Unter dem Themenschwerpunkt „Intralogistik der Zukunft – Lösungsansätze für den Fachkräftemangel“ fand am 12. Juli 2023 eine Lab-Tour am Technologiezentrum PULS in Dingolfing statt, bei der die Teilnehmenden Automatisierungslösungen in der Musterfabrik kennenlernen konnten.

Mitarbeitende miteinbeziehen

Mit drei großen Herausforderungen haben Unternehmen in Deutschland laut Prof. Dr. Markus Schneider von der Hochschule Landshut derzeit unter anderen zu kämpfen: dem Fachkräftemangel, den hohen Produktionskosten und dem zunehmenden Nachhaltigkeitsdruck, der vor allem mit der CSR-Berichtspflicht spürbar wird. Besonders einer dieser Herausforderungen hat sich die Lab-Tour am Technologiezentrum PULS in Dingolfing gewidmet, dessen Wissenschaftlicher Leiter Professor Schneider ist: dem Fachkräftemangel.

Laut Maria Maier, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der Technischen Universität München und Mitarbeiterin im Mittelstand-Digital Zentrum Augsburg stehen wir beim Fachkräftemangel erst am Anfang. Es werde noch schlimmer werden und die Zuwanderung reiche nicht aus, um den Mangel auszugleichen. Mitarbeitendenunterstützung, -weiterbildung und -partizipation sei deswegen ein wichtiger Faktor, um vorhandene Arbeitskräfte zu halten und sie in Entscheidungen miteinzubeziehen.

Maria Maier von der TUM während ihres Vortrags

Produktionssysteme neu denken

Einen Ansatz den Professor Markus Schneider als Lösung sieht, ist die Automatisierung. Produktionssysteme sollten dabei aber komplett neu gedacht werden. Er verfolgt die These, dass es am besten sei Mensch und Maschine zu trennen, womit er gegen den Trend der Kollaboration geht: „Menschen machen Fehler, lassen zum Beispiel Behälter stehen und was machen die Maschinen? Sie bleiben stehen und piepsen.“ Technik müsse nicht überall eingesetzt werden, nur in bestimmten Bereichen und hier sollte der Mensch keinen Zutritt haben. Auf der anderen Seite habe Automatisierung aber auch ihren Preis, da man gut ausgebildete Personen brauche, um das Ganze umsetzen.

Teilnehmende der Factory-Tour am TZ PULS

Planung als Stellhebel nutzen

Was es braucht, um Prozesse zu automatisieren? Erstmal den Prozess aufräumen, sonst hat man einen schlecht automatisierten Prozess laut Professor Schneider. In der Musterfabrik macht er das den Teilnehmenden deutlich. Die Unternehmensvertreter:innen hat er insbesondere dafür sensibilisiert die Standarddenkweise aufzugeben: Pro Sekunde werden sechs Quadratmeter Fläche zubetoniert, was eine große Verschwendung ist. Vor allem bereits in der Planung liege großes Potenzial, das zu ändern.

Wie Platz eingespart werden kann, konnten die Teilnehmenden in der Musterfabrik erfahren. Boden und Decke werden mitgenutzt, so ist beispielsweise an der Decke ein Logistiksystem mit Transportrobotern angebracht. Weitere Automatisierungslösungen gab es in den verschiedenen Bereichen zu sehen, denn in der Musterfabrik ist ein kompletter Wertschöpfungsprozess vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Warenausgang abgebildet.

Interessant war dabei auch die „O-Zelle“. In der Mitte befindet sich ein Roboter, der das Material auf die umliegenden Arbeitsplätzen verteilt, sodass es nur noch eine Schnittstelle zwischen Transport- und Montagesystem gibt. Dies ermöglicht effizienteres Arbeiten als in einer „U-Zelle“ – diese wird in der Fließfertigung häufig eingesetzt – und spart Platz.

Prof. Dr. Markus Schneider führt die Teilnehmenden durch die Musterfabrik am TZ PULS
Prof. Dr. Markus Schneider führt den Teilnehmenden die O-Zelle vor

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Zu den Veranstaltungen

Knapp 30 interessierte Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Unternehmen sind am 27. Juli 2022 für eine Lab-Tour am Technologiezentrum PULS in Dingolfing zusammengekommen. Bei einer Führung durch die dazugehörige Lern- und Musterfabrik sowie aus Vorträgen konnten sie neue Denkanstöße zu den Themen Lean und Automatisierung mitnehmen.

„Ich möchte Ihnen helfen, wettbewerbsfähig in Deutschland zu produzieren“, betonte Prof. Dr. Markus Schneider von der Hochschule Landshut gleich zu Beginn seines Vortrages. Da Deutschland ein Hochkostenland mit der höchsten Steuerbelastung weltweit ist, stellt die Wettbewerbsfähigkeit eine große Herausforderung für Unternehmen dar. Der Wissenschaftliche Leiter des Technologiezentrums PULS hat es sich zur Aufgabe gemacht Unternehmen dabei zu unterstützen – durch Lean und Automatisierung.

Nordstern als Wegweiser

Was hinter dem „Lean“-Gedanken („lean“ = „schlank“) steckt, brachte Leonhard Feiner vom Lehrstuhl Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen Universität München den Teilnehmenden näher. Zurückzuführen ist die Methode auf den japanischen Autohersteller Toyota und verfolgt den Grundsatz: Eliminierung von Verschwendung, Unausgeglichenheit und Überbeanspruchung. Dieses Prinzip ist auf alle Bereiche im Unternehmen übertragbar.

Professor Schneider ging anschließend näher auf das Lean Factory Design ein, was nichts anderes bedeutet als die Fabrik mit allen Produktionsschritten optimal zu gestalten. Dabei zog er folgenden Vergleich heran: Was die Permakultur für den Garten sei, sei Lean für die Fabrik. Auch diese Kultur müsse man erst richtig verstehen, damit der Garten gedeihen kann. Genauso verhält es sich mit Lean und der Fabrik. Ein zentraler Bestandteil, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sei zudem die Automatisierung. Dabei müssten aber Systeme entwickelt werden, die dafür geeignet seien. Bestehende Systeme auf Automatisierung anzupassen sei schwierig.

Da es keine pauschale Lösung für alle gibt, sondern jedes Unternehmen eine individuelle finden müsse, führte Professor Schneider den Teilnehmenden den sogenannten Nordstern vor, den man als richtungsweisendes Ziel stetig vor Augen hat. Dieses Ziel kann beispielsweise in einem Satz formuliert werden, dessen Erreichung in viele kleine Ziele heruntergebrochen wird. Aber Professor Schneider stellte klar: „Ein Nordstern fällt nicht vom Himmel.“

Prof. Dr. Markus Schneider während seines Vortrages über Lean und Automatisierung

Innovative Technologien live erleben

Bei der anschließenden Führung gab Professor Schneider einen Einblick in die 900 m² große Lern- und Musterfabrik des TZ PULS. Verschiedene Bereiche – von der Fertigung über die Montage, bis hin zur Intralogistik – können hier betrachtet werden. Ziel sei es laut Professor Schneider vor allem bekannte psychologische Hindernisse zu überwinden. So werde den Unternehmer:innen beispielsweise vermittelt, dass eingesparte Zeit beim Stanzen nicht automatisch in höhere Stückzahlen investiert werden sollte, sondern in häufigeres Rüsten. So spare man hinterher bei der Montage mehr Zeit ein. Ein innovativer Ansatz, den sich die Teilnehmenden hier ebenfalls anschauen konnten, ist die sogenannte Z-Production. Die nicht-wertschöpfungsorientierten Prozesse werden oberhalb und unterhalb der Wertschöpfungsebene angebracht, sodass der Flächenverbrauch reduziert wird.

Wie das Zusammenspiel der einzelnen automatisierten Systeme aussieht, vom fahrerlosen Transportsystem bis zur deckengeführten Logistik mit Transportrobotern, war das abschließende Highlight der Führung. Die Teilnehmenden konnten so viele Impulse für die Entwicklung ihres eigenen Nordsterns mitnehmen.

Führung durch die Lern- und Musterfabrik des TZ PULS
Blick von oben auf die Lern- und Musterfabrik mit deckengeführter Logistik