In dem Unternehmen aus dem Bereich Elektronikentwicklung und -fertigung sind mehr als 120 Mitarbeitende beschäftigt, die unter anderem daran arbeiten, ihre Kunden mit Kamerasystemen auszustatten. Diese werden für die Erkennung von Objekten, auch Objektdetektion genannt, verwendet. Im industriellen Umfeld können diese zum Beispiel an Gabelstaplern angebracht und dafür genutzt werden, um Personen zu erkennen und so Arbeitsunfälle zu verhindern. Hierfür wird Künstliche Intelligenz eingesetzt, wobei viele Daten benötigt werden, um das KI-Modell auf deren Grundlage zu trainieren.
Diese Daten sind bei Solectrix zwar vorhanden, zum Beispiel von Baustellen, allerdings müssen diese aufwändig annotiert werden – ein wichtiger Schritt im Prozess für die Objektdetektion. Bei der Annotation werden den Daten Kontext-Informationen hinzugefügt, die für das Training des KI-Modells entscheidend sind. Im konkreten Fall der Bildannotation bedeutet dies das Markieren und Beschriften von Objekten innerhalb eines Bildes.
Manuelles Annotieren, also die händische Bearbeitung durch eine Person, ist sehr kostspielig und zeitaufwändig. Daher hatte das Unternehmen eine klare Fragestellung, die es im Rahmen des Projekts mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg angehen wollte: Wie können wir die manuelle Annotation von Bilddaten effizienter gestalten?
Die Idee bestand darin, zu recherchieren, welche Tools zur automatischen Annotation existieren. Vier verschiedene Tools hat Mittelstand-Digital Experte Christopher Sobel vom Fraunhofer IIS im Team getestet und evaluiert, um herauszufinden, wie gut sie im Vergleich zur menschlichen Annotation abschneiden. Das konkrete Problem, das gelöst werden sollte, war die Verbesserung der Effizienz und der Genauigkeit der Bilddatenannotation. Da die Qualität der Annotation einen großen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der späteren KI-Modelle hat, ist es umso wichtiger bei der Auswahl des geeigneten Tools sorgfältig vorzugehen.
Für die Datensammlung wurden zu Beginn mehrere Videos in der L.I.N.K. Testhalle am Fraunhofer IIS Standort Nürnberg aufgenommen. Um eine möglichst realistische Datengrundlage zu erfassen, waren dabei die Kameras an einem Gabelstapler angebracht und es wurden verschiedene Szenarien dargestellt: Die Beleuchtung in der Halle wurde an- und ausgeschaltet, der Gabelstapler bzw. die Personen haben sich bewegt oder sind gestanden oder Personen wurden durch andere Objekte verdeckt.
Nach der Datenaufnahmen folgte im nächsten Schritt die manuelle Annotation. Dazu wurden einige tausend Frames (Bilder) händisch gelabelt. Dies wird gemacht, um sogenannte Ground Truth Daten zu erzeugen. Diese Daten sind die tatsächlichen, beobachteten Daten, die als verlässliche Referenz für die Vorhersagen des Modells dienen. Die Annotation erfolgte mithilfe eines Tools, bei dem manuell sogenannte Bounding Boxes um die Personen gezogen und die entsprechenden Klassen zugewiesen wurden.
Im Vergleich dazu wurde mit sogenannten Zero-Shot-Modellen gearbeitet. Diese Modelle erfordern kein Training und können sofort verwendet werden. Sie verstehen natürliche Sprache und identifizieren Objekte auf einem ungelabelten Bild anhand deren textueller Beschreibung (z. B. Mensch, Hund, …). Das Ergebnis ist eine Bounding Box um das erkannte Objekt. Während die manuelle Annotation 40 Stunden in Anspruch genommen hat, konnten die getesteten Zero-Shot-Modelle dies in 2 bis 20 Minuten erledigen.
Um die Modelle bewerten zu können, kamen Metriken zum Einsatz, unter anderem die „Intersection over Union“ (IoU). Diese bestimmt die Genauigkeit der Modelle, indem die Ground Truth Daten mit der Vorhersage des Modells verglichen werden. Ein höherer IoU-Wert deutet demnach auf eine bessere Übereinstimmung hin. Die Ergebnisse der Tests zeigen, dass die automatische Annotation eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der manuellen Bilddatenannotation darstellt.
Im nächsten Schritt wurden YOLO-Modelle, die der Echtzeit-Objekterkennung dienen, sowohl mit den auto-annotierten Daten als auch mit dem Ground Truth-Datensatz trainiert. Diese Modelle wurden dann auf einem vorab definierten Testdatensatz verglichen, um zu bewerten, wie sich die Qualität der automatischen Annotation auf die Leistung der trainierten YOLO-Modelle auswirkt.
Die Ergebnisse zeigen: Die automatische Annotation von Bilddaten ist effektiv. Die sogenannte „mean average Precision“ (mAP) der mit automatisch annotierten Bilddaten trainierten YOLO-Modelle war im besten Fall nur um 7 % geringer als die des mit Ground Truth Daten trainierten Modells. Es gibt also geringfügige Einbußen bei der Performance, jedoch eine signifikante Zeitersparnis beim Annotieren der Daten um den Faktor 120. Dies macht den Ansatz besonders wertvoll für Unternehmen, die große Mengen an Bilddaten verarbeiten müssen, jedoch nicht über die Ressourcen verfügen, die überwältigenden Mengen an Daten manuell zu annotieren.
Der Handwerksbetrieb aus Gersthofen, der seit 1984 auf Kälte- und Klimatechnik spezialisiert ist, hat sich im Laufe der Jahre stark weiterentwickelt. Mit einem Team von 26 Mitarbeitenden hat sich nicht nur die Anzahl der Beschäftigten erhöht, sondern auch das erforderliche Fachwissen vervielfacht. Abhängig vom Hersteller, dem Einsatzumfeld oder auch der Größe des Kühlsystems variieren die Anforderungen an Montage und Wartung. Vor allem jüngere Mitarbeitende setzen dabei auf das wertvolle Wissen und die Erfahrung der älteren Kolleg:innen und greifen schnell zum Telefon. Insbesondere da sich die ältere Generation allmählich in den Ruhestand begibt, stellen diese Entwicklungen das Unternehmen vor neue Herausforderungen. So ist der Wunsch nach der Implementierung eines Chatbots entstanden. Er soll eine zukunftsfähige Lösung sein, welche den Wissensaustausch fördert und den Mitarbeitenden jederzeit zur Verfügung steht.
Welche Vorteile die Digitalisierung der Unternehmensprozesse mit sich bringt, haben die beiden Geschäftsführer, Dominik Wildner und Dominik Stark, bereits erkannt. In den letzten Jahren haben sie eine breite Systemlandschaft aufgebaut, die die Abläufe in verschiedenen Abteilungen unterstützt. So nutzen sie nicht nur handelsübliche Cloud-Lösungen für die Ablage von Bedienungs- und Montageanleitungen, sondern beispielsweise auch ein Ticket-System für die Personaleinsatzplanung, ein CRM-System für das Kundendatenmanagement oder ein ERP-System. Doch die Geschäftsführer möchten mehr – sie wollen „den KI-Zug nicht verpassen“ und haben sich Unterstützung aus dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg geholt.
Die Mittelstand-Digital Expertin Saskia Hutschenreiter und der Mittestand-Digital KI-Trainer Sebastian Maier haben im Unternehmen eine Potenzialanalyse durchgeführt und dabei einen tiefen Blick in die Systemlandschaft des Betriebs geworfen. Sie fokussierten sich dabei vor allem auf die wichtigste Anforderung eines Chatbots: eine passende Datengrundlage. Hier mussten die Expert:innen die beiden Geschäftsführer auf den Boden der Tatsachen zurückbringen. Aktuell liegen die Daten über verschiedene Systeme verteilt und es besteht für die Monteur:innen keine einheitliche Dokumentationspflicht, wie sie beispielsweise beim Beheben von Fehlern in der Montage sinnvoll wäre, um bei einem erneuten Auftreten des Problems direkt eine Lösung parat zu haben. So haben die Expert:innen basierend auf ihren Erkenntnissen in mehreren Gesprächen im Betrieb vor Ort und online aufgezeigt, wie eine geeignete Roadmap auf dem Weg in ein smarteres Wissensmanagement aussehen kann. Ziel ist es, zunächst eine geeignete Datenschnittstelle zu schaffen, anschließend eine zentrale Datenbank aufzubauen und so schlussendlich ein KI-System aufzusetzen, auf welchem der Chatbot aufbauen kann.
Der erste Schritt (Schaffen der Datenschnittstelle) bildet die Grundlage für die Integration der verschiedenen Systeme und Dateiablagen. Hierbei werden die bestehenden Datenquellen analysiert, um herauszufinden, welche Daten für den Anwendungsfall überhaupt von Bedeutung sind. Außerdem muss geprüft werden, welche Schnittstellen schon zur Verfügung stehen, um hier Mehraufwand zu vermeiden. Auch Implementierungsdauer und -kosten gilt es abzuwägen.
Im zweiten Schritt (Aufbau der zentralen Datenbank) wird die zentrale Datenbank eingerichtet. Hier boten die Expert:innen zwei Ansätze zur Auswahl an: relationale oder graphbasierte Datenbanken. Während relationale Systeme gut für komplexe Filterungen oder Datenaggregationen geeignet sind (z. B. „Liste mir alle Hersteller und deren Preislisten für Kühlanhänger auf.“), bieten graphbasierte Lösungen intuitivere Möglichkeiten, um zusammenhängende Informationen zu suchen (z. B. „Wie haben wir den Fehler mit dem Code A237 im letzten halben Jahr an diesem Kühlanhänger gelöst?“).
Der letzte Schritt (Aufsetzen des KI-Systems) umfasst die Implementierung eines Retrieval Augmented Generation (RAG)-Systems. Dieses innovative, aktuell stark beforschte, KI-System nutzt die zentrale Datenbank, um schnell und präzise Antworten auf technische Fragen der Monteur:innen zu liefern. Durch die Kombination der Datenbankabfragen mit einem großen Sprachmodell (Large Language Model) können die Monteur:innen innerhalb weniger Sekunden die benötigten Informationen abrufen.
Die Umsetzung der Roadmap hält zukünftig also nicht nur das Wissen im Unternehmen, sondern steigert auch die Effizienz der Arbeit. Die Monteur:innen können schneller auf technische Herausforderungen reagieren und wertvolle Zeit sparen. Außerdem sammelt GBS Kühlanlagen so erste Erfahrungen im Aufsetzen von KI-Projekten und baut sich eine gute Basis für zukünftige Vorhaben auf. Erweitert man die Datengrundlage beispielsweise um die durchschnittlichen Lieferzeiten des eingesetzten Materials, kann die Lösung auch in der Arbeitsvorbereitung unterstützen.
Direkt im Anschluss an die Ergebnispräsentation der Potenzialanalyse sind die beiden Geschäftsführer in den Austausch mit einem möglichen Lösungsanbieter gegangen. Gemeinsam planen sie die Umsetzung der ersten Schritte der Roadmap. Auch über das Wissensmanagement im Montage- und Wartungsalltag hinaus, sieht GBS Kühlanlagen für sich einen großen Mehrwert durch die Einführung von Künstlicher Intelligenz. Weitere Ideen beziehen sich beispielsweise auf den Erstkontakt mit Kunden. Hier könnte, wenn mal wieder Not am Mann oder der Frau ist, ein sprechender Chatbot gezielt die erforderlichen Eckdaten abfragen und eine Zusammenfassung an das Service-Team senden.
Das Unternehmen attempto aus Oberhaching im Landkreis München ist seit 2006 als Unternehmensberatung für IT-Projekte tätig und bietet dabei unter anderem die Entwicklung kundenindividueller Software sowie Beratung bei der Einführung, Konzeption, Entwicklung und Wartung von IT-Systemen. Zu den Kunden zählen Banken und Versicherungen sowie Unternehmen aus Industrie, Handel und dem öffentlichen Sektor. Eines ihrer Produkte ist eine Softwarelösung, die die Arbeit mit Personalprofilen digitalisiert. Die Anwendung richtet sich an Unternehmen wie beispielsweise Personaldienstleister oder Beratungsfirmen, die regelmäßig Mitarbeiterprofile erstellen und aktualisieren müssen, um diese für Kundenprojekte anzubieten.
Die Kernfunktionen dieser SaaS-Lösung (Software-as-a-Service) sind die Erfassung, Pflege und Verwaltung von Kompetenz- und Erfahrungsprofilen der Mitarbeitenden, sodass auf einer einheitlichen, digitalen Plattform sämtliche Prozesse im Profil- und Angebotsmanagement zentralisiert werden. Die Mitarbeitenden können ihre Qualifikationen und Erfahrungen selbst direkt in der Plattform hinterlegen und aktualisieren. Damit soll gewährleistet werden, dass Vertriebsmitarbeitende auf eine aktuelle und verlässliche Datenbasis zugreifen können, um das passende Personal für Projekte auszuwählen und an Kunden weiterzuvermitteln.
KI wird hier bereits eingesetzt, um die Dateneingabe zu vereinfachen und die Datenqualität so weiter zu steigern. Zudem sind Filter- und Suchfunktionen integriert, um eine gezielte Suche nach bestimmten Qualifikationen und Erfahrungen zu ermöglichen. Allerdings möchte attempto den Einsatz von KI weiter ausweiten, weshalb die Firma den Dialog mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg suchte, um gemeinsam neue Ansätze zu entwickeln. Die KI-Experten Dr. Martin Gottwald und Alexandros Tsakpinis von fortiss haben die Plattform unter die Lupe genommen und sich die vorhandenen Ideen näher angeschaut. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden von attempto wurden diese diskutiert und neue Ansätze vorgestellt.
Da die händische Pflege des eigenen Kompetenzprofils auf der Plattform im Alltag oft zu kurz kommt, wäre eine Möglichkeit den Nutzenden eine KI-gestützte Assistenz zur Seite zu stellen. Ähnlich wie ein Wizard, der bei der Installation von Computerprogrammen hilft, könnte eine solche Assistenz die Nutzenden durch die Maske für die Erstellung der Kompetenzprofile führen.
Dieser Wizard kann so auch beim Erkunden von Kompetenzen helfen: Tippt man beispielsweise eine Fähigkeit ein, wird analysiert, ob ähnliche Kompetenzen bereits im System vorhanden sind. Zudem sind Vorschläge zur Schreibweise oder Hinweise auf typische Stolperfallen möglich. Solch ein Wizard könnte als Recommender-System (dt. Empfehlungsdienst) aufgezogen werden. Nach einer initialen Lernphase, in der die Qualifikationen und deren Zusammenhänge erfasst werden, kann das System anschließend selbstständig Vorschläge machen.
Ein wichtiger Baustein stellt hierbei das Clustern von Kompetenzen dar. Da ein KI-System nicht rein auf die Schreibweise der Fähigkeiten anspringt, sondern auch semantische Ähnlichkeiten erkennen sollte, ist es sinnvoll, die Kompetenzen semantisch zu clustern. Beispielsweise sollten “MS-Word” und “Microsoft Office” nicht als zwei getrennte Fähigkeiten betrachtet werden.
Trotz aller Sorgfalt schleichen sich mit der Zeit verschiedene Schreibweisen und Variationen desselben Begriffs ein. Um zu vermeiden, dass Nutzer:innen von Hand den gesamten Datenbestand durchsuchen müssen, um die richtige Schreibweise zu finden, könnte ein Ansatz mittels eines Large Language Model (LLM) Abhilfe schaffen. Ein LLM kann einen Begriff nicht nur als Zeichenkette verarbeiten, sondern dessen Bedeutung und semantische Einbettung erfassen. Dadurch können Begriffe vereint werden, ohne dass fälschlicherweise unterschiedliche Kompetenzen zusammengefasst werden.
Ziel ist es, eine Ausgewogenheit zwischen einer gewissen Freiheit bei der Dateneingabe für die Nutzenden des Systems und der Einheitlichkeit der Datenbank zu schaffen. Würde man im Alltag über die internen Cluster-Namen der Kompetenzen arbeiten, dann wäre eine perfekte Schreibweise garantiert. Allerdings wäre dies eine starke Einschränkung bei der Ausdruckskraft für die Nutzer:innen. Das entgegengesetzte Szenario wäre, dass alle zunächst einfach drauflosschreiben können. Man hätte den optimalen Freiraum bei der Angabe von Kompetenzen, aber die Datenbank würde unter dem Wildwuchs leiden.
Das frühzeitige und regelmäßige Aussprechen von Empfehlungen ohne strikte Limitierungen zu erzwingen, kombiniert mit einem LLM, um die Labels zu aktualisieren und gleichzeitig die Einheitlichkeit zu wahren, könnte ein möglicher Ansatz sein, um die Qualität der Datenbank zu erhalten und die Nutzenden bei der Eingabe von Kompetenzen zu unterstützen.
Da attempto bereits über umfassendes KI-Wissen verfügt, konnte das Augsburger Zentrum als Sparringspartner fungieren. Die vorhandenen Ideen und technischen Ansätze wurden vom Unternehmen vorgestellt und im Detail gemeinsam mit den KI-Experten diskutiert. So konnten diese auf Optimierungspotenziale hinweisen sowie bei der Auswahl geeigneter Tools bzw. Methoden zur Hand gehen, indem sie die Anforderungen an die KI-Systeme präzisieren und passende Lösungsansätze in die Diskussion einbringen konnten.
Wichtige Fragen, über die man sich vor und während des Prozesses Gedanken machen sollte, sind:
Durch die Diskussion dieser Fragen mit den Zentrumsexperten konnte attempto die KI-Ansätze weiter schärfen und sicherstellen, dass diese nicht nur technisch funktionieren, sondern auch den Anforderungen des Unternehmens im Alltag gerecht werden.
Die anfallenden Lederreste liegen in unterschiedlichen Größen, Sorten, Qualitätsstufen oder Verarbeitungsarten (z. B. gegerbt oder gefärbt) vor. Aktuell werden diese, wenn möglich, weiterverwendet, aber zum großen Teil verschenkt – selten auch weiterverkauft –, entsorgt oder geschreddert und zu Kunststoffplatten gepresst. Letzteres ist allerdings recht aufwandsintensiv und dadurch wenig lukrativ. Leder kann außerdem in mehrere Schichten gespalten und dann unterschiedlich weiterverwendet werden, z. B. als Verloursleder, umgangssprachlich auch als Wildleder bezeichnet. Zum Großteil werden aber auch hier einige der Schichten schließlich entsorgt. Geschäftsführer Jean-Thomas Keil sieht Potenzial in den Lederresten und möchte diese zu neuen Produkten verarbeiten, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem im Sinne der Nachhaltigkeit. Dafür hat er sich für eine Potenzialanalyse an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gewandt.
In Online-Workshops und einem Vor-Ort-Besuch in Kassel diskutierte das Projektteam, bestehend aus Herrn Keil und den Mittelstand-Digital Expert:innen Christian Looschen und Maria Maier von der Technischen Universität München, folgende Fragen: Wie kann so ein nachhaltiges Remanufacturing-Produkt aussehen? Wie wird das Produkt konkret hergestellt? Wie nachhaltig ist diese Form der Aufbereitung wirklich? Dazu musste sich das externe Team zunächst ein Produktverständnis schaffen, also welche Sorten und Formen von aufbereitetem Leder (geschnitten, gespalten, geprägt etc.) es gibt und welche Produktionsschritte für das Vorhaben interessant sein könnten. Zum Beispiel lassen sich Stücke zu einem Patchwork-Material zusammenkleben, ohne dass Nähte oder Fügestellen sichtbar sind.
Als Ergebnis der Potenzialanalyse wurde ein Prozessentwurf entwickelt, wie Lederreste künftig analysiert und automatisiert platziert sowie schließlich aneinandergefügt werden können, um so neue Lederstücke für die Weiterverarbeitung zu schaffen. Ein solches Produkt könnte unter Umständen als „nachhaltig aus Restmaterial produziert“ gekennzeichnet werden und damit auch ein für Endkund:innen attraktives Kaufargument liefern. Letztendlich könnten so nicht nur eigene Schnittreste weiterverarbeitet werden, sondern beispielsweise auch von lederverarbeitenden Kunden günstig abgekauft und wiederaufbereitet werden und damit ein weiteres Geschäftsmodell etabliert werden.
Was sich so einfach zusammenfassen lässt, ist allerdings derzeit ein technisch und organisatorisch hochkomplexes Verfahren. Insbesondere die Analyse sowie das Platzieren sind zum aktuellen technischen Stand größere Herausforderungen. Mittels Leichtbauroboter, Kamera und einer KI-Lösung (z. B. einem Bilderkennungsalgorithmus) müssten zunächst die Zuschnitte flach platziert und dann klassifiziert werden – nicht nur hinsichtlich ihrer Maße, sondern auch nach Sorte, Qualität, Dicke und Festigkeit, Aufbereitungsart, Farbe oder Schicht. Zusätzlich müsste ein digitaler Abgleich mit einer vorgegebenen und im System eingelernten Produktpalette (spezielle Form und Größe für spezielle Kundenprodukte) erfolgen, um herauszufinden, welche Teile überhaupt zu welchem Produkt gefügt werden können. Auch das automatisierte Platzieren der Teile ist bei unterschiedlichen Festigkeiten und Formen nicht ganz einfach. Und schließlich müssten die zueinanderpassenden Teile exakt nebeneinander platziert und bzw. mittels Klebevorrichtung aneinandergefügt sowie ggf. noch zugeschnitten werden.
Es besteht auch die Möglichkeit beispielsweise nur das Analysieren und Vorgeben von Mustern von einer digitalen Lösung erledigen zu lassen und die restlichen Arbeitsschritte wie Platzieren und Fügen weiter analog durchzuführen. Hier stellt sich dann langfristig allerdings die Frage der Wirtschaftlichkeit.
Weil die Entwicklung einer solchen automatisierten Lösung für ein Kleinunternehmen nur schwer zu stemmen ist, empfehlen die Mittelstand-Digital Expert:innen, sich hier um ein öffentlich gefördertes Projekt zu bewerben und gemeinsam mit anderen Lederverarbeitern voranzutreiben. Herr Keil verfügt aufgrund seiner langjährigen Branchenkenntnis über ein großes Netzwerk und hat bereits ein Partner-Unternehmen mit an Board. Aktuell ist er auf der Suche nach weiteren interessierten Projektpartnern. Geplant ist, dass das Projekt künftig von der Technischen Universität München weiterbegleitet wird – auch was die Nachhaltigkeitsbewertung angeht. Bislang drehen sich Lebenszyklusanalysen von Produkten (Life Cycle Assessment) eher um die Vermeidung von Ausschuss, als um dessen Weiterverarbeitung. Weitere offene Fragen sind die konkrete Gestaltung einer Rückführungslogistik, eine Analyse von Marktgröße und erzielbaren Preisen sowie der Amortisation der nötigen Investition.
Im Zuge einer wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitskennzahlen liegt in diesem Anwendungsfall jedoch auf jeden Fall großes Potenzial. Zudem könnte auch die Anwendung selbst ein Produkt von hoher Nachfrage sein, wenn es um die Wiederverwertung von Restmaterialien geht, die bisher auf dem Müll landen. Wichtig ist dabei unbedingt, „Greenwashing“ zu vermeiden, sondern vielmehr echten Nutzen zu schaffen.
Alexander Rettinger, Director Digital Transformation bei SIGEL, weiß, dass Formulare auf Papier nicht die Zukunft für effiziente Prozesse in Unternehmen und Behörden sind. Banken und Ämter sowie Unternehmen, die früher Briefpapier oder Rechnungsvordrucke mit Firmenlogo drucken ließen, steigen vermehrt auf digitale Prozesse um. Um auch zukünftig den Marktanforderungen zu entsprechen, erweiterte die Firma ihr analoges Produktangebot um ein digitales Leistungsangebot. Bei der innovativen Lösung handelt es sich um eine E-Procurement-Software, die den Beschaffungsprozess vereinfacht und ihren Kunden einen Full-Service bietet. Mit dieser Software erhalten Kunden ihren eigenen Closed-Shop für die Konfiguration und Bestellung firmenspezifischer C-Artikel. SIGEL übernimmt den vollständigen Prozess, von der Bestellung, über die Produktion und Einlagerung bis zum Versand. Durch standardisierte Schnittstellen können verschiedene Lieferanten an den Shop angebunden werden, sodass auf der individuellen Print-on-Demand-Plattform neben Lagerware auch eine Vielzahl an Print-on-Demand Produkten bestellt werden kann – natürlich auch von SIGEL selbst.
Auch wenn das Unternehmen hier schon recht weit ist, sieht Herr Rettinger in Sachen Digitalisierung weiteres Potenzial für das Unternehmen und wandte sich deshalb an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg. Im Rahmen einer Potenzialanalyse führten die Mittelstand-Digital Expertinnen Hannah Wangemann und Lara Schmidt vom Fraunhofer IIS sowie Annemarie Raber vom Fraunhofer IGCV eine Reifegradmessung im Unternehmen durch. Hier wurde untersucht, wie weit SIGEL in Sachen Digitalisierung ist, ob passende Ziele gewählt wurden und welche Maßnahmen in den nächsten Monaten sinnvoll wären. Dafür wurden Vor-Ort-Besuche, Workshops und Online-Interviews unter anderem mit Herrn Rettinger, der Geschäftsführung, Marketing- und Business-Process-Manager:innen durchgeführt.
Das Ergebnis: Das Unternehmen wurde – auch im Vergleich mit anderen kleinen und mittleren Unternehmen – als überdurchschnittlich bewertet. Einerseits, da trotz eines nicht-digitalen Produkts dennoch ein digitales SaaS-Geschäftsmodell erfolgreich auf den Weg gebracht wurde. Andererseits, da intern eine strukturierte IT-Landschaft geschaffen wurde, die ein gutes Daten- sowie Zugriffsmanagement umfasst. Außerdem liegt eine ausführliche Digitalisierungsstrategie vor, die fest in der Unternehmensstrategie verankert ist und zum Beispiel Cloud-First als Ansatz verfolgt.
Dennoch wurden durch die Analyse einige Potenziale aufgedeckt und Handlungsempfehlungen in verschiedenen Bereichen, wie der Produktion, dem Produktangebot oder den Unternehmensprozessen abgeleitet und SIGEL mit auf den Weg gegeben. Zwei davon wurden im Anschluss aufgegriffen und in einem weiteren Schritt in zwei Projekten intensiver verfolgt. Der erste Bereich betrifft die Prognosen von Auftragseingängen: Die Nachfrage nach Druckprodukten unterliegt oft starken Schwankungen, beispielsweise in der Bestellung von Vordrucken für Banken und Versicherungen. Hier soll anhand der vorhandenen Datenlage geprüft werden, ob die Daten ausreichen, um dahingehend Prognosen zu stellen, um wiederum die Produktion besser planbar zu machen und die Auftragsabwicklung zu unterstützen.
Der zweite Bereich betrifft das Roadmapping von Digitalisierungsprojekten sowie das Projektmanagement. Knappe Ressourcen in Verbindung mit vielen Projektideen erfordern eine stärkere Priorisierung und Planung von Projekten, wozu im Rahmen des Projekts ein Workshop durchgeführt wurde. Hier wurden zunächst alle laufenden Projekte begutachtet und überprüft, ob diese auf die Strategie des Unternehmens einzahlen. Wo befinden sich ggf. Lücken, wo sollte nachjustiert werden? Insbesondere das übergreifende Projektmanagement sollte besser strukturiert werden. Dafür wurde eine auf das Unternehmen zugeschnittene Tool-Box entwickelt, in dem die gesamte Projektlandschaft inklusive Abhängigkeiten zwischen den Projekten, zeitlicher Reihenfolge, Ressourcen (verfügbare Mitarbeitende, Budget) und Priorität dargestellt werden kann. Die Projekte können außerdem von den Projektverantwortlichen diskutiert und direkt mit einem der Tools bewertet werden – um so schließlich eine Roadmap zu entwickeln, die die Strategie verfolgt, Ressourcen gezielter einzusetzen und strukturierte Planung der Projekte erlaubt. Die Empfehlung der Expertinnen: Erst sollte die Produktstrategie stehen, dann die Digitalisierungsstrategie daran angeglichen werden. Wo ist Invest sinnvoll? Was lohnt sich wann anzugehen? Welche Projekte folgen daraus? Mit den zur Verfügung gestellten Tools können dann die laufenden Projekte neu aufgestellt werden.
Während das Team um Alexander Rettinger nun an der Roadmap und Projektaufstellung feilt, steht auch auf der Agenda, die Mitarbeitenden auf ein digitaleres Geschäft vorzubereiten sowie digitale Kompetenzen und ein agiles Mindset zu fördern. Gerade weil die Digitalisierung einem schnellen Wandel unterliegt, können sich auch Projekte immer wieder in ihren Zielstellungen oder der Verfügbarkeit von Ressourcen ändern. Damit hier ein unternehmensinterner Lernprozess stattfinden kann und Projekte künftig agiler gehandhabt werden können, sollen zeitnah entsprechende Angebote organisiert werden.
Die BRUNNER Drehtechnik GmbH aus Röthenbach an der Pegnitz produziert mit fünf Mitarbeitenden Automatendrehteile in Stückzahlen von 500 bis zu mehreren Millionen für verschiedene Branchen. Ein eigenes Produkt wird nicht hergestellt, sondern nach Kundenzeichnung gefertigt. Michael Brunner, der das Unternehmen in dritter Generation führt, hat schon früh mit der Digitalisierung begonnen und durch einen Neubau im Jahr 2019 konnten die Geschäftsprozesse weiter angepasst werden.
Doch für Herrn Brunner geht noch mehr, deshalb hat er sich an das Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg gewandt, um den aktuellen Reifegrad messen zu lassen und zu erfahren, welche weiteren Potenziale in Sachen Digitalisierung vorhanden sind. Für die Potenzialanalyse war Mittelstand-Digital Expertin Hannah Wangemann vom Fraunhofer IIS mit zwei weiteren Kolleginnen vor Ort.
Michael Brunner: Vom Grundsatz her sind wir ein ganz modern aufgestelltes Unternehmen. Mit diesem klassischen Beruf vom Zerspanungsmechaniker, der an der Drehbank steht, an der Kurbel dreht und ein Teil herstellt, hat es eigentlich bei uns nicht mehr viel zu tun. Wir bekommen unsere Bestellungen und Zeichnungen, zwar noch nicht voll digitalisiert, aber per E-Mail als PDF. Die pflegen wir in unsere Software ein. Diese Software überspannt mit verschiedenen Modulen unseren kompletten Betrieb. Wir legen den Auftrag an und er kann digital über Tablets in der Fertigung eingesehen werden. Parallel ist das das Einzige, was noch mit Papier passiert, da der Mitarbeitende einen Papierfertigungsauftrag und die Zeichnung zur Sicherheit auch an die Maschine gelegt bekommt.
Aber ansonsten ist alles ziemlich durchdigitalisiert. Die Auftragsbestätigungen, die Produktion selbst, da wird ein Auftrag digital an- und abgestempelt und Material digital gebucht. Die Messwerte, die die Qualitätssicherung prüft, werden digital dokumentiert. Am Schluss kriegt der Kunde eine digitale Rechnung, nur noch der Lieferschein ist in Papierform.
Brunner: Grundsätzlich bin ich solchen Sachen gegenüber offen, weil man immer irgendetwas mitnimmt. Das ist mir schon immer ein Anliegen gewesen und ich halte meine Augen und Ohren offen, was man bei uns umsetzen kann.
Hannah Wangemann: Wir haben eine digitale Reifegradmessung durchgeführt. Das ist wie ein Rundum-Check und hat für Unternehmen den Vorteil, auch mal eine externe Perspektive zu haben, die das eigene Unternehmen mit dem Hintergrundwissen, wie der Stand bei anderen KMU ist, vergleichen und bewerten kann. Nach einer ersten virtuellen Absprache waren wir einen halben Tag vor Ort und haben eine Produktions- und Unternehmensführung gemacht. Im Nachgang haben wir uns mit Herrn Brunner über verschiedene Teilbereiche seines Unternehmens unterhalten und nach Herausforderungen, die er auch noch sieht, gefragt.
Wir haben schnell festgestellt, dass Herr Brunner sehr offen ist. Dadurch konnten wir unsere Handlungsempfehlungen weiter fassen, d. h. mit starker Zukunftsperspektive. Denn Digitalisierung ist nur bis zu einem gewissen Grad intern und auf die eigenen Prozesse bezogen. An irgendeinem Punkt geht man darüber hinaus und betrachtet übergreifende Strukturen, auch unabhängig von der Unternehmensgröße. Und das konnten wir hier tun. Wir haben beispielsweise Szenarien besprochen, wie man mit Kunden kollaborativ Bauteile designen oder mit welchen Plattformlösungen man die Produktdaten und Lieferscheine proaktiv digital bereitstellen könnte.
Aber wir waren überrascht von dem Fortschritt, den wir bei einem Unternehmen von dieser Größe so bisher nicht gesehen haben. Den digitalen Leitstand und die Tablets in der Produktion und auch die Qualitätsmanagement-Software, die direkt mit dem ERP-System verbunden ist. Auch das Thema Nachhaltigkeit kam zur Sprache, hier hat Herr Brunner schon erste Projekte bei sich umgesetzt und will das auch weiter vorantreiben. Also so ein Rundumpaket. Das war für uns als Zentrum der Beweis, dass Digitalisierung auch Kleinstunternehmen und nicht nur Konzerne können, solange man das richtige Mindset hat und offen und neugierig ist.
Brunner: Das Hauptproblem, auf das ich stoße, ist, dass die Welt nach meinem Gefühl noch nicht so weit ist. Auf der einen Seite haben wir das Thema Maschinen, da hätten wir gerne mehr Daten, deshalb haben wir unsere Maschinen nachgerüstet. Aber Daten im wirklichen Sinne bekommen wir nicht. Wir kriegen, ich nenne das mal Impulse, ob die Maschine läuft oder nicht und einen Takt, in dem die Teile fertig gestellt werden. Natürlich bieten moderne Maschinen zwischenzeitlich Schnittstellen, die aber nicht herstellerübergreifend sind und wenn große Konzerne in ihren Pflichten- und Lastenheften dies fordern, wird einiges realisiert. Um dies für uns zu fordern, sind wir aber leider zu klein. Genauso ist es bei den Lieferanten. Wenn ich sagen würde, wir binden uns softwaretechnisch zusammen, wird nur der Kopf geschüttelt.
Intern kann man viel machen, wenn man selbst eine gewisse Einstellung hat. Aber dann bremst einen die Realität aus. Man muss alle in einen Topf bekommen, sonst haben wir keinen digitalen Durchsatz. Ob sich das in den nächsten Jahren ändert, weiß ich nicht. Vielleicht ist die Thematik KI auch ein treibender Motor, sodass die Unternehmen merken, sie können nicht mehr anders. Aber es bräuchte mehr bzw. es muss eigentlich in der Gesellschaft und in den Firmenkulturen Durchdringung geben und die fehlt mir momentan noch ein wenig.
Wangemann: Ein Thema, das sehr anwendungsnah ist, war die Empfehlung einer Wissensdatenbank für die Mitarbeitenden, in der die Werkzeugnutzung festgehalten wird, also welche Werkzeuge für was verwendet werden. Die Perspektive lag hier auf dem Anlernen und autonomen Arbeiten. Und das sollte mit dem Dokumentenmanagement-System verknüpft werden, um auch auf die Zeichnungen zugreifen zu können. Eine andere Sache waren die Tablets. Die könnten eigentlich schon die Leistung erbringen wie gerade noch das Papier an den Maschinen. Theoretisch notwendig wäre das Papier nicht mehr.
Brunner: Genau ja, aber das ist das Grundsätzliche bei der Digitalisierung. Man muss die Leute mitnehmen, sonst verliert man die Akzeptanz. Der Mitarbeitende darf nicht das Gefühl bekommen, jetzt bin ich mit mehr Bürokratie beschäftigt, als mir das Ding nutzt. Deswegen liegt der Hauptfokus darauf, Digitalisierung da einzuführen, wo der Mitarbeitende am Schluss des Tages merkt, es nimmt mir nicht meine Arbeit weg, sondern es nimmt mir Arbeit ab. Zum Beispiel wird in diesem Dokumentenmanagement der Rechnungseingang bald ein großes Thema sein. Eingangsrechnungen kommen, werden geprüft, gehen im Workflow weiter, werden automatisch ausgelesen und es erfolgt ein Zahlungsfluss oder Zahlungsauftrag, ohne dass die Rechnung fünfmal geprüft werden muss. So wird an diesem Punkt eine Erleichterung geschaffen.
Brunner: Bei Neuerungen muss ich schon überzeugen, aber ich führe es nur so ein, dass der Aufwand nicht so groß ist, dann wird es auch akzeptiert und sie merken, dass es ihnen etwas bringt. Beispielsweise beim automatisierten Wareneingang haben sie durch das Einscannen der Lieferzettel eine Zeitersparnis, das ist etwas, was sie direkt tangiert.
Bei vielen anderen Sachen bin meistens ich der Nutznießer, weil ich auf irgendwelche Daten zugreife, die mir zur Verfügung gestellt werden. Aber solange man es niederschwellig hält, funktioniert es auch. Und wenn sie etwas nicht gut finden, merke ich das an der Laune. Das ist der Vorteil bei einem kleinen Betrieb, dass ich nah an der Basis bin.
Brunner: Der Hauptgrund ist, dass ich ein Anhänger davon bin, das Unternehmen zu digitalisieren und modern zu halten, um mit dem Wettbewerb mithalten zu können. Allgemein, um Abläufe zu optimieren, um kostengünstiger produzieren zu können bzw. effizientere Wertschöpfung zu haben. Um somit für die Zukunft gerüstet zu sein und als Arbeitgeber attraktiv und modern auf Kandidaten zu wirken. Also natürlich spielt auch das Thema Fachkräftemangel eine Rolle. Es ist eine Mischung aus verschiedenen Punkten.
Brunner: Ja auf jeden Fall, deshalb haben wir diesen Prozess auch digitalisiert und Instagram- und Facebook-Kampagnen mit Videos gestartet. Seit wir es nutzen haben wir viel mehr Bewerbungen, was wir so in der Menge noch nie gehabt haben. Jetzt muss man zwar abziehen, dass ca. 90 Prozent die Anforderungen überhaupt nicht erfüllen. Aber man merkt, jetzt kommen ein paar Personen, die wirklich Industriemechaniker und Zerspaner sind.
Brunner: Sehr wichtig. Das Hauptproblem, jemanden zu finden, lag daran, dass wir einfach nicht präsent waren. Mit den Videos sehen die Leute, wie wir sind und können sich etwas darunter vorstellen. Vorher war es dieser altbackene, nicht mehr hippe Beruf des Zerspanungsmechanikers und jetzt merken die Leute selbst, dass wir digitalisiert sind und hier etwas vorwärts geht.
Einen Personaldienstleister kann ich mir eigentlich nicht leisten, deshalb habe ich diesen direkten Weg gewählt. Ich habe für die Videos zwar auch jemanden engagiert, aber der Vorteil von der Geschichte ist, ich nutze es nicht nur als Stellenanzeige, sondern präsentiere die Firma und mache sie dadurch bekannt. Und wenn wir sagen, wir haben genug Mitarbeitende, kann man das Ganze umswitchen und die Suche nach neuen Kunden zum Hauptziel machen und Werbebudget in diese Richtung streuen. So sind wir flexibler. Das sind die Medien der Gegenwart und der Zukunft. Auf TikTok sind wir noch nicht, aber das wird wahrscheinlich irgendwann kommen.
Brunner: Eigentlich nicht. Es waren immer kleine Schritte, aber der absolute Push kam durch die Förderung von „Digital Jetzt“*, weil wir dann ins Volle gehen konnten. Das Finanzielle ist natürlich immer ein Unsicherheitsfaktor.
Auch wenn ich mich zum Beispiel vor 14 Jahren für eine andere Warenwirtschafts-Software entschieden hätte, wäre jetzt vielleicht alles ganz anders. Wir haben damals unsere Messmaschine gekauft und wollten die Messwerte von der Maschine digitalisieren und wir wollten auch eine Warenwirtschafts-Software. Es gab den einen Hersteller, der konnte beide Module bieten mit der Schnittstelle für diese Messmaschine. Wir haben also nicht nach der besten Software gesucht, sondern es quasi von hinten aufgezäumt. Und es war die richtige Entscheidung. Andernfalls hätten wir vielleicht noch mehr Software von anderen Herstellern gebraucht und wahrscheinlich gesagt, den Aufwand machen wir uns nicht und lassen das mit der Digitalisierung.
Wangemann: So eine modulare Software bringt gewisse Vorteile mit sich, vor allem für kleinere Unternehmen, damit man sich je nach Entwicklung des Unternehmens und finanzieller Lage und auch der Digitalisierungsstrategie, einfach Dinge dazu buchen kann, ohne das ganze System wieder umwerfen zu müssen.
*Anmerkung: Investitionsförderprogramm des BMWK, das bis 31.12.2023 lief
Brunner: Für mich ist Digitalisierung nicht das Ziel, sondern eigentlich der Weg und bedeutet immer Veränderung. Es ist ein täglicher Begleiter und auch wenn man ein kleiner Betrieb ist, kommt man um das Thema nicht herum und kann seine Vorteile daraus ziehen. Von daher dürfen sich die Kleinen nicht so verstecken.
Die Produktpalette ist breit und reicht vom Teigportionierer und -kipper über die Bestreuanlage zum Beispiel für Körnersemmeln oder Süßgebäck bis hin zur vollautomatischen Blechzuführung. Je nach Gebäckstück oder benötigtem Maschinenmaß für die Produktionsstätten wird jede Maschine individuell für den Kunden konzipiert und gebaut. Bei einigen Maschinen ist manuelle Zuarbeit nötig, zum Beispiel um Ausschuss vom Band zu entfernen, Gebäckstücke für den nächsten Bearbeitungsschritt zu platzieren oder Teig nachzugeben. Auch Daten werden bisher nicht erfasst, können aber künftig Potenziale für eine Vielzahl von Anwendungsfällen bieten. Die Geschäftsführung, bestehend aus Kurt Wapler und seinen Söhnen Benno und Jakob Wapler, denkt hier schon länger in die Zukunft und möchte damit jetzt starten. Gemeinsam mit den Mittelstand-Digital Expert:innen Saskia Hutschenreiter und Benno Neumeister vom Fraunhofer IGCV wurden verschiedene Ansätze diskutiert.
Naheliegend ist die Möglichkeit, die Maschinen selbst flexibler, automatisierter und digitaler zu gestalten. Da sich Nutzungszwecke über Bäckereien hinweg, aber auch innerhalb einer Bäckerei stark ähneln (z. B. Brezen oder Körnersemmeln bestreuen), und auch einzelne Bestandteile der Anlagen immer wieder Anwendung finden (z. B. Förderbänder), bietet es sich an, künftig Standardprodukte ins Sortiment aufzunehmen. Bislang wird meist eine Maschine für ein Produkt verwendet. Neue Anlagen könnten modular konzipiert werden und dann vom Kunden selbst zusammengesetzt und ggf. auch vor Ort beim Kunden je nach Bedarf neu zusammengestellt werden. So lässt sich zum Beispiel eine Bestreuanlage durch den Austausch einzelner Module auch zum Langrollen von z. B. Körnerstangen verwenden.
Im Zuge dessen ließen sich in die Anlagen auch mehrere digitale Funktionen einbauen. Beispielsweise lassen sich über Sensoren und über die Anlagensteuerung eine Vielzahl von Daten sammeln, die beispielsweise für Anwendungsfälle wie die vorausschauende Wartung (engl. Predictive Maintenance) genutzt werden und damit Verschleiß oder Ausfälle ankündigen, bevor sie eintreten. Auch das Thema Ausschuss spielt eine Rolle. Weil zum Beispiel Teige in ihrer Konsistenz nicht immer genau gleich beschaffen sind, entsteht hin und wieder Ausschuss. Das können verformte Gebäckstücke sein, die bislang von Mitarbeitenden, die am Band stehen, händisch aussortiert werden. Eine kamerabasierte KI-Lösung kann hier Abhilfe schaffen und selbst erkennen, welches Gebäckstück außerhalb der Norm liegt. Auch Wiegemodule könnten hier Sinn machen. Ein Roboter-Greifarm oder beispielsweise eine Bodenklappe im Förderband kann das fehlerhafte Gebäckstück dann selbstständig aussortieren.
Für individuell konzipierte Anlagen sind solche Erweiterungen allerdings bislang zu teuer für die Kunden. Dennoch stehen auch diese vor einem beginnenden Fachkräftemangel, weshalb Automatisierungslösungen definitiv von Interesse sind. Mit einer festen Produktpalette würde sich der Aufwand für solche Entwicklungen seitens bmTEC eher lohnen und könnte so für Kunden in Zukunft erschwinglicher werden. Gerade bei KI-Lösungen ist der initiale Aufwand hoch, wenn die Systeme mit einer Vielzahl von Bilddaten auf bestimmte Produkte trainiert und auf ihre Verlässlichkeit überprüft werden müssen. Hier muss außerdem geklärt werden, wie groß später noch der individuelle Anpassungsaufwand auf die spezifischen Produkte des Kunden ist.
Eine Modularisierung bietet schließlich auch die Möglichkeit, z. B. Module für Unternehmen abseits der Backbranche zu entwickeln. Auch Schnitzel müssen in Frittieröl gebadet und Pizzen mit Käse bestreut werden.
In der gemeinsamen Potenzialanalyse wurden in Ideenworkshops auch neue Ansätze gesammelt, wie die bmTEC-Maschinen über die Backbranche hinaus Anwendung finden könnten. Lebensmittelnah bieten sich zum Beispiel Fast-Food-Ketten (Burger belegen, Wraps füllen und wickeln), Tiefkühlkost-Hersteller (Pizzen bestreuen, Fertiggerichte schichten) oder Airline Caterer (Gerichte zusammenstellen und verschließen) an. Abseits der Lebensmittelbranchen könnten Hebekipper in der Landwirtschaft, Sortiermaschinen in der Abfallwirtschaft oder Transport- und Wiegemodule zum Beispiel in der Pharma- und Kosmetikindustrie eine Rolle spielen.
Hier gilt es jeweils im Detail zu untersuchen, inwieweit die Märkte bereits gesättigt sind oder gegebenenfalls noch Marktanteile erschließbar wären. Anlagen mit hohem Automatisierungsgrad, unterstützt durch KI, könnten hier allerdings unter Umständen neue Mehrwerte liefern.
Neben den hier skizzierten Ideen wurden noch einige weitere im Projektteam diskutiert. Das Führungsteam von bmTEC wird diese im nächsten Schritt strukturieren und je nach Relevanz weiter konkretisieren. Das Ziel dabei: Als Traditionsunternehmen auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen, unter anderem durch Innovationen sowie neue Produkte und Services.
Der Geschäftsführer Florian Weishaupt weiß um die Vorteile von Digitalisierung für das Handwerk und treibt das Thema bereits seit einigen Jahren stetig voran. Über einen Podcast wurde er auf die Förderinitiative Mittelstand-Digital aufmerksam und bewarb sich für eine Potenzialanalyse in Augsburg – einmal, um sich Feedback zu bisherigen Digitalisierungsprojekten zu holen und außerdem, um Inspiration für weitere sinnvolle Lösungen zu erhalten. In mehreren Gesprächen vor Ort und online ging das Team mit den Mittelstand-Digital Expert:innen Annemarie Raber und Mario Luber vom Fraunhofer IGCV sämtliche Prozesse entlang der Auftragsabwicklung von der Kundenakquise bis zu Montage und Service durch. Dabei wurden die bereits geschaffenen Vorteile den noch ausschöpfbaren Potenzialen gegenübergestellt.
Mit dem ERP-System werden aktuell Kundendaten erfasst sowie Angebote, Nachkalkulationen und Rechnungen erstellt. Über die zugehörige App bzw. Browser-Version erfassen Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten über ihre privaten Smartphones und nutzen dort auch die Kalenderfunktion. Auf die Mitarbeitendenkalender wird zugegriffen, wenn es an die Kapazitäts- und Montageterminplanung geht. Die Kapazitätsgrobplanung für die Projekte und Termine geschieht allerdings über ein vom Geschäftsführer in einem gängigen Tabellen-Kalkulationsprogramm selbst entwickeltes Tool. Die Feinplanung folgt durch ein Nebeneinanderlegen aller Kalender in der eingesetzten ERP-Lösung, was schnell unübersichtlich und damit recht aufwändig ist. Zudem kommt es zu Synchronisationsproblemen mit den privaten Smartphones und Verzögerungen, was die Termindurchführung für die Schreinerinnen und Schreiner erschwert.
In den selbstentwickelten Lösungen werden neben der Kapazitätsplanung auch andere Bereiche abgedeckt: Es gibt eine Übersicht über den Lagerbestand von hochpreisigen Elektroartikeln und über das Tool wird sogar die Materialbeschaffung abgewickelt: Für Individualmöbel werden Infos aus der CAD-Konstruktionssoftware gezogen und über Makros automatisiert E-Mails an Lieferanten ausgeleitet, die die passende Teilebestellung enthalten.
Auch wenn schon viel mit den selbsterstellten Lösungen abgedeckt werden kann, gibt es einige Nachteile, die mit Blick in die Zukunft nicht unerheblich sind: Bei größeren Datenmengen hängt sich das Programm gelegentlich auf. Der Aufwand für Makro-Programmierung, Pflege des Programms und Betreuung der Anwendenden ist hoch und die Expertise liegt komplett bei einer Person. Schnittstellen zu anderen Programmen sind begrenzt, es gibt keine Berechtigungsverwaltung und eine parallele Nutzung mehrerer Mitarbeitender ist aktuell nicht möglich. Hinzu kommen weitere limitierende Faktoren wie der fehlende Schutz vor Falscheingaben, mögliche Datei-Überschreibungen (und damit Datenverluste) und ggf. mit der Zeit hohe verknüpfte Datenmengen. Die Arbeit der Erstellung war allerdings keinesfalls umsonst: Die Konzepte dahinter wurden über Jahre ausgetüftelt und bieten damit die ideale Grundlage, um einen passenden Softwareanbieter zu finden, denn Florian Weishaupt weiß genau, welche Funktionen nötig sind.
Was ist also noch ausbaufähig? Eine übersichtliche Kalenderlösung mit Schnittstelle zu einer Grob- und Fein-Kapazitätsplanung würde die Prozesse erheblich erleichtern. Eine digitale Plantafel mit allen Kalendern und offenen Aufträgen in einer Übersicht, die sich dann einfach per Drag & Drop zusammenführen lassen, wäre eine mögliche technische Lösung. Auch für das Küchenplanungs- und Konstruktionsprogramm bietet sich eine Schnittstelle zum ERP-System an, um Stücklisten und Materialkosten dort zu bündeln und hier dann auch die Materialbeschaffung abzuwickeln. Ergänzend dazu bietet sich an, nach dem Kanban-Prinzip Bedarfe nach Schüttgut bzw. Verbrauchsmaterialien durch Bar- oder QR-Codes auf den Kanban-Karten rückzumelden und dadurch Transparenz über den Beschaffungsstatus für alle zu schaffen.
Insgesamt lassen sich über einen Ausbau des ERP-Systems sowie Schnittstellen zu weiteren Softwarelösungen noch einige Verbesserungen in der gesamten Auftragsabwicklung erreichen. Hier stellt sich nun die Frage, ob das bisherige System überhaupt entsprechend ausgebaut werden kann oder eine andere Lösung vom Markt vielversprechender ist. Dann wiederum muss der Einführungsaufwand den aktuellen Problemen und dem erwarteten Nutzen gegenübergestellt werden.
Wenn feststeht, welche Funktionen benötigt werden, hilft zum Beispiel die Plattform www.digitalmeistern.de des Mittelstand-Digital Zentrums Handwerk. Hier findet sich eine Übersicht über Software speziell für das Handwerk. Über Kategorien und Fragebögen wird man zu möglichen Anbietern geleitet, die im Nachgang kontaktiert werden können. Wichtig dafür ist, eine möglichst genaue Anforderungsliste in die Gespräche mitzubringen, um auch wirklich die passende Software zu finden.
Florian Weishaupt beginnt nun mit der Verbesserung der Kapazitätsplanung, da der Schuh hier aktuell am meisten drückt. Danach wird er sich mit der Frage nach einem neuen ERP-System genauer auseinandersetzen, also in erster Linie abwägen, welche Funktionen nicht länger von der eigens entwickelten Lösung getragen werden können und wann sich der Umstieg lohnen würde.
Bildnachweis Titelbild: © Stefan Winterstetter
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Das Unternehmen pro-beam fertigt Bauteile vor allem für die Luft- und Raumfahrt oder Medizintechnik. Die Anforderungen an die Qualität sind entsprechend hoch. Bislang erfolgt die Qualitätssicherung manuell, unter anderem durch eine Sichtprüfung durch Mitarbeitende. Eine automatisierte Prüfung könnte die Mitarbeitenden entlasten. Die dafür benötigte elektronenoptische Aufnahmemöglichkeit (ähnlich eines Mikroskops, nur dass die Bildaufnahme hier mithilfe eines Elektronenstrahls erfolgt) ist bereits vorhanden und wird bei der Justage des Elektronenstrahls genutzt. In einer Potenzialanalyse mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg wurde dieser Use Case als vielversprechend für die Anwendung eines KI-Modells identifiziert. Im anschließenden Projekt mit dem Zentrum ging es an die Umsetzung eines Proof of Concept und die damit verbundenen zentralen Fragestellungen: Sind die Bilddaten für den Einsatz eines KI-Tools geeignet? Wie gut kann das Modell Fehler erkennen? Und lässt sich der Use Case auf andere Bauteilgruppen übertragen?
Für einen ersten Workshop besuchten die Mittelstand-Digital Experten Mario Luber vom Fraunhofer IGCV und Christopher Sobel vom Fraunhofer IIS das Team von Sachin Patel, Head of R&D Beam bei pro-beam. Zunächst ging es darum, einen passenden Use Case auszuwählen und zu konkretisieren. Bilder sind nicht die einzigen Daten, mit denen das Unternehmen bereits arbeitet oder die in Frage kommen. Auch Sensordaten könnten beispielsweise für eine automatisierte Qualitätsprüfung oder eine automatisierte Zustandsüberwachung der Maschine und deren Komponenten wie Verschleißteile, z. B. die Kathode, genutzt werden. Die Daten sind dafür zwar größtenteils bereits vorhanden, müssten allerdings erst noch umfassend gelabelt, d. h. um Zustandsinformationen erweitert werden. Die Auswahl fiel auf die bildbasierte Qualitätsprüfung, da hier der größte Nutzen (Sicherstellung einer hohen Qualität bei gleichzeitiger Zeitersparnis durch weniger manuelle Tätigkeiten sowie die Möglichkeit einer Prüfung im Vakuum-Bauraum) und eine schnelle Umsetzung eines Proof of Concept (Vorhandensein der Ausstattung für die Bilderzeugung und eine schnelle Test-Datenerfassung) in Aussicht standen.
Obwohl die elektronenoptische Bildaufnahme bereits für die Positionierung und Erkennung der zu schweißenden Fuge im Einsatz ist, wird diese bisher nicht genutzt, um Bilder der Schweißnaht aufzunehmen und zu speichern. Daher musste im ersten Schritt in die Maschinensteuerung integriert werden, dass Bilder nach dem Schweißvorgang aufgenommen und in einer Datenbank mit Zeitstempel und Auftragsnummer abgespeichert werden. Danach startete die Phase der Trainings- und Testdatensammlung. Innerhalb von zwei Monaten konnten 135 Bilder baugleicher Bauteile für das Training des KI-Modells gesammelt werden. Da allerdings kein Fehler dabei war, mussten für den anschließenden Test der KI-Modelle noch zusätzlich synthetische Fehlerbilder, die möglichst realistisch sind, erzeugt werden. Diese künstliche Erweiterung des Trainingsdatensatzes wird auch Data Augmentation (Datenerweiterung) genannt.
Im Anschluss ging es an die Datenauswertung der Trainingsdaten mithilfe von drei verschiedenen KI-Verfahren: Autoencoder, PADIM und EfficientAD. Der Fokus lag auf der Anomalie-Erkennung, nicht auf der Klassifikation des Fehlerbilds. Bei der Anomalie-Erkennung wird das Modell mit Bildern von Bauteilen trainiert, die keine Fehler aufweisen (i.O.). Bei einer Klassifikation werden hingegen auch Fehlerbilder im Training verwendet.
Mithilfe der Trainingsdaten wurde das KI-Modell trainiert und im Anschluss auf den Testdatensatz angewendet. Durch Bewertung der KI-ermittelten Prüf-Ergebnisse anhand von Testdaten ließen sich die Modelle hinsichtlich ihrer Genauigkeit (Accuracy) im Detektieren von Anomalien bewerten. Das Ziel neben einem hohen Accuracy-Wert war außerdem, die Rate von falsch positiven – sprich fehlerhaften Bauteilen, die fälschlich als i.O. erkannt werden – möglichst gering zu halten. Es zeigte sich: Während der Autoencoder in diesem Fall kein geeignetes Verfahren darstellte, da er die Anomalien nicht ausreichend erkennen konnte, erwiesen sich die anderen beiden, vor allem EfficientAD, im Rahmen des Proof of Concept als zuverlässig, um Bilder mit Fehlern zu identifizieren. Die Werte zeigten außerdem, dass die 135 Bildaufnahmen ausreichend für ein valides Training mit anschließendem Test der KI-Verfahren waren.
Schließlich lässt sich festhalten: KI eignet sich für die automatisierte bildbasierte Qualitätsprüfung und kann den Aufwand einer manuellen Sichtprüfung reduzieren. Nach Überführung in den produktiven Einsatz müssen Mitarbeitende künftig nur noch Bauteile mit unsicherem Anomaliewert manuell prüfen.
Das KI-Tool ließe sich damit erfolgreich auf eine Großserie anwenden. Im nächsten Schritt musste das Modell mit echten Fehlerbildern getestet werden, um valide Ergebnisse sicherzustellen. Hierzu arbeitet pro-beam aktuell in einem Projekt mit Christopher Sobel aus dem Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg zusammen. Danach stellt sich die Frage der Übertragbarkeit auf andere Bauteile, insbesondere auf Kleinserien und „Exoten“, für die kein spezifisches vorheriges Training möglich ist. Hier muss also getestet werden, wie zuverlässig durch das bereits trainierte KI-Modell auch dort Anomalien erkannt werden können. Außerdem steht auf dem Plan, die Mitarbeitenden von pro-beam darin zu schulen, die KI-Verfahren selbst anzuwenden und beispielsweise Bilddaten entsprechend vorzubereiten, um künftig in möglichst vielen Bereichen selbstständig ähnliche KI-Tools einsetzen zu können.
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