Grundlagen der Künstlichen Intelligenz
Das Grundprinzip der KI besteht darin, Daten – wie zum Beispiel Bilder, Texte, aber auch Sensormesswerte – zu analysieren und darin selbstständig Muster und Strukturen zu erkennen. Um dies zu erreichen, muss ein KI-Modell zunächst trainiert werden. Dazu werden diesem während des Trainings Daten zugeführt und vom KI-Modell verarbeitet. Die Daten unterteilen sich in Eingabe- und Ausgabedaten. Ziel der KI ist es, anhand der Eingabedaten die entsprechenden Ausgabedaten vorherzusagen. Die Grundlage jeder KI bilden mathematische Modelle, deren interne Parameter während des Trainings so optimiert werden, dass es Zusammenhänge in den Daten möglichst genau erfasst und verallgemeinern kann.
Inwieweit sich KI von klassischen regelbasierten Verfahren unterscheidet, soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden. Betrachtet wird ein Karton, in den verschiedene Produkte eingelegt werden sollen. Die Frage ist, zu wie viel Prozent der Karton gefüllt ist, wenn eine beliebige Anzahl von Produkten in den Karton gelegt wird (vgl. Abbildung 1).
In Beispiel 1 (vgl. Abbildung 1) soll ermittelt werden, zu wie viel Prozent die Schachtel 1 gefüllt ist, wenn sie mit zwei Quadraten und einem Dreieck gefüllt wird. Im zweiten Fall ist die kleinere Schachtel 2 mit einem Kreis und zwei Dreiecken gefüllt. Für eine klassische regelbasierte Füllstandsvorhersage könnte wie folgt vorgegangen werden: Zunächst wird die Größe und damit das Füllvolumen der Kartons bestimmt. Anschließend werden die einzelnen Produkte vermessen, um deren Volumen zu bestimmen. Aus der Summe der Volumina der einzelnen Produkte kann dann der Füllstand eines Kartons ermittelt werden. Die Berechnung des Füllstandes erfolgt nach vorher festgelegten Regeln. Somit steht hier die Modellierung der Regeln, nach denen der Füllstand bestimmt wird, im Fokus.
Im Gegensatz dazu würde die Bestimmung des Füllstandes mit einem KI-Modell mit folgender Vorgehensweise erreicht werden: Für eine Vielzahl von Szenarien werden die Eingabeparameter und die zugehörigen Ausgaben bestimmt. In diesem Fall wären die Eingabeparameter der jeweils verwendete Karton und die darin enthaltenen Produkte. Die zugehörige Ausgabe wäre die Füllmenge. Anhand der Eingaben und der zugehörigen Ausgaben wird ein KI-Modell trainiert. Dabei erlernt das Modell selbstständig die Regeln, anhand derer der Füllstand eines Kartons mit verschiedenen Produkten ermittelt werden kann.
Der entscheidende Vorteil gegenüber klassischen regelbasierten Prognosemodellen besteht darin, dass einer KI keine expliziten Regeln vorgegeben werden müssen. Stattdessen erkennt die KI selbstständig Zusammenhänge in den Daten. Dies ist besonders vorteilhaft, wenn Zusammenhänge zu komplex sind, um sie in festen Regeln abzubilden, oder wenn sich die Bedingungen häufig ändern. Allerdings geht dieses Vorgehen auch mit einer gewissen Intransparenz einher, da die Grundlage, warum eine Entscheidung von einer KI getroffen wird, für den Menschen oft nicht ersichtlich ist.
KI umfasst ein sehr breites Spektrum an Methoden und lässt sich je nach Aufgabenstellung in verschiedene Kategorien unterscheiden. So werden beim Überwachten Lernen (Supervised Learning) Modelle mit gelabelten Daten trainiert. Das bedeutet, dass jeder Eingabe eine feste Ausgabe zugeordnet ist. Die Aufgabe des KI-Modells besteht nun darin, die Zusammenhänge zwischen dem übergebenen Input und dem zugehörigen Output selbstständig zu erlernen. Handelt es sich bei der ermittelten Ausgabe um eine oder mehrere kontinuierliche Variablen, spricht man von Regressionsaufgaben. Das obige Beispiel der Füllstandsbestimmung ist also ein klassisches Regressionsproblem. Ist es dagegen das Ziel der KI, eine bestimmte Eingabe einer definierten Klasse zuzuordnen, spricht man von Klassifikation.
Im Gegensatz dazu arbeitet das Unüberwachte Lernen (Unsupervised Learning) ohne vordefinierte Ausgaben. Der KI werden also nur die Eingabedaten übergeben und das Modell muss selbstständig Zusammenhänge in den Datenpunkten erkennen. Klassische Methoden sind das Clustering oder die Dimensionsreduktion. Beim Clustering werden Datenpunkte, die einander ähnlich sind, zu Gruppen zusammengefasst. Bei der Dimensionsreduktion versucht die KI, bestimmte Charakteristiken in den Daten zu ermitteln. Clustering wird somit häufig zur Vereinfachung von großen und komplexen Datenmengen verwendet.
Das Deep Reinforcement Learning (DRL, Bestärkendes Lernen) stellt einen KI-Ansatz dar, der sich mit der Optimierung von Strategien beschäftigt. Dabei interagiert ein KI-Agent mit einer Umgebung. Dabei führt der Agent Aktionen aus, die auf dem Zustand der Umgebung basieren. Diese Aktionen werden mit einer Belohnungsfunktion bewertet. Ziel des DRL ist es, dass der Agent Aktionen auswählt, die die erhaltene Belohnung maximieren. Durch die Interaktion mit der Umgebung und den dafür erhaltenen Belohnungen kann der Agent eine optimierte Strategie erlernen.
Einsatzmöglichkeiten von KI in der Logistik
Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind sehr vielseitig. Insbesondere die Logistik kann auf unterschiedliche Art und Weise davon profitieren. KI kann zum Beispiel für die Prognose von Prozess- und Auftragsdaten, der Erkennung von spezifischen Logistikkomponenten oder für die Steuerung von Prozessen oder dem Materiafluss verwendet werden.
Die Fähigkeit, aus Bildern relevante Daten zu extrahieren, kann in der Logistik für viele Anwendungsfälle von großem Nutzen sein. Durch Bilderkennung können Prozesse verbessert oder Fehler minimiert werden. Der LOCO-Datensatz (Logistics Objects in Context) [1] ist hierfür ein praktisches Beispiel, durch den es ermöglicht wird, bestimmte Logistikobjekte mithilfe von Kameras zu erkennen. Dieser Datensatz umfasst insgesamt ca. 38.000 Bilder, die in verschiedenen logistischen Umgebungen aufgenommen wurden. In Teilen des Gesamtdatensatzes sind logistikspezifische Objekte wie Paletten, Kisten, Gitterboxen, Gabelstapler und Hubwagen gekennzeichnet (vgl. Abbildung 2). Durch diese Annotation wird gekennzeichnet, wo sich ein spezifisches Objekt auf dem Bild befindet. Mithilfe dieser Datengrundlage lässt sich dann wiederum ein KI-Modell trainieren, welches die verschiedenen Objekte selbstständig erkennt.
Durch die Entwicklung solcher Bilderkennungswerkzeuge kann die Logistik davon profitieren, dass Objekte automatisch erkannt und richtig klassifiziert werden. So können unter anderem fahrerlose Transportsysteme selbstständig Objekte erkennen
und deren Position und Orientierung bestimmen. Dies erleichtert die Navigation sowie die Aufnahmen und den Transport von Waren und kann somit zu einer Verbesserung der Transportaufträge führen.
Darüber hinaus bietet der Einsatz von DRL in der Logistik neue Möglichkeiten, Prozesse wie den Materialfluss zu optimieren. Diese KI-Methode lernt optimierte Strategien durch die Interaktion mit ihrer Umgebung (vgl. Abbildung 3). Dabei führt ein Agent eine Aktion aus, die zu einer Veränderung der Umgebung führt. Die Aktionen des Agenten werden durch eine Belohnungsfunktion bewertet. Dabei werden sinnvolle Aktionen mit einer hohen Belohnung bewertet, während schlechte Aktionen nur mit einer geringen oder negativen Belohnung gewichtet werden. Welche Aktionen als gut oder schlecht bewertet werden, hängt vom Gesamtziel ab, das für die Optimierung des Systems erreicht werden soll. Der Agent versucht seine Strategie so anzupassen, dass er eine möglichst hohe kumulierte Belohnung erhält. Im Falle der Optimierung der Materialflusssteuerung innerhalb eines Warenlagers könnte das globale Ziel z. B. die Minimierung der Gesamttransportzeit der Fahrzeuge sein.
Ein Beispiel für einen praktischen Anwendungsfall könnte die Steuerung eines Gabelstaplers innerhalb eines Logistiklagers sein. Die Umgebung des DRL-Systems umfasst die Lagerhalle, den Gabelstapler und die Waren. Der Agent hat die Aufgabe, optimierte Transportaufträge zu generieren, so dass die Zeit, die der Gabelstapler zur Abarbeitung der Aufträge benötigt, minimiert wird. Um einen solchen Agenten zu trainieren, wird eine Simulation als weitere Komponente benötigt. Diese Simulation bildet alle Abläufe, Materialtransport sowie Randbedingungen ab, wodurch der Agent durch Interaktionen mit dem System in der Lage ist, eine optimierte Strategie zu erlernen. Während des Trainings versucht der Agent seine Strategie für die Transportplanung zu optimieren. Zu Beginn werden die Auftragsdaten für den Gabelstapler überwiegend zufallsbasiert generiert. Erst mit fortlaufendem Training erlernt der Agent anhand der erhaltenen Belohnungen, welche Aktionen langfristig zu einer hohen Belohnung führen und passt dementsprechend seine Strategie an. Durch dieses Vorgehen kann der Agent eine Strategie entwickeln, mit der die Materialflüsse verbessert und somit die Effizienz erhöht wird.
Dass DRL in realen Umgebungen erfolgreich eingesetzt werden kann, zeigen unter anderem verschiedene Roboterhersteller. Durch die Anwendung von DRL können sie die Bewegungsplanung von Robotern so optimieren, dass diese in dynamischen Umgebungen stabile und präzise Bewegungsabläufe durchführen, wodurch diese auf unerwartete Änderungen in ihrer Umgebung effizient reagieren können. Diese Fähigkeit, sich an sich schnell ändernde Bedingungen anzupassen, ist nicht nur in der Robotik von Bedeutung, sondern bietet insbesondere in der Logistik ein großes Potenzial, um Prozesse und Systeme zu optimieren.
Herausforderung und Zukunft von KI in der Logistik
Auch wenn KI gerade für die Logistik ein sehr großes Potenzial bietet, ist die Umsetzung dieser Technologie häufig von großen Herausforderungen geprägt. So ist die Implementierung von KI-Lösungen in der Regel sehr komplex und ressourcenintensiv. Das Training leistungsfähiger KI-Modelle erfordert häufig eine Vielzahl von Rechenschritten. Leistungsfähige Hardwarekomponenten sind daher für viele KI-Projekte unerlässlich, um das Training der KI in praktikablen Zeiträumen zu ermöglichen. Generell sind Daten die wichtigste Komponente für die Realisierung von KI. Sie stellen aber auch häufig das größte Hindernis bei der Durchführung von KI-Projekten dar. Stehen zu wenige Daten zur Verfügung oder sind diese von zu schlechter Qualität, ist die Prognosefähigkeit einer KI stark eingeschränkt. Damit eine KI in der Lage ist, aus Daten sinnvolle Zusammenhänge zu lernen und damit eine Optimierung zu ermöglichen, müssen genügend Daten in ausreichender Qualität vorhanden sein. Die Erfassung und Vorverarbeitung von Daten stellt daher einen der wichtigsten Entwicklungsschritte bei der Umsetzung von KI dar.
Auch wenn die Implementierung von KI derzeit noch mit Herausforderungen verbunden ist, bietet der Einsatz dieser Technologie einen entscheidenden Mehrwert, um die Logistik effizienter und sicherer zu gestalten. Darüber hinaus kann KI in dynamischen Situationen dazu beitragen, sinnvolle Lösungen zu generieren. Viele KI-Modelle sind zudem als Open-Source-Lösungen frei verfügbar und können individuell an die eigenen Prozesse angepasst werden. Dies verbessert nicht nur die Integrationsfähigkeit von KI für Unternehmen, sondern stärkt auch die Innovationskraft, da bestehende Modelle weiterentwickelt und optimiert werden können. Mit der fortschreitenden Entwicklung von KI-Technologien und der zunehmenden Verfügbarkeit leistungsfähiger Hardware ist die Logistik ein Bereich, der von den KI-Entwicklungen profitieren wird und dadurch auch effizienter und vielseitiger werden kann.
[1] C. Mayershofer, D. -M. Holm, B. Molter and J. Fottner, „LOCO: Logistics Objects in Context,“ 2020 19th IEEE International Conference on Machine Learning and Applications (ICMLA), Miami, FL, USA, 2020, pp. 612-617, doi: 10.1109/ICMLA51294.2020.00102