absehbarer Zeit für eine ausreichend große Zielgruppe attraktiv sein wird, bleibt abzuwarten. Tokens haben allerdings durchaus Potenzial und könnten als Träger von Werten wichtige Komponenten einer zunehmend digitalisierten Welt werden.


Quellen:

Penzel, Hans-Gert: Tokenisierung von Vermögenswerten: So funktionierte sie & so wird die Zukunft des Eigentums wirklich aussehen, https://www.it-finanzmagazin.de/token-zukunft-ibi-research-152539/, Abruf am 15.01.2025.

Metzger, Jochen: Distributed Ledger Technologie (DLT), https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/distributed-ledger-technologie-dlt-54410, Abruf am 15.01.2025.