Wie KMU ihre Innovativität mithilfe von Innovationsökosystemen steigern können

Seit einigen Jahren nimmt die Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ab. Damit diese ihre Wettbewerbsposition erhalten, müssen die eigenen Güter, Dienstleistungen und Prozesse jedoch kontinuierlich verbessert werden. Eine vielversprechende Strategie um Innovationen anzukurbeln, ist der Zusammenschluss mit Forschungseinrichtungen, anderen Unternehmen sowie Start-ups, Kunden und Lieferanten. Unser Artikel zeigt, welche Vorteile sich aus der Zusammenarbeit ergeben und wie Sie Ihr eigenes Innovationsökosystem starten.

Anspruchsvolle Rahmenbedingungen für KMU

Durch die fortschreitende Globalisierung sowie die digitale Transformation haben sich die Bedingungen für Unternehmen in Deutschland merklich verändert. [1] Obwohl kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erfolgreich in der Besetzung lukrativer Nischenmärkte sind, spüren sie diese Auswirkungen in besonderem Maße, auch im Bereich technologisch anspruchsvoller Güter. Insbesondere die steigende Komplexität der Innovationsprozesse sowie die gleichzeitige Verkürzung der Innovationszyklen üben hierbei Druck auf KMU aus. [1, 2] KMU sind folglich gezwungen sowohl eine kontinuierliche Verbesserung der eigenen Güter, Dienstleistungen und Prozesse, als auch eine Erhöhung der Innovativität in Bezug auf Neuentwicklungen anzustreben. Gleichzeitig zeigen jedoch Untersuchungen, dass besonders die fehlende finanzielle Ausstattung sowie der Fachkräftemangel die Innovativität hemmen. [3, 4] Als Resultat dieser und weiterer Rahmenbedingungen ist bei deutschen Mittelständlern seit Langem eine abnehmende Innovatorenquote zu beobachten (siehe Abbildung 1). Diese misst den Anteil jener Unternehmen, der in den vergangenen drei Jahren mindestens eine Innovation entwickelt hat und ist seit der erstmaligen Erhebung in der Beobachtungsperiode 2002/2004 von 42 Prozent auf 19 Prozent in der aktuellsten Erhebung gesunken. [5]

Insbesondere durch die digitale Transformation ergeben sich für KMU Möglichkeiten Innovationshemmnissen entgegenzuwirken. Unser Artikel zeigt, welche Vorteile sich aus der gezielten Zusammenarbeit mit Partnern ergeben und wie Sie Ihr Innovationsökosystem aufbauen können.

 

Innovationsökosysteme und Kooperationen als Chancen für KMU

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ist die bewusste Forcierung des Zusammenspiels mit Akteuren außerhalb des eigenen Unternehmens (z. B. Forschungseinrichtungen, andere Unternehmen, Kunden etc.). Auf diese Weise können KMU ihre eigenen Innovationsökosysteme bilden oder sich in bestehende einbringen, um so ihre eigene Innovationsleistung sowie die ihrer Partner zu stärken. Von elementarer Bedeutung ist hierbei eine klare Vorstellung über das an der Unternehmensstrategie ausgerichtete Ziel, welches mit einem solchen Innovationsökosystem erreicht werden soll. Dieses Ziel kann z. B. die Neuentwicklung eines (digitalen) Services, oder auch das Erlangen von wichtigen Einblicken für einen geplanten Markteintritt sein. Die Vernetzung mit anderen Akteuren darf kein Selbstzweck sein, sondern muss durch eine selektive Auswahl von Partnern und eine klare Kommunikation der Erwartungen bewusst gesteuert werden um das festgelegte Ziel erreichen zu können. Es ist vor allem diese strategische Ausrichtung durch welche sich Innovationsökosysteme von gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen mit Partnern unterscheiden [6].

Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen: Eine Variante der Einbindung externer Innovationsimpulse sind Kooperationen mit Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Zum einen kann hier der Zugang zu relevantem Know-how geschaffen werden, zum anderem können im Zusammenhang mit gemeinsamen Forschungs- bzw. Abschlussarbeiten Studierende und Absolventen für das Unternehmen gewonnen werden.

Zusammenarbeit mit Unternehmen: Durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, welche (noch) nicht Teil der Wertschöpfungskette sind, kann nicht nur der Zugang zu fehlenden Ressourcen gesichert werden, sondern es werden, besonders im Falle von Neuentwicklungen, auch die finanzielle Belastung und das Risiko auf mehrere Akteure verteilt. Zudem eröffnen sich für die beteiligten Partner Chancen komplementäre Produkte und Dienstleistungen für die gemeinsam geschaffene Innovation bereitzustellen. Besondere Chancen können sich für die beteiligten Partner bei Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten KMU ergeben. Das Zusammenführen des gegenseitigen Know-hows ist oft der schnellste Weg um die zeitkritische Entwicklung zur Marktreife abzuschließen und durch die frühe Platzierung am Markt strategische und finanzielle Vorteile zu sichern. [7] Untersuchungen zeigen, dass KMU zusätzlich vor allem von einer Erweiterung des eigenen Netzwerks und einem deutlichen Flexibilitätsgewinn profitieren, wohingegen Start-ups durch schnelle Erfolge einen Reputationsgewinn erfahren. [8]

Einbindung von Kundengruppen: Ein elementarer Erfolgsfaktor für Innovationsvorhaben ist die Einbindung von Kundengruppen. Diese können sowohl neue Ideen an das Unternehmen herantragen als auch während des Innovationsprozesses selbst Rückmeldungen zu Zwischenergebnissen geben. Unternehmen müssen hierfür ihre Geschäfts- und Innovationsprozesse auf Open Innovation ausrichten. Diese sind so zu gestalten, dass sie es Individuen oder Gruppen ermöglichen Produkte aktiv mitzuentwickeln, indem sie Lösungen für ihre eigenen Probleme und Bedürfnisse finden. [9] Insbesondere KMU müssen sich bewusst sein, dass auch außerhalb des eigenen Unternehmens Expert:innen für das jeweilige Themengebiet existieren, dass ein überlegenes Geschäftsmodell wichtiger ist als der Erste am Markt zu sein und dass sie nicht selbst Ursprung der Innovation sein müssen, um von ihr zu profitieren. [10] Durch die frühe und stetige Einbindung potentieller Kunden wird das Risiko, Produkte am Markt vorbei zu entwickeln, erheblich reduziert. Besonders hervorzuheben ist, dass hierfür Unternehmensbereiche für das Thema sensibilisiert werden müssen, welche bisher wenig in Innovationsprozesse eingebunden waren. Beispiele hierfür sind Vertriebs- oder Servicemitarbeitende, welche Impulse oder Anregungen von (potentiellen) Kunden aufnehmen und weiterleiten.

Einbindung von Lieferanten: Auch die Einbindung von Partnern auf der Lieferantenseite verspricht wichtige Innovationsimpulse. KMU sollten sich dabei von der Denkweise in traditionellen linearen Lieferketten lösen und stattdessen vermehrt in Liefernetzwerken denken. Durch diese Perspektive können auch Unternehmen berücksichtigt werden welche zwar Teil der Wertschöpfungskette sind, zu denen aber bisher keine direkten Beziehungen existieren. Beispiele hierfür sind Partner von Lieferanten welche bisher unberücksichtigt geblieben sind, wie beispielsweise weitere Forschungseinrichtungen oder Lieferanten von Lieferanten. In Abhängigkeit vom festgelegten Ziel des Innovationsökosystems kann es vorteilhaft sein in einen regelmäßigen Austausch zu gehen, um frühzeitig von neuen Entwicklungen zu erfahren und wichtige Perspektiven auf Marktgegebenheiten zu erhalten. Wichtig ist auch hier die Einbindung der entsprechenden Geschäftsbereiche, welche in Kontakt zu Lieferanten stehen, z. B. die Beschaffung, und so erste Impulse wahr- und aufnehmen können. In Abbildung 2 ist ein beispielhaftes Innovationsökosystem für KMU visualisiert.

Welche Möglichkeiten gibt es für den Start in die Vernetzung?

Innerhalb Deutschlands und insbesondere Bayerns existiert eine Vielzahl von Angeboten für interessierte Unternehmen welche sich vernetzen und externen Impulsen öffnen wollen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat mit dem Förderschwerpunkt Mittelstand-Digital unter anderem ein Netzwerk aus regionalen und themenspezifischen Zentren aufgebaut, welches im gesamten Bundesgebiet KMU zur Seite steht. Wenden Sie sich an das Kompetenzzentrum in Ihrer Region bzw. Ihrer Branche oder an das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Augsburg [11]. Sollten unsere Angebote nicht Ihren Bedarf decken, so stellen wir gerne den Kontakt mit weiteren Ansprechpartner:innen her.

Der BVIZ [12] als Bundesverband der deutschen Innovations-, Technologie- und Gründerzentren sowie Wissenschafts- und Technologieparks vertritt deutschlandweit rund 260 Zentren, 15 davon in Bayern. Hier finden interessierte Unternehmen und insbesondere Start-ups zusammen. Zur Kontaktaufnahme mit Unternehmen eignen sich darüber hinaus Veranstaltungen wie Pitch-Events bei denen Start-ups ihre Geschäftsideen vorstellen, Hackathons oder auch Tech-Meetups als regelmäßige Technologiestammtische. Auch Fachmessen oder Branchenveranstaltungen verschiedenster Interessensvertretungen und Verbände, wie z. B. der IHK, eignen sich für Kontaktaufnahmen.

Für das Ergreifen von Chancen durch Innovationsökosysteme ist es besonders für KMU unerlässlich die eigene Position im Wertschöpfungsnetzwerk kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu definieren. Traditionell flachere Hierarchien und eine geringe Standardisierung erlauben es KMU hierbei agil auf Veränderungen zu reagieren. [13] Ganz gleich ob die Art der gewünschten Zusammenarbeit bereits feststeht oder ob zunächst Möglichkeiten sondiert werden sollen. Das Wichtigste ist in Kontakt mit potentiellen Partnern zu kommen, hierbei helfen wir Ihnen gerne.

Quellenverzeichnis

[1]   ZEW: Innovativer Mittelstand 2025 – Herausforderungen, Trends und Handlungs-empfehlungen für Wirtschaft und Politik. 2016
[2]   Berger, Florian ; Biela, Jan ; Merkl, Fiona ; Kahl, Julian ; Klement, Benjamin ; Dornbusch, Friedrich: Begleitende Evaluation des Modellvorhabens „ZIM-Kooperationsnetzwerke International“ sowie Untersuchung der Förderung von internationaler Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung (FuE) im Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM). Abschlussbericht (Kurzfassung). Leipzig, 2020
[3]   EY: Mittelstandsbarometer Befragungsergebnisse. 2021
[4]   ZEW: Labor Shortage and Innovation. 2020
[5]   KfW: KfW-Innovationsbericht Mittelstand 2019. 2020
[6]   Oh, Deog-Seong ; Phillips, Fred ; Park, Sehee ; Lee, Eunghyun: Innovation ecosystems: A critical examination. In: Technovation 54 (2016), S. 1–6. URL https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0166497216300062
[7]   IfM: Kooperationen zwischen etabliertem Mittelstand und Start-ups. 2017
[8]   Deloitte: Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-ups. 2017
[9]   Kaschny, Martin ; Nolden, Matthias: Open Innovation : Nutzung der Kreativität externer Partner. In: Industrie Management (2016), Nr. 1, S. 34–37
[10] CEIN: Open Innovation | Vorteile für KMUs. 2012
[11] Mittelstand 4.0: Kompetenzzentrum Augsburg. URL https://kompetenzzentrum-augsburg-digital.de/
[12] BVIZ: Innovationszentren. URL https://innovationszentren.de/
[13] Matt, Dominik (Hrsg.): KMU 4.0 – digitale Transformation in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Berlin : GITO, 2018 (Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation)