Wo fange ich an? Eine Studienarbeit schafft den Überblick für den Start in die Digitalisierung

Als Großhändler für Flaschen und Gläser muss Euroglas in der Auftragsabwicklung effizient agieren. Dazu setzt das Unternehmen voll auf digitale Prozesse und plant den Ausbau von Warenwirtschaft, Dokumentenmanagement und Online-Shop. Aber welches Projekt bietet die meisten Chancen? Um einen Überblick zu bekommen, will Euroglas eine Studienarbeit ausschreiben.

Den Trend zu Craftbier und Limonaden hat Euroglas genutzt und eine 0,33-Liter-Flasche entwickelt, die liebevoll die „kleine Halbe“ genannt wird. Die Flasche wurde auch für ihre Mehrwegfähigkeit ausgezeichnet. Um solche Produkte zu realisieren, arbeitet das Familienunternehmen aus dem Allgäu europaweit mit Glasherstellern zusammen. So kann der Großhändler leere Flaschen, Gläser und Verschlüsse in vielen Varianten liefern und auf Kundenwunsch auch individuelle Glasflaschen und Verpackungsgläser fertigen.

Herausforderung: die richtigen Prozesse digitalisieren

Um effizienter zu werden, möchte die Euroglas Verpackungsgesellschaft mbH so viele Prozesse wie möglich digitalisieren. Das Unternehmen hat bereits eine grundlegende digitale Struktur geschaffen: Im Einsatz ist ein Warenwirtschaftssystem, das Wareneingang und -ausgang abbildet. Hier wickeln die Mitarbeiter Aufträge ab und steuern Lieferanten und Abnehmer. Daran ist ein Dokumentenmanagement angebunden, das bald durch eine Applikation erweitert werden soll, die zum Beispiel Rechnungsbelege archiviert. Das Ziel: weg vom Papier hin zu einer revisionssicheren Lösung für Dokumente.

Auch ein Webshop ist bereits aufgebaut. Er bietet eine Übersicht zu Produkten und die Möglichkeit, diese auf einer Merkliste zu speichern, um gezielt Anfragen zu stellen. Aber man kann noch keine Produkte bestellen. Hier ist die Frage, ob die Kunden überhaupt daran interessiert sind. Die österreichische Niederlassung hat zum Beispiel einen Stamm von vielen kleinen Kunden, oft Privatleute und Weinbauern, die sich wenig mit IT beschäftigen. Die rufen lieber an – so die aktuelle Einschätzung.

Laut dem Geschäftsführer Christoph Jäckle sind die ersten Schritte Richtung Digitalisierung auch ein Grund für starke Umsatzsteigerungen in den letzten Jahren. Er hat vor Kurzem begonnen, die Geschäftsprozesse in Diagrammen zu modellieren, um Ansatzpunkte für die nächsten Digitalisierungsprojekte zu identifizieren. Das ist aber sehr zeitintensiv und ihm fehlt eine Einschätzung von außen, wie es weitergehen und mit was gestartet werden soll.

Die Potenzialanalyse vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg spezifizierte die Ausgestaltung der Applikationen für das Warenwirtschaftssystem und schlug eine Kundenbefragung zum Thema Bestellen über den Webshop vor. Eine gute Möglichkeit, um alle Themen erst einmal ausführlicher auf ihre Potenziale für Euroglas zu untersuchen, ist die Ausschreibung einer Studienarbeit oder für einen Werkstudenten.

So funktioniert‘s:

Ein Student oder eine Studentin ist für einen bestimmten Zeitraum im Unternehmen, arbeitet sich intensiv in Themen ein und verfasst eine Abschlussarbeit. Das kann zum Beispiel eine Arbeit über ein Digitalisierungskonzept für das Unternehmen inklusive Handlungsroadmap und Zeitplan sein. Als erste Aufgabenstellung eignet sich, die Prozesse im Unternehmen zu erfassen und Ansatzpunkte zu finden. Dazu gehört die Fortführung der Prozessmodellierung, die Herr Jäckle kürzlich begonnen hat.

Auch die Kundenbefragung zum Webshop kann von Studierenden methodisch und zielgerichtet entwickelt und durchgeführt werden. Sind die Kunden bereit, digital im Onlineshop zu bestellen? Die Ergebnisse sind wichtig, um Aufwand und Nutzen abschätzen zu können. Am Ende steht dann ein Konzept, das den Kundenwünschen entspricht und dem Betrieb, als auch den Kunden einen Mehrwert bietet. Ein weiteres Thema ist die Evaluation der angedachten Dokumentenmanagement-Applikation. Eine Studienarbeit kann prüfen, ob sich weitere Prozesse vereinfachen lassen und welche Funktionen in der Software dafür nötig sind.

Vorgehen: Stelle ausschreiben und den richtigen Bewerber finden

Euroglas schreibt eine Praktikantenstelle über ein halbes Jahr aus und bietet die Möglichkeit an, eine Abschlussarbeit zu verfassen. Während dieser Zeit stellt das Unternehmen einen Arbeitsplatz bereit und informiert die Mitarbeiter über die neue Form der Zusammenarbeit. Auch die Vergütung oder eine Erfolgsprämie müssen organisiert werden. Über die Forschungspartner unterstützt das Kompetenzzentrum bei der Ausschreibung der Stelle an den umliegenden Hochschulen und bei den Bewerbungsgesprächen.

Ausblick: Potenziale identifizieren für die nahe und ferne Zukunft

Die Potenzialanalyse hat für Christoph Jäckle damit den Nerv getroffen: „Für uns war es immer wichtig, unseren Stand zu kennen, und zu sehen, welche Möglichkeiten wir haben. Jedoch fehlen uns oft Know-how und Manpower. Da ist die Beteiligung eines Werkstudenten interessant – auch, weil ich mir damit junge Leute reinhole, die von der Uni kommen und am Puls der Zeit sind.“ Neben der Recruiting-Möglichkeit hat eine Studienarbeit auch den Vorteil, dass jemand ins Haus kommt, der sich für eine gewisse Periode in Vollzeit intensiv in Themen einarbeitet, ohne zu fest im Tagesgeschäft eingebunden zu sein. Nach dem Studium können diese für den Absolventen dann zur Hauptaufgabe im beruflichen Einstieg bei Euroglas werden.

Update: Roadmap fertiggestellt, Prozess-Optimierung auf dem Weg

Die durch die Studienarbeit erstellte Roadmap ist die Basis für weitere Arbeiten in Richtung digitaler Transformation bei Euroglas. Sie beschreibt, welche digitalen Technologien und Dienstleistungen speziell für Euroglas relevant sein können, auf welchem Stand diese jeweils sind und welche den größten Nutzen bringen können. Die Zusammenarbeit mit dem Studenten funktionierte sehr gut, sodass mittlerweile ein weiterer Student im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der weiteren Konkretisierung der Potenzialfelder der Roadmap arbeitet. Dazu gehört beispielsweise ein Tool zur Aufzeichnung der Unternehmensprozesse. Bis Ende 2020 sollen alle Abläufe im Unternehmen definiert sowie grafisch in digitaler Form dargestellt sein. Anhand der Prozessdefinitionen kann dann die Roadmap Schritt für Schritt entlang aller Unternehmensprozesse umgesetzt werden.

Die bisherigen Digitalisierungsprojekte zeigen bereits große Erfolge: In den letzten drei Jahren haben sich die Aufträge verdoppelt. Durch den Onlineshop hat Euroglas passives Einkommen hinzugewonnen. Noch in diesem Jahr ist auf der Website außerdem die Integration eines Kundenportals geplant. Kunden sollen dort den Status laufender Vorgänge oder auch Rahmenverträge einsehen können. Solche digitalen Schnittstellen bauen eine stärkere Nähe zur Kunden und Lieferanten auf.

Auch an der Unternehmenskultur wird kontinuierlich weitergearbeitet. Indem die Geschäftsleitung digitales Lernen und Arbeiten selbst verinnerlicht und vorlebt, können Projekte agil und an neue Erfahrungen und (Zwischen-)Ergebnisse angepasst werden. Von vorhinein alles durchzuplanen oder sich auf festgelegte Ziele zu versteifen, ist hierbei eher hinderlich. Der Mut, unbekannte Angelegenheiten außerhalb der eigenen Fachkenntnisse anzugehen und das Bewusstsein, dass jedes Anfangen zunächst unabhängig vom Ergebnis wichtige Erfahrungen bringt, waren eine wichtige Grundlage für die bisherigen Erfolge auf dem Gebiet der digitalen Transformation. Dabei steht Euroglas stets im Austausch mit Kunden und Lieferanten – der digitale Wandel muss schließlich von den Menschen dort mitgetragen und abgestimmt werden.

Tipp: Im Podcast gibt der Geschäftsführer Christoph Jäckle weitere Einblicke in seine aktuellen Projekte. Unser Experte Stefan Roth gibt allgemeine Tipps für Unternehmen, die in Richtung Digitalisierung starten möchten.

Das Team um Christoph Jäckle (l.) © Euroglas Verpackungsgesellschaft mbH
Mehrwert der Digitalisierung:

  • Nach einer Website mit Online-Katalog kann eine Online-Bestellfunktion die Bestellabwicklung bei Euroglas und beim Kunden vereinfachen.
  • Ein Dokumentenmanagement kann sich auch mit relativ geringem Dokumentenvolumen lohnen, wenn sich damit Prozesse aus anliegenden Bereichen rationalisieren lassen, beispielsweise in der Rechnungsprüfung.
  • Eine Studienarbeit eines Werkstudenten kann den Ist/Soll-Stand dokumentieren und die Entwicklungspotenziale und kritische Punkte analysieren. Daraus lässt sich eine Roadmap mit Handlungsempfehlungen ableiten.

Unternehmensprofil:

Die Euroglas Verpackungsgesellschaft mbH ist ein Großhändler für leere Flaschen, Gläser und Verschlüsse. Das Familienunternehmen mit Sitz im Allgäu wurde 1992 gegründet und arbeitet europaweit mit Glasherstellern zusammen. Es liefert Standardverpackungen und fertigt auf Kundenwunsch auch individuelle Glasflaschen und Verpackungsgläser. Die Kunden reichen von Brauereien und Winzer bis hin zu Hobby-Brauern. Euroglas beschäftigt acht Mitarbeiter im Allgäu und 13 in einer österreichischen Niederlassung.

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Bildquelle: Euroglas Verpackungsgesellschaft mbH