Werkzeug spricht mit Auto – Handwerksbetriebe teilen sich Ausgaben für digitale Funklösung

In den Baustellenfahrzeugen der Erwin Kastner GmbH, Handwerksbetrieb für Heizung und Sanitär, ist das Werkzeug nicht immer vollständig vorhanden. Monteure merken erst beim Kunden, dass ein bestimmtes Arbeitsgerät noch im Lager liegt und müssen zurückfahren. Ab und zu geht teures Werkzeug verloren, zum Beispiel weil es auf einer Baustelle vergessen wird. Das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg hat mit dem Unternehmen eine digitalisierte Lösung entwickelt, doch die Kosten dafür übersteigen die Verluste durch das vergessene Werkzeug. Der Betrieb will sich deshalb mit anderen Handwerkern zusammenschließen und Fördermittel beantragen.

Die Erwin Kastner GmbH und ihr Fuhrpark

 

Herausforderung: Werkzeug geht verloren

Die Werkzeugausstattung des Fuhrparks ist immer wieder Thema. Wenn ein Mitarbeiter am Montageort ankommt und loslegen will, kommt es vor, dass ein bestimmtes Werkzeug oder Messmittel im Auto fehlt. Der Monteur muss dann noch einmal zurückfahren und das fehlende Arbeitsgerät holen. Das kostet nicht nur Arbeitszeit, sondern auch Nerven und auf die Kunden wirkt das nachträgliche Besorgen unprofessionell. Werden Geräte versehentlich auf einer Baustelle zurückgelassen, entsteht dem Unternehmen auch ein zusätzlicher finanzieller Verlust. Eine liegengelassene Kernbohrmaschine bedeutet beispielsweise ein Minus von bis zu 3.000 Euro.

Möglichkeiten der Digitalisierung: Mit Funk gegen Verluste

Während einer Potenzialanalyse trafen sich die Vertreter der Erwin Kastner GmbH und des Kompetenzzentrums drei Mal. Die Beteiligten aus dem Zentrum und dem Betrieb fanden in mehreren Gesprächen und einer Hallenbesichtigung heraus, wo das Unternehmen mit Hilfe der Digitalisierung effizienter arbeiten könnte. „Wir haben im Warenlager angefangen und sind dann zufällig auf das Thema Werkzeugausstattung des Fuhrparks gekommen“, sagt Erwin Kastner, Geschäftsführer. Die Fachleute vom Kompetenzzentrum empfehlen eine Technologie zur automatischen Identifikation (Auto-ID) der Werkzeuge. Die Lösung: Zukünftig soll das Auto selbst erkennen und Bescheid geben, wenn etwas fehlt oder zu viel ist.

Als Technologie eignet sich zum Beispiel RFID (engl. Radio-frequency identification). Das ist eine Sender- und Empfänger-Technologie auf Basis von Radiowellen, die Gegenstände automatisch und ohne Berührung identifizieren und lokalisieren kann. Die Technologie ist aus dem Alltag schon bekannt: Kleidung wird zum Schutz vor Diebstahl häufig mit einem RFID-Funketikett versehen.

Beispiel für ein Funketikett

 

So funktionierts:

Die teuren Arbeitsgeräte von Erwin Kastner bekommen ein solches Funketikett aufgeklebt. Das Auto wird mit einer Antenne ausgestattet und erfasst damit die beklebten Gegenstände, die sich im Fahrzeug befinden. Als nächstes legt man den Soll-Zustand fest: Welche Werkzeuge sollen sich im Fahrzeug befinden? Über eine Anzeige im Auto kann sich der Mitarbeiter den Beladungsstatus im Auto anschauen. Die Software gleicht den Soll- mit dem Ist-Zustand ab und meldet ihm beispielsweise: „Presswerkzeug fehlt“. Die Mitarbeiter bemerken ein fehlendes Gerät also schon vor der Abfahrt. Und nicht erst, wenn sie schon beim Kunden sind oder Wochen später, wenn sich der Verbleib nicht mehr zurückverfolgen lässt. Denkbar ist die Technologie auch im Lager: Hier kann das System erfassen, welcher Monteur welches Werkzeug entnommen hat.

Vorgehen: Kosten aufteilen

Der einzige Haken: Die Kosten für RFID-Systeme und die Entwicklung der zugehörigen Software sind derzeit noch verhältnismäßig teuer. Während die Funketiketten im Cent-Bereich liegen, kann die Antenne pro Fahrzeug einen hohen dreistelligen Betrag kosten. Hinzu kommt die Softwareentwicklung. Hier möchte Erwin Kastner ansetzen: „Andere Handwerksunternehmen haben die gleichen Probleme mit dem Werkzeug. Wir arbeiten oft für Privatkunden, aber Betriebe, die mehr auf Baustellen unterwegs sind, haben sogar noch deutlich höhere Verluste.“ Er schließt sich deshalb mit Handwerksbetrieben aus der Region zusammen, um sich die Softwarekosten zu teilen und günstigere Konditionen für die Hardware zu bekommen. Über das Kompetenzzentrum ist er außerdem auf den „Digitalbonus Bayern“ aufmerksam geworden. Für diesen Zuschuss sind keine aufwändigen Anträge notwendig.

Ausblick

Das Kompetenzzentrum Augsburg organisierte im ersten Schritt einen Infoabend über RFID im Handwerk und den Digitalbonus Bayern. Der Geschäftsführer Erwin Kastner Jr. hatte so die Möglichkeit, andere Betriebe für seine Idee zu gewinnen. Im nächsten Schritt wollen sich die Interessenten zusammensetzen und die Umsetzung angehen.

Mehrwert und Nutzen

  • Teures Werkzeug des Heizungsbauers wird mit Funketiketten beklebt. Hier handelt es sich um stark haftende Etiketten, die robust für raue Umgebungen sind. Über Antennen im Auto wird erkannt und dem Monteur gemeldet, wenn Arbeitsgeräte fehlen.
  • Durch die automatische Erkennung im Fahrzeug werden Doppelfahrten und Verluste durch verlorenes Werkzeug vermieden. Die gewonnene Zeit kann anderweitig wertschöpfend verwendet werden.
  • Um die Kosten der Anschaffung zu senken, schließt sich der Betrieb mit anderen Handwerkern zusammen und bewirbt sich für ein niedrigschwelliges finanzielles Förderprogramm.

Unternehmensprofil

Die Erwin Kastner GmbH ist ein Handwerksunternehmen mit 12 Mitarbeitern mit Sitz in Zusmarshausen, das in den Bereichen Sanitär, Heizung und Klima tätig ist. Das Familienunternehmen besteht seit 1925 und wird von Vater und Sohn geführt.

 

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Bildquellen: RFID-Etikett: fml TUM | Fuhrpark: Erwin Kastner GmbH