Wie können Potenziale und die Umsetzbarkeit von KI identifiziert werden? Vorgehensmodelle und Kriterien

Die Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) sind vielfältig. Wie man Potenziale und ihre Umsetzbarkeit im eigenen Betrieb identifiziert und an welchem Vorgehen man sich bei der Umsetzung von KI-Projekten orientieren kann, stellen wir Ihnen hier vor.

Die vorherigen Beiträge erläuterten die Funktionsweise von KI und stellten Anwendungsmöglichkeiten in Unternehmen vor. Jetzt geht es um den zielgerichteten Einsatz: Zum einen gilt es, Potenziale zu identifizieren und zu bewerten, zum anderen wollen KI-Projekte genau geplant und umgesetzt werden.

Potenziale & Umsetzbarkeit identifizieren

Um geeignete KI-Anwendungsfälle im eigenen Unternehmen bei einem Workshop zu identifizieren, haben sich vier Phasen bewährt: In der 1) Vorbereitung wird geklärt, wer überhaupt dabei ist. Mitglieder der Geschäftsführung und Führungskräfte sind natürlich wichtig. Unverzichtbar sind jedoch auch Mitarbeitende, die spezifische Unternehmensprozesse durch ihre alltägliche Arbeit gut kennen und die späteren Nutzende der KI-Anwendungen – ob im Unternehmen selbst oder bei Lieferanten oder Kunden. In der Vorbereitung muss bei den Beteiligten für ein gemeinsames Grundverständnis von KI gesorgt werden, um Ansätze im eigenen Unternehmen selbst identifizieren zu können.

Für die 2) Ideenfindung und -priorisierung gibt es neben dem Brainstorming viele weitere Methoden, um in der Gruppe zu guten Vorschläge zu kommen und diese zu filtern. Offenheit und Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung der anderen Teilnehmenden ist hier elementar.

In der darauffolgenden 3) Ausarbeitung der Use Cases spielen neben quantifizierbarem Nutzen wie reduziertem Maschinenausfall auch weiche Faktoren wie der interne Kompetenzaufbau eine Rolle. Ähnlich zu einem Business Model Canvas zur Bewertung von Geschäftsmodellen kann eine strukturierte Betrachtung einzelner Aspekte wie die Datenverfügbarkeit und möglicher KI-gestützter Aktionen dabei helfen, die Anwendungsfälle konkret auszuarbeiten und übersichtlich darzustellen.

Schließlich steht die 4) Bewertung & Entscheidung der Anwendungsfälle an. Dabei muss neben Know-How zum Einrichten auch die Kompetenz beachtet werden, mit der das KI-System kontinuierlich betrieben und an verändernde Prozesse angepasst werden kann (sogenannte Machine Learning Operations, MLOps). Nach diesen Faktoren kann entweder eine Make-, Buy- oder Wait-Entscheidung (bei Anwendungen mit einer hohen Forschungs- und Entwicklungsdynamik) getroffen werden.

Da alle KI-Systeme auf bestehenden Daten basieren, ist die Datenverfügbarkeit, Datenmenge und Datenqualität zentral für die Abschätzung der Machbarkeit und des Projekterfolgs. Die Repräsentativität der verfügbaren Daten können Domänen-Expert:innen aus dem jeweiligen Unternehmensbereich am besten beurteilen. Auch rechtliche und ethische Grenzen müssen eingehalten werden, etwa bei personenbezogenen Daten und KI-Entscheidungen, die Einfluss auf Mitarbeitende haben können. Dabei hilft die „Assessment List for Trustworthy AI“ der Europäischen Kommission.

 

KI-Projekte erfolgreich planen und umsetzen

Mit einem Anwendungsfall, Projektbudget, Projektteam und der Intrastruktur geht es dann an die Umsetzung. Acht Phasen werden teilweise iterativ durchlaufen:

  1. Gemeinsames Geschäfts- und Projektverständnis: Alle Beteiligten konkretisieren die Anforderungen, Rahmenbedingungen und Erfolgskriterien in einem Projektplan.
  2. Technologie-, Prozess- und Datenverständnis: Insbesondere Technologie-Expert:innen des Unternehmens vermitteln den KI-Expert:innen das notwendige Wissen, um die Daten einzuordnen. Dazu gehören Informationen um die Ursache von Fehlern oder Ausreißern oder die Bedeutung der einzelnen Daten.
  3. Datenvorbereitung: KI-Expert:innen selektieren, bereinigen, filtern und formatieren die Rohdaten, um aussagekräftige Merkmale (Features) für die datenbasierte Modellierung zu identifizieren und konstruieren. Dies kann mitunter die längste Zeit im Projekt einnehmen.
  4. Modellierung: Hier werden geeignete Algorithmen ausgewählt und Modelle erstellt, die aus den verfügbaren Daten die erstrebten Erkenntnisse abzuleiten.
  5. Auswertung: Zur Beurteilung der Wertschöpfung wird geprüft, ob die Erfolgskriterien, Anforderungen und die Geschäftsziele erreicht werden oder ob ein neuer Entwicklungszyklus eingegangen werden muss.
  6. Bereitstellung: Die benutzerfreundliche und einsatzfähige Lösung wird im besten Fall in vorhandene Systeme und Plattformen eingebettet, außerdem müssen Nutzende für die Bedienung und Interventionen geschult werden.
  7. Weiterentwicklung durch fortlaufende Datensammlung: Aus der kontinuierlichen Sammlung von Daten und den daraus identifizierten Parametern und ggf. Datenquellen kann die Genauigkeit des Modells erhöht oder dieses weiterentwickelt werden.
  8. Wartung: Das KI-Modell wird insbesondere durch MLOps-Ingenieur:innen (Machine Learning Operations) fortlaufend überwacht und nachtrainiert.

 

Vorgehensmodell zur Umsetzung des KI-Projekts VDMA Bayern

Zusätzlich ist eine gute Dokumentation der erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekte wertvoll, um das Vorgehen auch noch nach einiger Zeit nachvollziehen zu können und so Erkenntnisse für zukünftige KI-Projekte zu nutzen.

 

Der Leitfaden „Künstliche Intelligenz – Potenziale und Umsetzungen im Mittelstand“ vom VDMA Bayern gibt ausführlichere Beispiele und Beschreibungen.
Einer der Autor*innen ist unser KI-Trainer Marcus Röhler vom Fraunhofer IGCV.

Quelle: Leitfaden Künstliche Intelligenz – Potenziale und Umsetzungen im Mittelstand der Projektpartner VDMA Bayern, Fraunhofer IGCV und Technische Universität München (2020)