Die BRUNNER Drehtechnik GmbH aus Röthenbach an der Pegnitz produziert mit fünf Mitarbeitenden Automatendrehteile in Stückzahlen von 500 bis zu mehreren Millionen für verschiedene Branchen. Ein eigenes Produkt wird nicht hergestellt, sondern nach Kundenzeichnung gefertigt. Michael Brunner, der das Unternehmen in dritter Generation führt, hat schon früh mit der Digitalisierung begonnen und durch einen Neubau im Jahr 2019 konnten die Geschäftsprozesse weiter angepasst werden.
Doch für Herrn Brunner geht noch mehr, deshalb hat er sich an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gewandt, um den aktuellen Reifegrad messen zu lassen und zu erfahren, welche weiteren Potenziale in Sachen Digitalisierung vorhanden sind. Für die Potenzialanalyse war Mittelstand-Digital Expertin Hannah Wangemann vom Fraunhofer IIS mit zwei weiteren Kolleginnen vor Ort.
Michael Brunner: Vom Grundsatz her sind wir ein ganz modern aufgestelltes Unternehmen. Mit diesem klassischen Beruf vom Zerspanungsmechaniker, der an der Drehbank steht, an der Kurbel dreht und ein Teil herstellt, hat es eigentlich bei uns nicht mehr viel zu tun. Wir bekommen unsere Bestellungen und Zeichnungen, zwar noch nicht voll digitalisiert, aber per E-Mail als PDF. Die pflegen wir in unsere Software ein. Diese Software überspannt mit verschiedenen Modulen unseren kompletten Betrieb. Wir legen den Auftrag an und er kann digital über Tablets in der Fertigung eingesehen werden. Parallel ist das das Einzige, was noch mit Papier passiert, da der Mitarbeitende einen Papierfertigungsauftrag und die Zeichnung zur Sicherheit auch an die Maschine gelegt bekommt.
Aber ansonsten ist alles ziemlich durchdigitalisiert. Die Auftragsbestätigungen, die Produktion selbst, da wird ein Auftrag digital an- und abgestempelt und Material digital gebucht. Die Messwerte, die die Qualitätssicherung prüft, werden digital dokumentiert. Am Schluss kriegt der Kunde eine digitale Rechnung, nur noch der Lieferschein ist in Papierform.
Brunner: Grundsätzlich bin ich solchen Sachen gegenüber offen, weil man immer irgendetwas mitnimmt. Das ist mir schon immer ein Anliegen gewesen und ich halte meine Augen und Ohren offen, was man bei uns umsetzen kann.
Hannah Wangemann: Wir haben eine digitale Reifegradmessung durchgeführt. Das ist wie ein Rundum-Check und hat für Unternehmen den Vorteil, auch mal eine externe Perspektive zu haben, die das eigene Unternehmen mit dem Hintergrundwissen, wie der Stand bei anderen KMU ist, vergleichen und bewerten kann. Nach einer ersten virtuellen Absprache waren wir einen halben Tag vor Ort und haben eine Produktions- und Unternehmensführung gemacht. Im Nachgang haben wir uns mit Herrn Brunner über verschiedene Teilbereiche seines Unternehmens unterhalten und nach Herausforderungen, die er auch noch sieht, gefragt.
Wir haben schnell festgestellt, dass Herr Brunner sehr offen ist. Dadurch konnten wir unsere Handlungsempfehlungen weiter fassen, d. h. mit starker Zukunftsperspektive. Denn Digitalisierung ist nur bis zu einem gewissen Grad intern und auf die eigenen Prozesse bezogen. An irgendeinem Punkt geht man darüber hinaus und betrachtet übergreifende Strukturen, auch unabhängig von der Unternehmensgröße. Und das konnten wir hier tun. Wir haben beispielsweise Szenarien besprochen, wie man mit Kunden kollaborativ Bauteile designen oder mit welchen Plattformlösungen man die Produktdaten und Lieferscheine proaktiv digital bereitstellen könnte.
Aber wir waren überrascht von dem Fortschritt, den wir bei einem Unternehmen von dieser Größe so bisher nicht gesehen haben. Den digitalen Leitstand und die Tablets in der Produktion und auch die Qualitätsmanagement-Software, die direkt mit dem ERP-System verbunden ist. Auch das Thema Nachhaltigkeit kam zur Sprache, hier hat Herr Brunner schon erste Projekte bei sich umgesetzt und will das auch weiter vorantreiben. Also so ein Rundumpaket. Das war für uns als Zentrum der Beweis, dass Digitalisierung auch Kleinstunternehmen und nicht nur Konzerne können, solange man das richtige Mindset hat und offen und neugierig ist.
Brunner: Das Hauptproblem, auf das ich stoße, ist, dass die Welt nach meinem Gefühl noch nicht so weit ist. Auf der einen Seite haben wir das Thema Maschinen, da hätten wir gerne mehr Daten, deshalb haben wir unsere Maschinen nachgerüstet. Aber Daten im wirklichen Sinne bekommen wir nicht. Wir kriegen, ich nenne das mal Impulse, ob die Maschine läuft oder nicht und einen Takt, in dem die Teile fertig gestellt werden. Natürlich bieten moderne Maschinen zwischenzeitlich Schnittstellen, die aber nicht herstellerübergreifend sind und wenn große Konzerne in ihren Pflichten- und Lastenheften dies fordern, wird einiges realisiert. Um dies für uns zu fordern, sind wir aber leider zu klein. Genauso ist es bei den Lieferanten. Wenn ich sagen würde, wir binden uns softwaretechnisch zusammen, wird nur der Kopf geschüttelt.
Intern kann man viel machen, wenn man selbst eine gewisse Einstellung hat. Aber dann bremst einen die Realität aus. Man muss alle in einen Topf bekommen, sonst haben wir keinen digitalen Durchsatz. Ob sich das in den nächsten Jahren ändert, weiß ich nicht. Vielleicht ist die Thematik KI auch ein treibender Motor, sodass die Unternehmen merken, sie können nicht mehr anders. Aber es bräuchte mehr bzw. es muss eigentlich in der Gesellschaft und in den Firmenkulturen Durchdringung geben und die fehlt mir momentan noch ein wenig.
Wangemann: Ein Thema, das sehr anwendungsnah ist, war die Empfehlung einer Wissensdatenbank für die Mitarbeitenden, in der die Werkzeugnutzung festgehalten wird, also welche Werkzeuge für was verwendet werden. Die Perspektive lag hier auf dem Anlernen und autonomen Arbeiten. Und das sollte mit dem Dokumentenmanagement-System verknüpft werden, um auch auf die Zeichnungen zugreifen zu können. Eine andere Sache waren die Tablets. Die könnten eigentlich schon die Leistung erbringen wie gerade noch das Papier an den Maschinen. Theoretisch notwendig wäre das Papier nicht mehr.
Brunner: Genau ja, aber das ist das Grundsätzliche bei der Digitalisierung. Man muss die Leute mitnehmen, sonst verliert man die Akzeptanz. Der Mitarbeitende darf nicht das Gefühl bekommen, jetzt bin ich mit mehr Bürokratie beschäftigt, als mir das Ding nutzt. Deswegen liegt der Hauptfokus darauf, Digitalisierung da einzuführen, wo der Mitarbeitende am Schluss des Tages merkt, es nimmt mir nicht meine Arbeit weg, sondern es nimmt mir Arbeit ab. Zum Beispiel wird in diesem Dokumentenmanagement der Rechnungseingang bald ein großes Thema sein. Eingangsrechnungen kommen, werden geprüft, gehen im Workflow weiter, werden automatisch ausgelesen und es erfolgt ein Zahlungsfluss oder Zahlungsauftrag, ohne dass die Rechnung fünfmal geprüft werden muss. So wird an diesem Punkt eine Erleichterung geschaffen.
Brunner: Bei Neuerungen muss ich schon überzeugen, aber ich führe es nur so ein, dass der Aufwand nicht so groß ist, dann wird es auch akzeptiert und sie merken, dass es ihnen etwas bringt. Beispielsweise beim automatisierten Wareneingang haben sie durch das Einscannen der Lieferzettel eine Zeitersparnis, das ist etwas, was sie direkt tangiert.
Bei vielen anderen Sachen bin meistens ich der Nutznießer, weil ich auf irgendwelche Daten zugreife, die mir zur Verfügung gestellt werden. Aber solange man es niederschwellig hält, funktioniert es auch. Und wenn sie etwas nicht gut finden, merke ich das an der Laune. Das ist der Vorteil bei einem kleinen Betrieb, dass ich nah an der Basis bin.
Brunner: Der Hauptgrund ist, dass ich ein Anhänger davon bin, das Unternehmen zu digitalisieren und modern zu halten, um mit dem Wettbewerb mithalten zu können. Allgemein, um Abläufe zu optimieren, um kostengünstiger produzieren zu können bzw. effizientere Wertschöpfung zu haben. Um somit für die Zukunft gerüstet zu sein und als Arbeitgeber attraktiv und modern auf Kandidaten zu wirken. Also natürlich spielt auch das Thema Fachkräftemangel eine Rolle. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Punkten.
Brunner: Ja auf jeden Fall, deshalb haben wir diesen Prozess auch digitalisiert und Instagram- und Facebook-Kampagnen mit Videos gestartet. Seit wir es nutzen haben wir viel mehr Bewerbungen, was wir so in der Menge noch nie gehabt haben. Jetzt muss man zwar abziehen, dass ca. 90 Prozent die Anforderungen überhaupt nicht erfüllen. Aber man merkt, jetzt kommen ein paar Personen, die wirklich Industriemechaniker und Zerspaner sind.
Brunner: Sehr wichtig. Das Hauptproblem, jemanden zu finden, lag daran, dass wir einfach nicht präsent waren. Mit den Videos sehen die Leute, wie wir sind und können sich etwas darunter vorstellen. Vorher war es dieser altbackene, nicht mehr hippe Beruf des Zerspanungsmechanikers und jetzt merken die Leute selbst, dass wir digitalisiert sind und hier etwas vorwärts geht.
Einen Personaldienstleister kann ich mir eigentlich nicht leisten, deshalb habe ich diesen direkten Weg gewählt. Ich habe für die Videos zwar auch jemanden engagiert, aber der Vorteil von der Geschichte ist, ich nutze es nicht nur als Stellenanzeige, sondern präsentiere die Firma und mache sie dadurch bekannt. Und wenn wir sagen, wir haben genug Mitarbeitende, kann man das Ganze umswitchen und die Suche nach neuen Kunden zum Hauptziel machen und Werbebudget in diese Richtung streuen. So sind wir flexibler. Das sind die Medien der Gegenwart und der Zukunft. Auf TikTok sind wir noch nicht, aber das wird wahrscheinlich irgendwann kommen.
Brunner: Eigentlich nicht. Es waren immer kleine Schritte, aber der absolute Push kam durch die Förderung von „Digital Jetzt“*, weil wir dann ins Volle gehen konnten. Das Finanzielle ist natürlich immer ein Unsicherheitsfaktor.
Auch wenn ich mich zum Beispiel vor 14 Jahren für eine andere Warenwirtschafts-Software entschieden hätte, wäre jetzt vielleicht alles ganz anders. Wir haben damals unsere Messmaschine gekauft und wollten die Messwerte von der Maschine digitalisieren und wir wollten auch eine Warenwirtschafts-Software. Es gab den einen Hersteller, der konnte beide Module bieten mit der Schnittstelle für diese Messmaschine. Wir haben also nicht nach der besten Software gesucht, sondern es quasi von hinten aufgezäumt. Und es war die richtige Entscheidung. Andernfalls hätten wir vielleicht noch mehr Software von anderen Herstellern gebraucht und wahrscheinlich gesagt, den Aufwand machen wir uns nicht und lassen das mit der Digitalisierung.
Wangemann: So eine modulare Software bringt gewisse Vorteile mit sich, vor allem für kleinere Unternehmen, damit man sich je nach Entwicklung des Unternehmens und finanzieller Lage und auch der Digitalisierungsstrategie, einfach Dinge dazu buchen kann, ohne das ganze System wieder umwerfen zu müssen.
*Anmerkung: Investitionsförderprogramm des BMWK, das bis 31.12.2023 lief
Brunner: Für mich ist Digitalisierung nicht das Ziel, sondern eigentlich der Weg und bedeutet immer Veränderung. Es ist ein täglicher Begleiter und auch wenn man ein kleiner Betrieb ist, kommt man um das Thema nicht herum und kann seine Vorteile daraus ziehen. Von daher dürfen sich die Kleinen nicht so verstecken.
Die Produktpalette ist breit und reicht vom Teigportionierer und -kipper über die Bestreuanlage zum Beispiel für Körnersemmeln oder Süßgebäck bis hin zur vollautomatischen Blechzuführung. Je nach Gebäckstück oder benötigtem Maschinenmaß für die Produktionsstätten wird jede Maschine individuell für den Kunden konzipiert und gebaut. Bei einigen Maschinen ist manuelle Zuarbeit nötig, zum Beispiel um Ausschuss vom Band zu entfernen, Gebäckstücke für den nächsten Bearbeitungsschritt zu platzieren oder Teig nachzugeben. Auch Daten werden bisher nicht erfasst, können aber künftig Potenziale für eine Vielzahl von Anwendungsfällen bieten. Die Geschäftsführung, bestehend aus Kurt Wapler und seinen Söhnen Benno und Jakob Wapler, denkt hier schon länger in die Zukunft und möchte damit jetzt starten. Gemeinsam mit den Mittelstand-Digital Expert:innen Saskia Hutschenreiter und Benno Neumeister vom Fraunhofer IGCV wurden verschiedene Ansätze diskutiert.
Naheliegend ist die Möglichkeit, die Maschinen selbst flexibler, automatisierter und digitaler zu gestalten. Da sich Nutzungszwecke über Bäckereien hinweg, aber auch innerhalb einer Bäckerei stark ähneln (z. B. Brezen oder Körnersemmeln bestreuen), und auch einzelne Bestandteile der Anlagen immer wieder Anwendung finden (z. B. Förderbänder), bietet es sich an, künftig Standardprodukte ins Sortiment aufzunehmen. Bislang wird meist eine Maschine für ein Produkt verwendet. Neue Anlagen könnten modular konzipiert werden und dann vom Kunden selbst zusammengesetzt und ggf. auch vor Ort beim Kunden je nach Bedarf neu zusammengestellt werden. So lässt sich zum Beispiel eine Bestreuanlage durch den Austausch einzelner Module auch zum Langrollen von z. B. Körnerstangen verwenden.
Im Zuge dessen ließen sich in die Anlagen auch mehrere digitale Funktionen einbauen. Beispielsweise lassen sich über Sensoren und über die Anlagensteuerung eine Vielzahl von Daten sammeln, die beispielsweise für Anwendungsfälle wie die vorausschauende Wartung (engl. Predictive Maintenance) genutzt werden und damit Verschleiß oder Ausfälle ankündigen, bevor sie eintreten. Auch das Thema Ausschuss spielt eine Rolle. Weil zum Beispiel Teige in ihrer Konsistenz nicht immer genau gleich beschaffen sind, entsteht hin und wieder Ausschuss. Das können verformte Gebäckstücke sein, die bislang von Mitarbeitenden, die am Band stehen, händisch aussortiert werden. Eine kamerabasierte KI-Lösung kann hier Abhilfe schaffen und selbst erkennen, welches Gebäckstück außerhalb der Norm liegt. Auch Wiegemodule könnten hier Sinn machen. Ein Roboter-Greifarm oder beispielsweise eine Bodenklappe im Förderband kann das fehlerhafte Gebäckstück dann selbstständig aussortieren.
Für individuell konzipierte Anlagen sind solche Erweiterungen allerdings bislang zu teuer für die Kunden. Dennoch stehen auch diese vor einem beginnenden Fachkräftemangel, weshalb Automatisierungslösungen definitiv von Interesse sind. Mit einer festen Produktpalette würde sich der Aufwand für solche Entwicklungen seitens bmTEC eher lohnen und könnte so für Kunden in Zukunft erschwinglicher werden. Gerade bei KI-Lösungen ist der initiale Aufwand hoch, wenn die Systeme mit einer Vielzahl von Bilddaten auf bestimmte Produkte trainiert und auf ihre Verlässlichkeit überprüft werden müssen. Hier muss außerdem geklärt werden, wie groß später noch der individuelle Anpassungsaufwand auf die spezifischen Produkte des Kunden ist.
Eine Modularisierung bietet schließlich auch die Möglichkeit, z. B. Module für Unternehmen abseits der Backbranche zu entwickeln. Auch Schnitzel müssen in Frittieröl gebadet und Pizzen mit Käse bestreut werden.
In der gemeinsamen Potenzialanalyse wurden in Ideenworkshops auch neue Ansätze gesammelt, wie die bmTEC-Maschinen über die Backbranche hinaus Anwendung finden könnten. Lebensmittelnah bieten sich zum Beispiel Fast-Food-Ketten (Burger belegen, Wraps füllen und wickeln), Tiefkühlkost-Hersteller (Pizzen bestreuen, Fertiggerichte schichten) oder Airline Caterer (Gerichte zusammenstellen und verschließen) an. Abseits der Lebensmittelbranchen könnten Hebekipper in der Landwirtschaft, Sortiermaschinen in der Abfallwirtschaft oder Transport- und Wiegemodule zum Beispiel in der Pharma- und Kosmetikindustrie eine Rolle spielen.
Hier gilt es jeweils im Detail zu untersuchen, inwieweit die Märkte bereits gesättigt sind oder gegebenenfalls noch Marktanteile erschließbar wären. Anlagen mit hohem Automatisierungsgrad, unterstützt durch KI, könnten hier allerdings unter Umständen neue Mehrwerte liefern.
Neben den hier skizzierten Ideen wurden noch einige weitere im Projektteam diskutiert. Das Führungsteam von bmTEC wird diese im nächsten Schritt strukturieren und je nach Relevanz weiter konkretisieren. Das Ziel dabei: Als Traditionsunternehmen auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen, unter anderem durch Innovationen sowie neue Produkte und Services.
Der Geschäftsführer Florian Weishaupt weiß um die Vorteile von Digitalisierung für das Handwerk und treibt das Thema bereits seit einigen Jahren stetig voran. Über einen Podcast wurde er auf die Förderinitiative Mittelstand-Digital aufmerksam und bewarb sich für eine Potenzialanalyse in Augsburg – einmal, um sich Feedback zu bisherigen Digitalisierungsprojekten zu holen und außerdem, um Inspiration für weitere sinnvolle Lösungen zu erhalten. In mehreren Gesprächen vor Ort und online ging das Team mit den Mittelstand-Digital Expert:innen Annemarie Raber und Mario Luber vom Fraunhofer IGCV sämtliche Prozesse entlang der Auftragsabwicklung von der Kundenakquise bis zu Montage und Service durch. Dabei wurden die bereits geschaffenen Vorteile den noch ausschöpfbaren Potenzialen gegenübergestellt.
Mit dem ERP-System werden aktuell Kundendaten erfasst sowie Angebote, Nachkalkulationen und Rechnungen erstellt. Über die zugehörige App bzw. Browser-Version erfassen Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten über ihre privaten Smartphones und nutzen dort auch die Kalenderfunktion. Auf die Mitarbeitendenkalender wird zugegriffen, wenn es an die Kapazitäts- und Montageterminplanung geht. Die Kapazitätsgrobplanung für die Projekte und Termine geschieht allerdings über ein vom Geschäftsführer in einem gängigen Tabellen-Kalkulationsprogramm selbst entwickeltes Tool. Die Feinplanung folgt durch ein Nebeneinanderlegen aller Kalender in der eingesetzten ERP-Lösung, was schnell unübersichtlich und damit recht aufwändig ist. Zudem kommt es zu Synchronisationsproblemen mit den privaten Smartphones und Verzögerungen, was die Termindurchführung für die Schreinerinnen und Schreiner erschwert.
In den selbstentwickelten Lösungen werden neben der Kapazitätsplanung auch andere Bereiche abgedeckt: Es gibt eine Übersicht über den Lagerbestand von hochpreisigen Elektroartikeln und über das Tool wird sogar die Materialbeschaffung abgewickelt: Für Individualmöbel werden Infos aus der CAD-Konstruktionssoftware gezogen und über Makros automatisiert E-Mails an Lieferanten ausgeleitet, die die passende Teilebestellung enthalten.
Auch wenn schon viel mit den selbsterstellten Lösungen abgedeckt werden kann, gibt es einige Nachteile, die mit Blick in die Zukunft nicht unerheblich sind: Bei größeren Datenmengen hängt sich das Programm gelegentlich auf. Der Aufwand für Makro-Programmierung, Pflege des Programms und Betreuung der Anwendenden ist hoch und die Expertise liegt komplett bei einer Person. Schnittstellen zu anderen Programmen sind begrenzt, es gibt keine Berechtigungsverwaltung und eine parallele Nutzung mehrerer Mitarbeitender ist aktuell nicht möglich. Hinzu kommen weitere limitierende Faktoren wie der fehlende Schutz vor Falscheingaben, mögliche Datei-Überschreibungen (und damit Datenverluste) und ggf. mit der Zeit hohe verknüpfte Datenmengen. Die Arbeit der Erstellung war allerdings keinesfalls umsonst: Die Konzepte dahinter wurden über Jahre ausgetüftelt und bieten damit die ideale Grundlage, um einen passenden Softwareanbieter zu finden, denn Florian Weishaupt weiß genau, welche Funktionen nötig sind.
Was ist also noch ausbaufähig? Eine übersichtliche Kalenderlösung mit Schnittstelle zu einer Grob- und Fein-Kapazitätsplanung würde die Prozesse erheblich erleichtern. Eine digitale Plantafel mit allen Kalendern und offenen Aufträgen in einer Übersicht, die sich dann einfach per Drag & Drop zusammenführen lassen, wäre eine mögliche technische Lösung. Auch für das Küchenplanungs- und Konstruktionsprogramm bietet sich eine Schnittstelle zum ERP-System an, um Stücklisten und Materialkosten dort zu bündeln und hier dann auch die Materialbeschaffung abzuwickeln. Ergänzend dazu bietet sich an, nach dem Kanban-Prinzip Bedarfe nach Schüttgut bzw. Verbrauchsmaterialien durch Bar- oder QR-Codes auf den Kanban-Karten rückzumelden und dadurch Transparenz über den Beschaffungsstatus für alle zu schaffen.
Insgesamt lassen sich über einen Ausbau des ERP-Systems sowie Schnittstellen zu weiteren Softwarelösungen noch einige Verbesserungen in der gesamten Auftragsabwicklung erreichen. Hier stellt sich nun die Frage, ob das bisherige System überhaupt entsprechend ausgebaut werden kann oder eine andere Lösung vom Markt vielversprechender ist. Dann wiederum muss der Einführungsaufwand den aktuellen Problemen und dem erwarteten Nutzen gegenübergestellt werden.
Wenn feststeht, welche Funktionen benötigt werden, hilft zum Beispiel die Plattform www.digitalmeistern.de des Mittelstand-Digital Zentrums Handwerk. Hier findet sich eine Übersicht über Software speziell für das Handwerk. Über Kategorien und Fragebögen wird man zu möglichen Anbietern geleitet, die im Nachgang kontaktiert werden können. Wichtig dafür ist, eine möglichst genaue Anforderungsliste in die Gespräche mitzubringen, um auch wirklich die passende Software zu finden.
Florian Weishaupt beginnt nun mit der Verbesserung der Kapazitätsplanung, da der Schuh hier aktuell am meisten drückt. Danach wird er sich mit der Frage nach einem neuen ERP-System genauer auseinandersetzen, also in erster Linie abwägen, welche Funktionen nicht länger von der eigens entwickelten Lösung getragen werden können und wann sich der Umstieg lohnen würde.
Bildnachweis Titelbild: © Stefan Winterstetter
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Das Unternehmen pro-beam fertigt Bauteile vor allem für die Luft- und Raumfahrt oder Medizintechnik. Die Anforderungen an die Qualität sind entsprechend hoch. Bislang erfolgt die Qualitätssicherung manuell, unter anderem durch eine Sichtprüfung durch Mitarbeitende. Eine automatisierte Prüfung könnte die Mitarbeitenden entlasten. Die dafür benötigte elektronenoptische Aufnahmemöglichkeit (ähnlich eines Mikroskops, nur dass die Bildaufnahme hier mithilfe eines Elektronenstrahls erfolgt) ist bereits vorhanden und wird bei der Justage des Elektronenstrahls genutzt. In einer Potenzialanalyse mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg wurde dieser Use Case als vielversprechend für die Anwendung eines KI-Modells identifiziert. Im anschließenden Projekt mit dem Zentrum ging es an die Umsetzung eines Proof of Concept und die damit verbundenen zentralen Fragestellungen: Sind die Bilddaten für den Einsatz eines KI-Tools geeignet? Wie gut kann das Modell Fehler erkennen? Und lässt sich der Use Case auf andere Bauteilgruppen übertragen?
Für einen ersten Workshop besuchten die Mittelstand-Digital Experten Mario Luber vom Fraunhofer IGCV und Christopher Sobel vom Fraunhofer IIS das Team von Sachin Patel, Head of R&D Beam bei pro-beam. Zunächst ging es darum, einen passenden Use Case auszuwählen und zu konkretisieren. Bilder sind nicht die einzigen Daten, mit denen das Unternehmen bereits arbeitet oder die in Frage kommen. Auch Sensordaten könnten beispielsweise für eine automatisierte Qualitätsprüfung oder eine automatisierte Zustandsüberwachung der Maschine und deren Komponenten wie Verschleißteile, z. B. die Kathode, genutzt werden. Die Daten sind dafür zwar größtenteils bereits vorhanden, müssten allerdings erst noch umfassend gelabelt, d. h. um Zustandsinformationen erweitert werden. Die Auswahl fiel auf die bildbasierte Qualitätsprüfung, da hier der größte Nutzen (Sicherstellung einer hohen Qualität bei gleichzeitiger Zeitersparnis durch weniger manuelle Tätigkeiten sowie die Möglichkeit einer Prüfung im Vakuum-Bauraum) und eine schnelle Umsetzung eines Proof of Concept (Vorhandensein der Ausstattung für die Bilderzeugung und eine schnelle Test-Datenerfassung) in Aussicht standen.
Obwohl die elektronenoptische Bildaufnahme bereits für die Positionierung und Erkennung der zu schweißenden Fuge im Einsatz ist, wird diese bisher nicht genutzt, um Bilder der Schweißnaht aufzunehmen und zu speichern. Daher musste im ersten Schritt in die Maschinensteuerung integriert werden, dass Bilder nach dem Schweißvorgang aufgenommen und in einer Datenbank mit Zeitstempel und Auftragsnummer abgespeichert werden. Danach startete die Phase der Trainings- und Testdatensammlung. Innerhalb von zwei Monaten konnten 135 Bilder baugleicher Bauteile für das Training des KI-Modells gesammelt werden. Da allerdings kein Fehler dabei war, mussten für den anschließenden Test der KI-Modelle noch zusätzlich synthetische Fehlerbilder, die möglichst realistisch sind, erzeugt werden. Diese künstliche Erweiterung des Trainingsdatensatzes wird auch Data Augmentation (Datenerweiterung) genannt.
Im Anschluss ging es an die Datenauswertung der Trainingsdaten mithilfe von drei verschiedenen KI-Verfahren: Autoencoder, PADIM und EfficientAD. Der Fokus lag auf der Anomalie-Erkennung, nicht auf der Klassifikation des Fehlerbilds. Bei der Anomalie-Erkennung wird das Modell mit Bildern von Bauteilen trainiert, die keine Fehler aufweisen (i.O.). Bei einer Klassifikation werden hingegen auch Fehlerbilder im Training verwendet.
Mithilfe der Trainingsdaten wurde das KI-Modell trainiert und im Anschluss auf den Testdatensatz angewendet. Durch Bewertung der KI-ermittelten Prüf-Ergebnisse anhand von Testdaten ließen sich die Modelle hinsichtlich ihrer Genauigkeit (Accuracy) im Detektieren von Anomalien bewerten. Das Ziel neben einem hohen Accuracy-Wert war außerdem, die Rate von falsch positiven – sprich fehlerhaften Bauteilen, die fälschlich als i.O. erkannt werden – möglichst gering zu halten. Es zeigte sich: Während der Autoencoder in diesem Fall kein geeignetes Verfahren darstellte, da er die Anomalien nicht ausreichend erkennen konnte, erwiesen sich die anderen beiden, vor allem EfficientAD, im Rahmen des Proof of Concept als zuverlässig, um Bilder mit Fehlern zu identifizieren. Die Werte zeigten außerdem, dass die 135 Bildaufnahmen ausreichend für ein valides Training mit anschließendem Test der KI-Verfahren waren.
Schließlich lässt sich festhalten: KI eignet sich für die automatisierte bildbasierte Qualitätsprüfung und kann den Aufwand einer manuellen Sichtprüfung reduzieren. Nach Überführung in den produktiven Einsatz müssen Mitarbeitende künftig nur noch Bauteile mit unsicherem Anomaliewert manuell prüfen.
Das KI-Tool ließe sich damit erfolgreich auf eine Großserie anwenden. Im nächsten Schritt musste das Modell mit echten Fehlerbildern getestet werden, um valide Ergebnisse sicherzustellen. Hierzu arbeitet pro-beam aktuell in einem Projekt mit Christopher Sobel aus dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg zusammen. Danach stellt sich die Frage der Übertragbarkeit auf andere Bauteile, insbesondere auf Kleinserien und „Exoten“, für die kein spezifisches vorheriges Training möglich ist. Hier muss also getestet werden, wie zuverlässig durch das bereits trainierte KI-Modell auch dort Anomalien erkannt werden können. Außerdem steht auf dem Plan, die Mitarbeitenden von pro-beam darin zu schulen, die KI-Verfahren selbst anzuwenden und beispielsweise Bilddaten entsprechend vorzubereiten, um künftig in möglichst vielen Bereichen selbstständig ähnliche KI-Tools einsetzen zu können.
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Thorsten Ludwig beschäftigt drei feste und sieben freie Mitarbeitende, die den Online-Handel abwickeln und das Ladengeschäft in Dießen am Ammersee betreuen. In Sachen Digitalisierung allgemein sind sie schon recht weit fortgeschritten. 2020 wurde Sole Runner für den Multi-Channel-Vertrieb über mehrere Online-Shops und -Plattformen, das integrierte Warenwirtschaftssystem sowie das weitestgehend papierlose Büro mit der Auszeichnung „Digitaler Champion im bayerischen Einzelhandel“ geehrt. Auf das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg ist Gründer und Inhaber Thorsten Ludwig über das Thema Finanzen 4.0 aufmerksam geworden. Hier gibt es noch Handlungsbedarf, da finanzielle Transaktionen in das nicht-europäische Ausland nach wie vor über das deutsche Bankinstitut getätigt werden, was hohe Kosten verursacht.
Auslandstransfers über das deutsche Bankinstitut sind deshalb teuer, da auf dem traditionellen Weg bis zur indischen Ziel-Bank oftmals sogenannte Korrespondenzbanken dazwischengeschaltet sind, die alle eigene Gebühren für die Weiterleitung des Geldes verlangen. Besser wäre es, einen Dienstleister zu finden, der beispielsweise über kürzere und intelligente Routen Gebühren einspart oder über Multiwährungskonten direkt in indischen Rupien nicht nur Wege, sondern auch Wechselgebühren spart. Besonders wichtig sind dabei für Sole Runner neben den Kosten die folgenden Faktoren: Schnelligkeit, Transparenz und Sicherheit.
Mit dem Ziel, Anbieter zu identifizieren, die diesen Faktoren gerecht werden, entwickelten die Mittelstand-Digital Expert:innen Dr. Stephan Weber und Simone Sauerwein von ibi research gemeinsam mit dem Sole-Runner-Inhaber Thorsten Ludwig einen detaillierten Kriterienkatalog. Die Leitfragen „Welche Informationen sind notwendig, um eine Bewertung durchführen zu können?“ und „Was ist besonders wichtig?“ führten zu einer langen Liste an Faktoren, die wiederum in die Kategorien „zwingend“ und „optional“ eingeteilt wurden. Für Herrn Ludwig ist zum Beispiel von zentraler Bedeutung, einen direkten persönlichen Kundensupport – keinen Online-Chat-Bot – zu haben, ein geringes Risiko einzugehen und möglichst transparent über die Vorgänge und damit verbundenen Kosten des Dienstleisters informiert zu werden.
Aus über 40 identifizierten potenziell in Frage kommenden Anbietern filterten die Expert:innen in einem ersten Durchgang alle heraus, die beispielsweise nur Privatkunden betreuen, Indien als Zielland nicht im Portfolio haben oder keinen deutschsprachigen Kundensupport bieten. Im nächsten Schritt wurde weiter aussortiert: Welche weisen genügend Auskunft über die anfallenden Kosten aus? Wie sind die geschätzten Ausführungszeiten? Wo ist der Sitz des Anbieters, wie alt ist dieser und wie viele Kunden werden betreut? Werden Multiwährungskonten angeboten und wann fallen Umrechnungskosten an? So blieben am Ende sechs Dienstleister übrig, die es sich nun lohnt, noch genauer unter die Lupe zu nehmen und beispielsweise Termine mit Vertreter:innen des Anbieters zu vereinbaren oder die AGB genauer zu studieren.
Im finalen Schritt folgt dann der Test. Das bedeutet, bei einem oder zwei der ausgewählten Anbieter einen Account bzw. ein Konto zu eröffnen und mit kleineren Beträgen Transaktionen durchzuführen, um überprüfen zu können, ob Geschwindigkeit, Transparenz und vor allem Kosten den Erwartungen entsprechen. In diesem Zuge kann Herr Ludwig auch direkt den Kundensupport, der ihm besonders wichtig ist, auf Herz und Nieren prüfen.
Es ist aus Risiko- und Sicherheitsgesichtspunkten sinnvoll, den neuen Anbieter erst einmal für kleinere Beträge zu nutzen und größere Transaktionen wie bislang über das deutsche Bankinstitut abzuwickeln. Thorsten Ludwig ist bereit das Thema anzupacken: „Auch wenn dieser Schritt erst einmal Aufwand bedeutet, ist er angesichts steigender Produktionskosten und einer volatilen Marktsituation in der heutigen Zeit ein wichtiger Faktor für die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens.“
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Im Jahr 2022 erlangte MODELLTECHNIK bereits die Zertifizierung des Energiemanagements nach DIN EN ISO 50001:2018. Obwohl mit externer Hilfe bereits ein Energiebericht erstellt wurde und intern ein Energiemanager ausgebildet wird, steht das Unternehmen beim Ausbau der kontinuierlichen Erfassung von Energieverbräuchen noch recht am Anfang. Stromverbräuche werden beispielsweise bislang erst über die viertelstündliche Aufgliederung in der Abrechnung vom Lieferanten erfasst, was keine detaillierten Schlussfolgerungen zu den genauen Verursachern von Energieverbräuchen zulässt.
Im ersten Schritt stehen erst einmal das Konzept und die Planung eines Energiemonitorings und Energiemanagement-Systems an. Mit diesem Vorhaben wandte sich Dominik Völzke, Leiter Qualitätsmanagement und Beauftragter für das Energiemanagement bei MODELLTECHNIK, an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Zum Start der Potenzialanalyse besuchten die Mittelstand-Digital Expert:innen Dr. Andrea Hohmann, Stefan Roth und Vincent Kalchschmid vom Fraunhofer IGCV das Unternehmen für einen ersten Workshop vor Ort. Dabei wurde dem Team – bestehend aus Verantwortlichen aus Produktion, IT und Marketing – erklärt, was es mit einem Energiemanagement-System auf sich hat, welchen konkreten Nutzen es liefert und welche Fragestellungen am Anfang relevant sind. Beispiele dafür sind:
In den Workshops mit dem Zentrum wurden drei wesentliche Vorhaben identifiziert. Einmal soll der jährliche Audit-Bericht künftig mit konkreten und verlässlichen Messwerten untermauert werden. In diesem Zuge soll auch ein detailliertes, laufendes Reporting erfolgen, das wiederum die Ermittlung von produktspezifischen Treibhausgas-Emissionswerten ermöglicht. Und schließlich – der voraussichtlich größte Teil des Vorhabens – sollen Maßnahmen zur Reduktion ergriffen werden. Zusammen kommen all diese Vorhaben in einem zentralen Energiemanagement-System. Hier werden Verbräuche sowie eine geplante Eigenerzeugung von Strom erfasst, analysiert, für Berichte aufbereitet und als Basis für Reduktionsmaßnahmen genutzt.
Einer der ersten Ansatzpunkte, wenn es um die Reduktion von Verbräuchen geht, ist das Senken der Grundlast. Das bedeutet, dass der maximale konstant anliegende elektrische Leistungsbedarf, also der Grundstock des Stromverbrauchlastgangs, durch geeignete Maßnahmen reduziert wird. Die Vermeidung unnötiger Verbräuche wie das Heizen und Lüften am Wochenende oder über Nacht durchlaufende Aggregate und die Umstellung der Beleuchtung auf effiziente LED-Technologie sind erste Ansatzpunkte, die viel Wirkung zeigen.
Als einer der größten Kostenfaktoren wurden außerdem Lastspitzen identifiziert. Bei der vielfältigen Anlagen-Landschaft, die sich durch die Breite des Technologieportfolios bei MODELLTECHNIK ergibt, können durch gleichzeitigen Abruf großer elektrischer Leistungen Lastspitzen entstehen. Auch wenn es nur selten dazu kommt, sind diese aufgrund der Leistungspreiskomponente des Strompreises teilweise mit hohen Kosten verbunden, denn an ihnen orientieren sich die Netzentgelte für die gesamte Abrechnungsperiode. Ein Energiemanagement-System hilft in erster Linie zu verstehen, warum es zu einer Lastspitze kommt. Wurden große Anlagen nicht ausreichend koordiniert genutzt? Wann und warum kam es dazu? Im nächsten Schritt unterstützt es bei der strategischen Planung, um die Nutzung dieser Anlagen optimiert zu planen.
Schließlich ist die Erhöhung der Eigenerzeugungsquote ein erfolgsversprechender Faktor. Eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Produktionshalle, deren Strom gezielt genutzt wird, bietet mehrere Vorteile: Beispielsweise können energieintensive Anlagen vor allem dann betrieben werden, wenn die Sonne scheint und die Eigenerzeugungsquote hoch ist – natürlich sofern das Auftragsvolumen dies zulässt. Außerdem handelt es sich dabei dann um grünen Strom, der gegenüber konventionellem Netzstrom (gemäß deutschem Strommix) bessere Emissionswerte aufweist. Dominik Völzke sieht hier auch einen Trend bei den Kunden: „Ich gehe davon aus, dass vor allem der Automobilbau in den nächsten Jahren in seiner Lieferkette konkrete Kennzahlen erwartet. Wenn wir die Zahlen dann nicht nur stichhaltig ausweisen können, sondern diese auch noch nachhaltig sind, bringt uns das am Markt natürlich einen Vorteil. Weitere Branchen werden bestimmt folgen“.
Sobald die Ziele und Anforderungen an das System definiert sind, geht es an die Entwicklung oder Beauftragung des Systems und die Integration der Messstellen. In einem Produktionsrundgang wurde die Infrastruktur auf erste Ansatzpunkte für Messstellen begutachtet. Je umfangreicher die Analysen innerhalb eines Berichts sein sollen, desto mehr Messstellen werden benötigt. Messungen können beispielsweise über Direktmessungen in den Kabeln erfolgen, was allerdings das Trennen der Stromversorgung erforderlich macht und dementsprechend im laufenden Betrieb nicht immer möglich ist, oder über eine sogenannte Wandlermessung außen am Kabel. Je nach Stromstärke (gemessen in Ampere) sind dafür unterschiedliche Komponenten nötig.
Die verbauten Zähler müssen dann wiederum mit dem System kommunizieren. Viele der geplanten Messstellen sind im Unternehmen bereits über LAN-Buchsen erschlossen und können so über bestimmte Protokolle kommunizieren. Das erleichtert die Anbindung ans System später enorm. Hier wird MODELLTECHNIK nun ansetzen, um in naher Zukunft ein Energiemanagement-System an den Start zu bringen, das gleich mehrere Potenziale mit sich bringt und die erstrebten Nachhaltigkeits- und Umweltziele im Energiemanagement greifbar macht.
Sie möchten in Ihrem Unternehmen auch ein Energiemanagement-System einführen? Im Rahmen der Initiative Mittelstand-Digital entwickeln die Partner der beiden Mittelstand-Digital Zentren in Augsburg und Chemnitz im Projekt EILE (Energiewissen und InteLligente AnwEndung) ein generisches Vorgehensmodell für die Einführung und Nutzung eines nachhaltigkeitsorientierten Energiemanagement-Systems.
Das Unternehmen STENDER aus Wangen im Allgäu übernimmt als Dienstleister die technische Dokumentation gemäß Standards und Normen zum Beispiel für Maschinen, Anlagen und technische Produkte. Beispielsweise werden bestehende Anleitungen von Maschinen überarbeitet, neu recherchiert, vor Ort überprüft und als normierte, digitale Dokumentation – oder auch als interaktive Hilfe z. B. für Tablets – neu erstellt.
Christian Wallner, Leiter Operations bei STENDER, hat künstliche Intelligenz schon länger auf dem Fahrplan. Die Mittelstand-Digital Experten Martin Gottwald und Alexandros Tsakpinis von fortiss unterstützen bei der Konkretisierung, also was jetzt schon umgesetzt werden kann und wo der Start sinnvoll ist. Dabei soll als erster Schritt der Schreibprozess der Technischen Redakteur:innen von einer KI unterstützt werden.
Aufgrund der über 80-jährigen Firmengeschichte ist schon eine große Datenbasis an technischer Dokumentation intern vorhanden: historische Datensätze, die aufgrund der Normung bereits ähnlich in Kategorien und thematischen Textblöcken aufbereitet sind.
Dass die künstliche Intelligenz die Texte zu neuen Produkten von Kunden komplett selbst erstellt, ist in näherer Zukunft nicht realisierbar. Dafür sind die Produkte viel zu speziell, zu komplex und deren Eigenschaften sehr herstellerabhängig. Dafür ist ein umfangreiches Wissen und Expertise nötig.
Was aber jetzt schon geht: Die KI kann über eine intelligente Suchfunktion die Anforderungen der neuen Dokumentation erkennen und Textblöcke vorschlagen, indem sie für eine neue Aufgabe mithilfe eines sogenannten Clustering-Algorithmus ähnliche Inhalte und Formulierungsvorschläge für die Neuerstellung liefert.
Der Vorteil von einem solchen semi-automatisierten Tool: Technische Redakteur:innen erhalten Inspiration und Beispielabsätze aus vorhandenen Anleitungen und können selbst entscheiden, welche Vorschläge aus dem Tool geeignet sind, also welche sie verwenden und anpassen wollen. Die Suche wird damit effizienter und deutlich erleichtert. Die Kontrolle und schöpferische Tätigkeit liegt aber weiter bei den Mitarbeitenden, betont auch Christian Wallner.
In Workshops von den Mittelstand-Digital Experten gemeinsam mit Herrn Wallner, Mitarbeitenden aus der Software-Entwicklung und Technischen Redakteur:innen wurden folgende Schritte für die Umsetzung festgelegt:
Schritt 1: Infrastruktur aufbauen
Schritt 2: Erstellung des KI-Tools und Test
Schritt 3: Dokumentation und Roll-Out
Aktuell arbeitet die STENDER GmbH an der Konkretisierung der Konzepte. Parallel werden die erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen weiter angepasst. Dann steht einer zeitnahen Umsetzung nichts mehr im Wege.
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In zwei Produktionshallen fertigen insgesamt 80 Mitarbeitende der Firma Matulka electronic GmbH teils automatisiert, teils manuell Elektronikkomponenten und Platinen beispielsweise für große Automobilhersteller. Seit einigen Jahren zum Teil auch digital unterstützt: Arbeitsplätze wurden mit PCs ausgestattet, an denen technische Zeichnungen abgerufen, Auftragszeiten gebucht und Informationen zu Aufträgen hinterlegt werden können.
Für die nächsten Schritte wandte sich die Produktionsleiterin Martina Schur-Reinhold an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Schnell war klar: Aufgrund der guten Auftragslage besteht nur sehr wenig Zeit, um Änderungen einzupflegen. Die Mittelstand-Digital Expertinnen Maria Maier und Olivia Bernhard vom Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München entwickelten deshalb nach einem Vor-Ort-Besuch und Workshops mit der Geschäftsführung und Produktionsleitung einen Quick-Wins-Plan, bei dem kleine Veränderungen ohne großen Aufwand, aber mit großer Wirkung, Schritt für Schritt mehr Zeit für tiefgreifendere Änderungen frei räumen.
Zu diesen Quick Wins gehört vorneweg das Einführen der 5S- oder auch 5A-Methodik. Die aus dem japanischen Toyota-Produktionssystem stammenden fünf Maßnahmen schaffen Ordnung und Struktur an Arbeitsplätzen, um störungsfreie Arbeitsabläufe zu ermöglichen – und dadurch Transportwege, Warte- und Suchzeiten einzusparen oder auch Fehler zu reduzieren. Dazu gehören: Aussortieren, Aufräumen (Arbeitsmittel anordnen), Arbeitsplatzsauberkeit, Anordnung standardisieren und alle Regeln dauerhaft einhalten und verbessern. Bei Matulka können mithilfe der Methodik Arbeitsplätze zeitsparend umorganisiert werden – und das in kleinen Schritten.
Ein weiterer Quick Win ist die Strukturierung der Kommissionierwägen. Hier kommt es oft zu Suchzeiten beim Rüstvorgang, wenn passendes Material auf dem Wagen gesucht werden muss. Idealerweise werden die Rüstpläne digitalisiert und im Lager dazu genutzt, die Rollwägen nach den Bedarfen der Rüster:innen strukturiert in festgelegten Ebenen und Fächern zu bestücken. In einem nächsten Schritt sollten die Rollwägen in der schon vorhandenen Software als Lager mit definierten Plätzen angelegt werden und damit jedem Stück ein fester Platz gegeben werden. Die Rüster:innen können dann mit einer digitalen Anzeige der Artikel noch besser unterstützt werden.
Die beiden Quick Wins sind darauf ausgelegt, mit relativ wenig Aufwand Potenziale zu heben und so Zeit einzusparen. Als größere Digitalisierungsprojekte bieten sich danach vor allem zwei Bereiche an: ein visuelles Shopfloor Management für die Produktionsorganisation und ein digitales Fehlermanagement für die Qualitätskontrolle.
Was in der Produktionsplanung bisher vor allem zu Beginn der Schicht über Sichtkontrolle und Excel-Pläne geschieht, sollte für mehr Transparenz über Status und Ort aller Aufträge in einem digitalen System gesammelt und visuell dargestellt werden. Aufträge können so passgenauer priorisiert und damit die Liefertermintreue erhöht werden. Sie können mit ihrer Auftragsnummer in einem digitalen Hallenlayout einem Bereich wie „Manuelle Fertigung“ oder „Qualitätskontrolle“ räumlich zugeordnet werden, ihr Fortschritt in kleinen Kreisdiagrammen (sogenannten Harvey Balls) angezeigt und ihre Priorität z. B. über farbliche Markierung angegeben werden.
In der Qualitätskontrolle kann es zu Liegezeiten kommen, denn jedes Teil wird getestet. Aufträge können auch mal mehrere Tausend Stück umfassen und hier geht aktuell alles nach dem FIFO-Prinzip: Aufträge werden in der Reihenfolge abgearbeitet, in der sie dort ankommen. Eine digitale Übersicht über die Aufträge könnte helfen, anzuzeigen, wie viele Tage der Auftrag bereits dort wartet, wie viele Teile zu bearbeiten sind und wie viele Tage bis zur Auslieferung bleiben. Aufträge, die beispielsweise weiter hinten eingereiht sind, aber nur wenige Teile umfassen und gleichzeitig Zeitdruck zur Auslieferung haben, könnten dann vorgezogen werden. Auch würde es langfristig Sinn machen, Fehlerbilder strukturiert zu erfassen und so beispielsweise Muster aufzudecken, um die Ursachen gezielt beheben zu können.
Für Matulka steht nun zuerst auf dem Plan, die Quick Wins anzugehen und sich auf die größeren Projekte vorzubereiten. Der Start selbst kann schnell zur größten Herausforderung werden, wenn das Tagesgeschäft boomt. Dennoch lohnt es sich: Das Identifizieren von Quick Wins bringt, wie der Name schon sagt, sehr schnell sichtbare Ergebnisse, wenn auch erst im Kleineren.
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Nach der Teilnahme an einem Webinar zu Industrie 4.0 wandte sich der Lean- und Digitalisierungs-Manager Udo Dentler an das Projekt-Team des Mittelstand-Digital Zentrums Augsburg. Die Mittelstand-Digital Expert:innen Annemarie Raber und Florian Karg vom Fraunhofer IGCV besuchten iPEK vor Ort. Im Rahmen einer Potenzialanalyse wurden in einer Werksführung, in Gesprächen und Workshops mit dem Ansprechpartner und Fachkräften aus der Produktion verschiedene Ansatzpunkte identifiziert. Zwei vielversprechende Anwendungsfälle: die Auftragsverfolgung und das Prüfprotokoll.
Aktuell läuft ein Auftrag mit mitlaufendem Auftragszettel durch die Produktion. Die acht- bis 16-stelligen Seriennummern der einzelnen Komponenten werden auf dem Zettel handschriftlich notiert und später vom Meister abgetippt. Sobald Informationen handschriftlich auf Papier notiert werden, kann es passieren, dass Zahlen falsch aufgeschrieben oder später fehlerhaft abgetippt werden, ein Zettel verschmutzt oder in Ausnahmefällen verloren geht.
Eine digitale Auftragsverfolgung kann Abhilfe schaffen. Ein großer Vorteil für iPEK: Das Unternehmen arbeitet bereits mit einem ERP-System und auch die einzelnen Bauteile verfügen größtenteils schon über Barcodes vom Lieferanten, die im ERP-System hinterlegt werden können. Mittels eines „digitalen Auftragszettels“ – also einer digitalen Auftragsakte – kann dann jeder Auftrag digital mit Auftragsnummer und mit Infos wie Seriennummern einzelner Komponenten oder dem nächsten auszuführenden Arbeitsschritt hinterlegt werden. Auch das fertige Endprodukt verfügt schließlich durch die systematische Zusammenführung hinter einem Code über alle relevanten Infos.
Beim Prüfprotokoll verhält es sich ähnlich: Einzelne Prüfwerte werden an den verschiedenen Stationen handschriftlich im Prüfprotokoll oder vereinzelt auf Klebezetteln vermerkt. Aktuell wird schon an einem digitalen Prüfprotokoll gearbeitet. Wenn dann später auch die Zusammenführung der Komponenten durchgehend digital abgebildet wird, kann das Prüfprotokoll direkt integriert werden und die Informationen auch über den Produkt-Barcode oder -QR-Code ausgelesen und beschrieben werden.
Die Digitalisierung bietet an dieser Stelle noch weitere Vorteile: Die gesammelten Informationen zum Produkt wie verbaute Komponenten oder Prüfwerte sind auch später noch aufrufbar und an einem Ort gebündelt, falls Fragen auftauchen oder im Falle einer Reklamation. Durch das Hinzufügen von Zeitstempeln können außerdem viele Daten über Aufträge gesammelt werden, die später für eine Optimierung der Auftragsplanung herangezogen werden können. Gerade wenn das Unternehmen weiterwachsen wird, wird eine effiziente Produktionsplanung immer wichtiger.
Generell ist die Belegschaft von iPEK offen gegenüber Neuerungen. In regelmäßigen Workshops werden bereits kleinere Arbeitsplatzveränderungen beschlossen und umgesetzt. Trotzdem ändert die Einführung einer digitalen Auftragsakte einige gefestigte Prozesse, weshalb auch das Thema Changemanagement in den Fokus rückt. Frühzeitig sollte daher über das Vorhaben informiert werden und die Anforderungen der Mitarbeitenden stets einbezogen werden, wenn es um die Umgestaltung der damit verbundenen Prozesse geht. Udo Dentler ist sich sicher: „Ich vertraue hier auf meine Kolleginnen und Kollegen. Bei allen unseren Projekten wurden immer großartige Ideen eingebracht. Bestimmt können wir in diesem Projekt gemeinsam viele Potenziale heben und so den nächsten Schritt in die Zukunft gehen!“.
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