Die Oberflächenveredelung ist vor allem für die Widerstandsfähigkeit von Bauteilen und neue Materialeigenschaften relevant. Verchromte Oberflächen verhindern das Anhaften von bestimmten Materialien, was zum Beispiel beim Spritzguss in der Kunststofffertigung eine Rolle spielt. Die Aufträge sind also sehr unterschiedlich: kleine Bauteile in hoher Stückzahl für den Werkzeug- und Maschinenbau, große Schnecken für Spritzgussanlagen oder Teile für die Luftfahrt mit besonders strengen Dokumentationsvorgaben. Da es sich bei der Verchromung meist um den letzten Fertigungsschritt handelt, werden die Aufträge von den Kunden oft kurzfristig und mit zeitigem Fertigstellungswunsch an Betz-Chrom gegeben. Beides zusammen führt zu einer hohen Komplexität in der Auftragsabwicklung.
Auftragsdauer, Materialkosten und Fertigungsaufwand: schwer messbare Größen in der Produktion
Die große Varianz der Aufträge bedeutet für die Fertigung, dass die Produkte mit stark variierendem Energie- und Materialaufwand sowie Maschinen- bzw. Badbelegung bearbeitet werden. Bislang fehlen konkrete Daten zu den verschiedenen Auftragskategorien und für die Kalkulation. Herstellungskosten sowie Auftragsdauer werden auf Erfahrungsbasis geschätzt und in die Produktion eingelastet. Um Kosten und Dauer konkret und belastbar bestimmen zu können, wird mehr Transparenz über die realen Abläufe benötigt.
Mehr Transparenz durch BDE
Betz-Chrom plant daher die Einführung eines BDE-Systems, mit dem künftig alle Aufträge und ihre einzelnen Bearbeitungsschritte digital genau erfasst und ausgewertet werden. Später wird die Produktionsplanung so einfacher und die Preisgestaltung genauer. In Interviews mit Mitarbeitenden, einer Prozessanalyse auf dem Shopfloor und Workshops mit der Geschäftsführung identifizierten die Mittelstand 4.0-Experten Florian Rothmeyer (Technische Universität München) und Lukas Bank (Fraunhofer IGCV) die unternehmens- und branchenindividuellen Anforderungen an das System.
Besonderheiten bei Betz-Chrom: Energie, Dokumentation und Maschinenanbindung
Bei der Verchromung spielt der Energieverbrauch eine wichtige Rolle in der Fertigung. Im Chrombad können sich mehrere Bauteile unterschiedlicher Aufträge gleichzeitig befinden, was die Messung der Energiekosten pro Teil erschwert. Eine Lösung dafür sollte im BDE-System integriert werden, weil es sich hier um einen relevanten Kostenfaktor handelt und dieser damit für die Preisgestaltung relevant ist. Auch eine genaue Dokumentation der Aufträge soll über das BDE-System erfolgen und auftragsspezifisch abgespeichert werden. Insbesondere für Kunden aus der Luftfahrt ist das ein Muss. Für solche Produkte könnte ein BDE-System auch weitere Funktionen übernehmen, wie automatisierte Hinweise und Arbeitsanweisungen oder die Anzeige zeitkritischer Fristen.
Ein weiterer Punkt ist die Anbindung des Systems an den Maschinenpark – sowohl an modernere Maschinen mit entsprechenden Schnittstellen, als auch an ältere Bestandsmaschinen durch Nachrüsten oder über manuelle Eingaben. Für die direkte Anbindung wurden alle Schnittstellentypen aufgenommen. Außerdem wurden alle Maschinen und Fertigungsschritte erfasst, die manuelle Eingaben erforderlich machen. Sobald Werte manuell eingegeben werden müssen, spielt auch die passende Hardware eine wichtige Rolle. Mitarbeitende in der Verchromung tragen zum Beispiel Handschuhe, weshalb Touchbildschirme eher ungeeignet wären.
Ein individuelles Lastenheft für die Anbieterauswahl
Mit dem gemeinsam erstellten Lastenheft, das neben den herkömmlichen Anforderungen an BDE-Systeme auch alle besonderen Bedarfe des Unternehmens adressiert, kann sich das Team um Innovationsmanagerin Hannah Betz und Fertigungsleiter Mohammad Farahani nun auf die Anbietersuche begeben. „Nachdem wir zuerst nur eine vage Vorstellung von einem passenden BDE-System hatten, sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen“, so Hannah Betz. Im aktuellen Projekt unterstützt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg bei der Vorauswahl passender Anbieter. Auch die Frage, wie die Aufträge an jeder Station vom System identifiziert werden, ist noch offen. Ob hier Barcode, RFID oder eine andere Auto-ID-Technologie zum Einsatz kommen soll, wird Teil der Auswahlgespräche sein.
Potenzialanalyse – auch was für Sie?
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